Die armen mittleren Kinder! Die sogenannten 'Sandwich-' oder 'Dazwischenkinder' müssen sich nicht nur mit altklugen älteren und nervigen jüngeren Geschwistern rumplagen, sie werden von der Psychologie und den Medien auch mit einer ganzen Menge Problemen diagnostiziert. Doch ist die Sandwichkind-Realität wirklich so schlimm? Nein! Wir wissen warum.
Eine kleine Google-Suche zeigt bereits, in welche Richtung die angeblichen Probleme der Sandwichkinder gehen. Gibt man den Begriff "Sandwichkind" in die Suche ein, werden einem recht deprimierende Suchanfragen wie "Sandwichkind psychische Probleme" oder "Sandwichkind Depression" vorgeschlagen.
Wenn man sich Artikel zu den Eigenschaften eines Sandwichkindes durchliest, bekommt man das Bild von einem Kind, das um die Aufmerksamkeit seiner Eltern kämpfen muss und deswegen sein ganzes Leben lang das Gefühl haben wird, niemals die Nummer eins zu sein. Sie sollen ein geringeres Selbstwertgefühl haben als ihre Geschwister, eigenbrötlerisch veranlagt sein und oft aggressives Verhalten an den Tag legen. Das sogenannte "Mittelkind-Syndrom" hat es sogar in den regulären Sprachgebrauch geschafft, als eine Bezeichnung für ein aufmüpfiges Kind mit geringem Selbstbewusstsein. Typisch Sandwichkind? Von wegen!
Die Realität sieht nämlich überhaupt nicht so deprimierend aus. Warum es gerade gut ist, ein Sandwichkind zu sein – plus drei Tipps, wie Eltern dem typischen Sandwichkind-Effekt entgegenwirken können.
1. Sandwichkinder sind wahre Diplomaten
Sandwichkinder sitzen meist zwischen zwei Stühlen und sind oft gefragt, wenn es darum geht, zwischen älteren und jüngeren Geschwistern zu vermitteln – das benötigt einiges an diplomatischen Fähigkeiten und Verhandlungsgeschick. Mittlere Kinder lernen früh, sich in ihre Geschwister hineinzuversetzen. Das fördert ihre Empathie. Sie sind gut darin geworden, Streitigkeiten fair zu verhandeln. Fühlt sich eine Partei benachteiligt, beweisen Mittelkinder großes Einfühlungsvermögen und Feingefühl. Damit können sie selbst die traurigste kleine Schwester wieder aufmuntern. Kein Wunder also, dass der große Martin Luther King auch ein mittleres Kind war.
➤ Kleiner Vorteil am Rande: Der zweite Vorname von Sandwichkindern könnte Kompromiss lauten. Sie sind nämlich Meister darin geworden, sich Lösungen auszudenken, die für alle in der Familie passen. Das fördert nicht nur ihre Kreativität, sondern auch die Fähigkeit, um die Ecke zu denken und nach alternativen Ansätzen zu suchen – Begabungen, die im Berufsleben sehr gefragt sind.
2. Sandwichkinder haben enge Freundschaften und einen großen Freundeskreis
Für Sandwichkinder ist es sehr üblich, viele und intensive Freundschaften zu pflegen. Denn Dazwischenkinder versuchen oft, die Aufmerksamkeit, die sie nicht von ihren Eltern bekommen, durch starke Beziehungen außerhalb der Familie auszugleichen. Sie möchten sich so ihre eigene Familie an Menschen schaffen, die ihnen ähnlich sind. Da sie gut auf Leute zugehen können und ein Gespür für die Gefühle anderer haben, fällt es mittleren Kinder auch nicht schwer, Bekanntschaften und Freundschaften zu schließen. Ihre Freunde können sich sicher sein, dass sie jemanden an ihrer Seite haben, der immer für sie da ist. Standfest und charismatisch – das macht ein Sandwichkind aus. Da ist es nicht überraschend, dass auch der smarte US-Präsident John F. Kennedy ein Mittelkind war.
➤ Kleiner Vorteil am Rande: Sandwichkinder haben immer jemanden zum Spielen. Mag zwischen Ältestem und Jüngstem manchmal eine Kluft bestehen, kommt das mittlere Kind meist gut mit allen Geschwistern klar.
3. Sandwichkinder sind selbstständig und durchsetzungsfähig
Während Mama und Papa mit der älteren Schwester und dem jüngeren Bruder beschäftigt sind, kann das Sandwichkind auch einmal unter dem Radar durch tauchen. Mittelkinder profitieren sehr von dem Freiraum, der ihnen zur persönlichen Entfaltung gegeben wird. Im Gegensatz zum älteren Geschwisterteil, das die Aufmerksamkeit der Eltern lange alleine hatte, und dem jüngeren Geschwisterchen, das die Aufmerksamkeit später für sich pachtet, muss sich das mittlere Kind die Eltern immer mit seinen Geschwistern teilen. Das kann zwar manchmal nervig sein, lässt aber auch viel Raum zu, den eigenen Weg zu gehen und die eigenen Fehler zu machen.
Außerdem haben mittlere Kinder auch gelernt, wie sie sich Gehör verschaffen können, wenn es sein muss. Denn das ist als Mittelkind, das gerne mal im Trubel untergeht, enorm wichtig. Sie wissen genau, wann und wie sie für sich und ihre Meinung kämpfen müssen, um Erfolg zu haben – genauso wie Bill Gates, der auch ein Dazwischenkind ist.
➤ Kleiner Vorteil am Rande: Mittlere Kinder haben viel mehr Zeit! Während die Erstgeborenen alle möglichen Kurse wie Pekip und Babyschwimmen mitmachen müssen und oft als Babysitter für die jüngeren Geschwister eingespannt werden, bleibt dem Mittelkind viel mehr Zeit und Raum zu Spiel, Spaß und Entspannung.
4. Sandwichkinder sind gelassener
Sandwichkinder erfahren nicht den gleichen Druck von den Eltern, den das älteste und das jüngste Kind erfahren. Sie fühlen sich nicht wie der Älteste in die Vorbildrolle gedrängt und haben auch nicht das Bedürfnis zu rebellieren, wie der Jüngste. Deswegen sind mittlere Kinder oft mehr im Reinen mit sich selbst als es ihre Geschwister sind. Während ihre Brüder und Schwestern häufig um die Aufmerksamkeit der Eltern buhlen, kümmern sich mittlere Kinder nur selten darum, im Mittelpunkt zu stehen. Sie haben gelernt, sich selbst zu genügen. Eine Lektion, die bei Donald Trump, einem weiteren mittleren Kind, wohl doch noch nicht so gut angekommen ist.
➤ Kleiner Vorteil am Rande: Eigentlich ist es ganz schön, ältere Geschwister zu haben, die die Hindernisse des Lebens vor einem navigieren müssen und so manchmal den ein oder anderen nützlichen Tipp auf Lager haben. Und: Dem jüngsten Geschwisterchen beim Aufwachsen zuzusehen und zu realisieren, dass man diesen kleinen Menschen schon sein ganzes Leben lang kennt, ist etwas ganz Besonderes.
5. Sandwichkinder sind mit sich im Reinen
Eine britische Studie hat herausgefunden, dass mittlere Kinder im Alter glücklicher sind als ihre Geschwister. Sechs von zehn Befragten sind der Meinung, dass sie durchsetzungsfähiger und erfolgreicher sind als ihre Brüder und Schwestern. Das kann wohl auch Mittelkind Madonna unterschreiben.
➤ Kleiner Vorteil am Rande: Wir haben ja schon erwähnt, das Sandwichkinder gute Diplomaten sind. Was mittlere Kinder aber auch noch gut können, ist Manipulation. Denn den älteren Bruder oder die jüngere Schwester auf die eigene Seite zu ziehen, haben die cleveren Mittelkinder schon früh gelernt. Weil sie sich gut in andere hineinversetzen können, können sie diese auch gut lenken und beeinflussen.
Das solltet ihr als Eltern eines Sandwichkinds beachten
Laut Studien geben 40 % aller Eltern mit drei Kindern an, dass sie es als extrem schwierig empfänden, alle Kinder gleich zu behandeln. Manche sagten sogar, dass sie anderen Eltern dazu raten würden, auf einen dritten Nachwuchs zu verzichten. Es ist nicht leicht, allen Kindern gleich viel Aufmerksamkeit zu schenken, diese Tipps können die Situation für Eltern und das mittlere Kind aber etwas entspannen:
- Verbringt Zeit alleine mit einem Kind:
Auch den anderen Geschwistern sollte One-on-One-Zeit mit Mama und Papa eingeräumt werden, aber für mittlere Kinder ist besonders wichtig, regelmäßig die volle Aufmerksamkeit der Eltern zu bekommen. - Denket euch Privilegien für das Sandwichkind aus:
Pädagoge Wolfgang Endres rät Eltern in einem Gespräch mit dem Focus: "Gönnen Sie Ihrem mittleren Kind hin und wieder ein Privileg, das normalerweise nur das älteste oder das jüngste Kind genießt." - Lasst euer Kind bei Problemen nicht alleine:
Sandwichkinder neigen zu einem Vermeidungsverhalten. Unangenehmen Situationen oder Konflikten versuchen sie entweder aus dem Weg zu gehen oder diese mit sich selbst auszumachen. Hier müssen Eltern einschreiten und dem Kind beibringen, dass es vollkommen in Ordnung und sogar positiv ist, mit anderen über unangenehme Dinge zu sprechen und um Hilfe zu bitten.
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