Du weißt schon länger, dass du auf dein eigenes Geschlecht stehst und weißt aber einfach nicht, wie du dich outen sollst? Das braucht je nachdem, wie offen die eigene Familie ist, recht viel Mut und Vertrauen. Wir haben mit YouTouber Tommy Toalingling quasi einen Experten in Sachen Outing gefragt, welche Tipps er für dich hat. Er outete sich mit 16 vor seinen Eltern als schwul und weiß daher genau, wovon er spricht.
#1 Lerne das queere Leben kennen
Tommy Toalingling rät dir als Erstes: "Lerne das queere Leben kennen und informiere dich online und offline. Du könntest einen CSD besuchen, lernst Leute kennen, die so ticken wie du und erfährst dort viel Wissenswertes über die LGBTQ+ Szene wie queere Sportvereine, Treffs, Hilfsangebote etc."
#2 Schaue queere Serien oder lese queere Bücher
Bücher und Serien zeigen uns Welten, die uns fremd sind oder lassen uns erst erkennen, wie wir wirklich sind. Daher empfiehlt Tommy dir auch, queere Bücher zu lesen oder in queere Serien einzutauchen. Die Figuren erleben Geschichten, die dir vielleicht auch passiert sind und du kannst dich mit ihnen identifizieren. Manchmal wird einem auch etwas klarer, wenn man darüber liest oder sieht, wie andere mit dieser Thematik umgehen. Themen wie Coming Out und erste sexuelle schwule oder lesbische Erfahrungen werden dort gespiegelt und können dir helfen, zu erkennen, wer du bist oder sein möchtest.
"Wenn du die Vielfalt ein wenig kennst, kannst du vielleicht eher verstehen, was in dir vorgeht und dann fällt ein Outing sicher auch leichter."
Film- und Serientipps von Tommy:
- Netflix-Serie "Heartstopper"
- Netflix-Serienhit "Sex Education"
- Netflix-Hit-Show "Queer Eye"
- Disney-Plus-Serie "Love, Victor" oder Film "Love, Simon"
Queere Buchtipps:
#3 Vertraue dich jemandem an
Nicht immer ist es so leicht, als Teenager in der Selbstfindungsphase gleich alles in Worte zu packen, was man fühlt. Vielleicht magst du dich noch gar nicht schwul oder lesbisch nennen oder fühlst dich von diesen Titeln eher eingeengt? Das ist normal, fühle dich davon nicht unter Druck gesetzt.
Auch Tommy weiß das: "Outings sind ebenfalls, wie jeder einzelne Mensch, super individuell und laufen immer unterschiedlich ab. Daher kann ich dir nur eine grobe Hilfestellung geben. Klopfe z.B. erst einmal ab, wie LGBTQ+-freundlich dein Umfeld (Schule, Verein, Freunde) ist und erwähne mal hier oder da eine queere Serie oder erzähle von einem "queeren Freund". Wenn der oder die andere darauf offen reagiert, kannst du dich trauen, von dir zu erzählen. Wenn du zunächst niemanden findest, mit dem du darüber reden kannst, dann suche im Internet nach queeren Vereinen oder Foren und tausche dich mit ihnen aus."
#4 Such dir Verbündete für dein Outing
Hast du diese Person oder Personen im Freundes oder Bekanntenkreis gefunden, denen du dich offenbaren kannst? Das ist großartig. Du kannst nun allen Mut zusammennehmen und dich vor deinen Eltern oder deiner Familie offenbaren, ohne dass du konkret sagen musst "Ich in schwul" oder "Ich bin lesbisch". Auf jeden Fall ist es hilfreich, so Tommy, wenn ein oder eine Verbündete*r dabei ist. Sollte deine Familie doch nicht so positiv reagieren, hast du im Notfall jemanden, bei dem du dich sicher fühlen und im Notfall unterkommen kannst.
Es ist schwer Leute zu bekehren, wenn sie das Thema LGBTQ+ nicht tolerieren. Klar kannst du versuchen darüber aufzuklären und zu sensibilisieren, aber ich für meinen Teil denke "Investiere nicht zu viel Kraft in "Hater" oder Leute, die dich nicht verstehen wollen, sondern auf jeden Fall in dich selbst, deine Freunde und ein queeres Umfeld. Auf lange Sicht macht dich dies stärker und diese Herangehensweise ist nachhaltiger.
Tommy Toalingling
#5 Gib deinem Umfeld Zeit und erwarte nicht zu viel
Tommy betont, dass es wichtig ist, nicht gleich Jubelschreie zu erwarten. Es kommt wirklich sehr darauf an, wie offen die Personen sind, denen man sich anvertraut und wie sie generell zu queeren Themen stehen. Wichtig ist jedoch, dass du nicht sofort erwarten solltest, dass sie extrem positiv oder gleich total verständnisvoll reagieren. Schraube deine Erwartungen also etwas herunter, dann bist du nicht ganz so enttäuscht, wenn die Reaktion nicht so gut wie erhofft ausfällt.
"Bedenke: du hattest lange Zeit deinen Körper und deine Gefühle zu verstehen, Gib deinen Umfeld Zeit, angemessen darauf zu reagieren, Fragen zu stellen und sich vielleicht an den neuen Umstand zu gewöhnen."
Tommy Toalingling
#6 Der richtige Zeitpunkt für ein Outing
Diesen Zeitpunkt gibt es eigentlich nicht bzw. ist er bei jedem anders. Es kommt wieder darauf an, ob du dich damit wohlfühlst, mit deinen Gefühlen an die Öffentlichkeit zu gehen und in welchem Umfeld zu lebst. Wenn es sehr tolerant ist, wird es leichter sein, als wenn Vorbehalte da sind. Manchmal kann es dann gut sein, ein direktes Coming Out zu verschieben, sollte man wirklich befürchten, dass es Eltern oder Familie mit großer Ablehnung reagieren.
"Hat man das Gefühl, dass das Umfeld nicht gut reagieren könnte, ist es empfehlenswert ein Outing erst anzugehen, wenn man keine Abhängigkeit mehr hat d.h. wenn man ausgezogen ist, finanziell nicht mehr auf die Eltern angewiesen ist etc."
Tommy Toalingling
#7 Alternatives Coming Out: Schreibe einen Brief!
Manchmal kann es leichter sein, die eigenen Gefühle aufzuschreiben. Hast du das Gefühl, du kannst nicht direkt persönlich mit deiner Familie reden, weil es dir zu intim ist? Oder du hast begründete Angst vor der direkten Reaktion? Tommy empfiehlt dir in dem Fall, einen Brief zu schreiben: "Wenn du bei der direkten Reaktion nicht dabei bist, hat die Person nochmal die Chance, angemessen auf dein Outing zu reagieren. Dann setzt du sie nicht direkt unter Druck, weil du sie anschaust und die erste Mimik und Gestik gleich deutest und vielleicht missinterpretierst."
Über Tommy Toalingling
Tommy Toalingling begeistert mit seinen YouTube-Videos über queere Themen, Coming-Out und Schwulsein zahlreiche Fans. Der Texter und Drehbuchschreiber organisiert Social Media Camps für Jugendliche und informiert über alle Themen rund ums Queersei. Mit "Mein erster Schwultag" hat er im März 2022 sein erstes Buch herausgebracht, in dem er von seinem persönlichen Coming-Out erzählt und Jugendliche dazu ermutigt, herauszufinden, wer sie sind und zu sich selbst zu stehen.
Im Juni jedes Jahres feiert die queere Community den Pridemonat. Dabei geht es um Akzeptanz und Toleranz gleichgeschlechtlicher Liebe und sexueller Vielfalt. Das solltest du außerdem darüber wissen:
Bildquelle: Getty Images/nd3000