Ab und zu mal einen Veggietag, das ist wohl in den allermeisten Familien Standard. Aber was tun, wenn eure Kinder beschließen: Ab jetzt esse ich kein Fleisch (und Fisch) mehr? Wir haben Tipps von einer Expertin, die euch die erste Zeit erleichtern werden.
Dr. Barbara Hauer, im Bereich Public Health tätig und Mutter zweier Kinder, stand plötzlich vor der Herausforderung, dass ihre damals 12-jährige Tochter beschloss: Ab jetzt verzichte ich auf Fleisch. Natürlich wollte sie sich informieren, wie der Speiseplan der Familie zukünftig aussehen könnte.
Und gleichzeitig war die Neugier geweckt, sich vertiefend mit dem Thema zu beschäftigen, um auch anderen Familien Tipps und Unterstützung anzubieten. Entstanden ist dann ihr Buch "Ich ess ab heute kein Fleisch mehr!". Wir haben Dr. Hauer nach Tipps gefragt, wie es mit der vegetarischen Ernährung klappen kann.
Was bedeutet vegetarische Ernährung?
"Vegetarier*innen `verzichten` auf alles, was vom toten Tier kommt, also nicht nur auf Fleisch und Wurst, sondern auch auf Fisch, Gelatine, tierisches Lab usw. Viele Menschen verstehen sich als Vegetarier, obwohl sie noch Fisch essen (manche bezeichnen das als `Pesco-Vegetarier`, korrekt ist der Begriff Pescetarier) oder nur gelegentlich Fleisch verzehren. Wer öfter mal Gemüsepfanne statt Gulasch isst, ist aber noch kein Vegetarier, hier hat sich der Begriff Flexitarier etabliert", sagt Dr. Hauer.
Wenn euer Kind vegan leben möchte, ist dies noch mal etwas anderes. "Vegan ist dagegen die strengste Form des Vegetarismus. Hier ist die Ernährung rein pflanzlich und es wird auf alles verzichtet, was von Tieren stammt oder hergestellt wird, also auch auf Milch, Eier und Honig. Wer sich vegan ernährt, muss wirklich sehr gut Bescheid wissen (nicht ohne Grund waren die meisten Veganer zuvor Vegetarier) und bereit sein, die ganze Bandbreite pflanzlicher Lebensmittel zu nutzen sowie kritische Nährstoffe, insbesondere Vitamin B12, zu ergänzen."
Dass die Fachinstitutionen in Deutschland diese Ernährungsform für Kinder- und Jugendliche kritisch sehen, kann ich daher nachvollziehen.
Kinder vegetarisch ernähren
Ist es eigentlich wirklich noch so selten, dass insbesondere Teenager sich vegetarisch ernähren wollen? Barbara Hauer rechnet vor: "Laut dem Ernährungsreport 2019 des Bundesministeriums fürs Ernährung und Landwirtschaft gaben in einer Telefonumfrage 11% der 14-29-jährigen an, sich vegetarisch zu ernähren, wobei der Anteil unter jungen Frauen und in Großstädten am höchsten ist.
Bei Jugendlichen geht das Robert Koch-Institut nach einem Ernährungssurvey 2015-2017 bei Jungs von gut 2%, bei Mädchen von etwas über 8% aus. Das klingt jetzt nicht nach besonders viel, aber in Absolutzahlen entspricht das immerhin fast einer viertel Million Jugendlicher. Möglicherweise sind es durch die Fridays for Future Bewegung mittlerweile auch schon viel mehr."
Ängste, wegen vegetarischer Ernährung
Klingt doch gut, oder? Und vor allem so, als sei es gar nicht so ein großes Problem, wenn das eigene Kind auf Fleisch und/oder Fisch verzichtet. Barbara Hauer berichtet von ihren Recherchen.
"Nach meiner Erfahrung fühlen sich viele Eltern überfordert und unsicher, ob ihr Kind in dieser wichtigen Wachstumsphase ohne Fleisch und Fisch genügend Nährstoffe bekommt. Dazu kommt die logistische Herausforderung, Vegetarier und Fleischesser unter einen Hut zu bekommen und die fehlende Erfahrung, fleischlos, und zwar nicht nur gesund, sondern auch so lecker zu kochen, so dass es allen Familienmitgliedern schmeckt", sagt die Ärztin.
Oft ist die Ausgangslage ja nicht so berauschend, viele sind in dem Alter eher mäkelige Esser, und eine weitere Einschränkung der Lebensmittelauswahl verstärkt dann diese Sorge. Zudem ist der Alltag oft schon stressig genug, und das Letzte, was man mit pubertierenden Kindern braucht, ist ein weiteres Thema, bei dem man sich dauernd in die Haare kriegt.
Dr. Barbara Hauer
Tipps für die vegetarische Ernährung
Wenn sich eure Kinder dafür entscheiden, vegetarisch leben zu wollen, dann hat die Buchautorin ein paar Tipps für euch:
- Nicht verrückt machen lassen
- Sich gut informieren
- Um Dinge kümmern, die sich leicht umsetzen lassen und dann schrittweise weiter vorarbeiten
- Lasst eure Kinder aufschreiben, was sie gern essen, denn darauf lässt sich aufbauen
- Wichtig ist auch, euren Jugendlichen klar zu machen, dass sie selbst auch Verantwortung für ihre Ernährung übernehmen müssen
- Wenn ihr nicht mehr weiterkommt: Bittet eine Ernährungsfachkraft, die sich mit vegetarischer Ernährung auskennt, um Hilfe
- Bleibt entspannt: Das Ziel ist es nicht, ständig zu rechnen und zu wiegen, sondern sich ohne viel nachzudenken gut und mit Genuss zu ernähren.
- Achtet auf tierische Bestandteile, die ihr in verschiedenen Produkten eigentlich nicht erwartet. Lest die Zutatenliste, denn z. B. Gelatine wird nicht nur in Gummibärchen, sondern häufig zur Klärung von Fruchtsäften eingesetzt.
- Sucht nach den V-Label, mit denen vegetarische bzw. vegane Lebensmittel gekennzeichnet sind (grünes V auf gelbem Grund)
- Findet ein für alle Beteiligten praktikables Niveau, wie ihr mit Lebensmitteln umgehen wollt. Ihr entscheidet, was ihr esst.
Macht euch keine Sorgen, eine vegetarische Ernährung ist für Jugendliche in der Regel kein Problem.
Medizinisch spricht überhaupt nichts gegen eine vegetarische Ernährung im Kindes- und Jugendalter - vorausgesetzt, sie ist ausgewogen und bedarfsdeckend. Wenn allerdings ehemals begeisterte Schnitzelfans und Gemüsehasser zu „Puddingvegetariern“ werden, dann ist das kein erfolgsversprechender Ansatz. Hier sollte man entsprechend nachsteuern.
Dr. Barbara Hauer
Meine Erfahrung
Wir leben schon seit vielen vielen Jahren vegetarisch. Und für uns Eltern war immer klar: Wir ernähren unsere Kinder vegetarisch, so lange, bis sie sagen: Ich will aber Wurst und Fleisch und Fisch probieren. Dann dürfen sie das natürlich tun.
Die Kinder sind jetzt 7, 4 und 2 und haben kein Interesse daran. Nicht, weil wir sagen Fleisch essen sei böse, sondern weil sie sehr genau wissen, dass Fleisch von Tieren kommt. Und das lehnen sie ab. Genauso wie die bekannten Gummibärchen mit Gelatine.
Dafür gibt es aber bei uns Parmesan, was genau genommen auch nicht vegetarisch ist. Ich finde den Ansatz von Dr. Barbara Hauer deswegen auch so gut, Eltern daran zu erinnern, dass letztlich sie zusammen mit dem Kind eine Entscheidung treffen. Und die geht auch nur diese Familie etwas an.
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Foto Dr. Barbara Hauer: Foto Fehling, Berlin