Die Bundestagswahl steht vor der Tür und damit auch die Möglichkeit, sich politisch zu beteiligen. Aber wenn wir ganz ehrlich sind: Wer liest schon all die Wahlprogramme der Parteien, um dann eine Entscheidung zu treffen? Was dabei helfen kann, sich mit den verschiedenen Positionen der Parteien zu Sachverhalten, die uns alle betreffen, auseinander zu setzen, ist ein Wahl-O-Mat. Wahl-O-Maten werden von verschiedenen Stellen programmiert und mit der Beantwortung von Fragen kommst du deinem Kreuz bei der Bundestagswahl 2021 deutlich näher. Auch wenn diese Onlinetools keine Wahlempfehlung aussprechen, helfen sie dabei, zu einer passenden Entscheidung zu gelangen. Wir haben vier verschiedene Wahl-O-Maten ausprobiert und stellen sie genauer vor.
1. Der Klassiker: Der Wahl-O-Mat der Bundesregierung
Den Wahl-O-Mat der Bundesregierung wird bereits seit 2002 von der Bundeszentrale für politische Bildung betrieben und nicht nur für Bundestagswahlen eingesetzt. Ihr könnt euch hier auch Informationen zu anstehenden Europa- oder Landtagswahlen holen. Neben dem eigentlichen Tool findet ihr auch immer weiterführende Informationen zu verschiedenen Wahlthemen und Hintergrundinfos zur anstehenden Wahl.
Da es sich bei diesem Tool um eines der Bundeszentrale für politische Aufklärung handelt, werden die zu bewertenden Fragen auch von Jungwähler*innen zusammengestellt. Dafür wird immer ein Redaktionsteam aus Menschen im Alter zwischen 18 bis 26 Jahren aus verschiedenen Teilen der Bundesrepublik zusammengestellt.
Wahl-O-Mat mit breitem Themenspektrum
Die Fragen werden an die Parteien geschickt und die Antworten im Wahl-o-Maten aufbereitet. Für die Bundestagswahl haben 39 der 40 angefragten Parteien geantwortet. Gefragt wurde zu Themen wie Tempolimit, Mieten, Geflüchtete, Kohleausstieg oder Digitalisierung.
Ihr könnt auf die insgesamt 38 Fragen stets mit "stimme zu", "neutral" oder "stimme nicht zu" antworten und auch Thesen überspringen. Wenn ihr mit den Fragen durch seid, könnt ihr noch die Thesen, die für euch besonders wichtig sind, höher gewichten. Dann könnt ihr auch noch auswählen, mit welchen der 39 Parteien eure Standpunkte verglichen werden sollen.
Am Ende erhaltet ihr eine Aufstellung mit welcher Partei ihr, basierend auf euren Antworten, zu wie viel Prozent übereinstimmt. Außerdem könnt ihr euch ein PDF herunterladen, in dem ihr eine Übersicht aller Parteiantworten auf die Wahl-O-Mat-Thesen findet.
Mit einem Klick den Wahl-O-Mat für die Bundestagswahl 2021 ausprobieren
2. Der Feministische: Wahltraut
Die Wahlberaterin für alle, die sich für feministische und gleichstellungspolitische Themen interessieren. Denn bei Wahltraut wird vor allem überprüft, wie es bei den Parteien wirklich um Gleichstellungspolitik bestellt ist.
Die Themen für Wahltraut wurden von einer Gruppe Expert*innen für Feminismus, Inklusion, Diversität und Anti-Rassismus gesetzt und fünf Parteien vorgelegt. Das ist im Vergleich zu anderen Wahltools eher wenig, hilft aber sicher dennoch bei der Entscheidungsfindung. Denn die meisten von uns achten bei der Wahl eher noch zu wenig auf diese vermeintlich "weichen" Themen, die für eine Gesellschaft aber extrem wichtig sind.
Wie wollen wir als Gesellschaft zusammenleben?
Denn wie wollen wir miteinander leben und umgehen? Wie wollen wir Menschen inkludieren, was tun wir gegen Ausgrenzung? Gerade gesellschaftspolitische Fragen haben ein ungeheures Potential, werden oft aber unter den Tisch fallen lassen.
Die insgesamt 32 Fragen drehen sich vor allem um Thesen zu fairer Bezahlung, Anti-Rassismus, Inklusion, die mögliche Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen oder Parität im Arbeitsumfeld.
Ihr könnt mit "stimme zu", "neutral / weiß nicht", "Stimme nicht zu" antworten, könnt Thesen überspringen und sie als ein persönlich wichtiges Thema markieren. Diese Entscheidung beeinflusst am Ende das Ergebnis, weil die Gewichtung euer Aussagen dann doppelt bewertet wird.
Wahl-O-Mat Wahltraut untersucht nur fünf Parteien
Am Ende zeigt Wahltraut dann eure Übereinstimmungen mit den Positionen der Parteien in Prozent. Es sind nur SPD, CDU/CSU, Die Grünen, FDP und Die Linke in der Auflistung enthalten. Neben der Prozentauswertung gibt es auch eine detaillierte Auswertung, bei der ihr euer Abstimmungsergebnis seht und dann die Positionen der jeweiligen Parteien.
Hier könnt ihr Wahltraut nutzen
3. Der Vergangenheitschecker: DeinWal
Ein Wahl-O-Mat bei dem nicht in die Zukunft geschaut wird, sondern in die Vergangenheit. Denn daraus lassen sich ja Rückschlüsse darauf ziehen, wie Parteien zukünftig auch agieren werden. Vor der Wahl werden oft einige Versprechen gegeben, die nachher dann so doch nicht eingehalten werden. DeinWal arbeitet das auf und zeigt euch, wie viel von dem, was während der letzten vier Jahre für euch wichtig war, wirklich umgesetzt wurde.
Es geht bei den Thesen immer um Themen, über die zwischen 2017 bis 2021 wirklich abgestimmt wurde. Ihr könnt mit Daumen hoch oder Daumen runter über jede These abstimmen. Themen, die euch besonders am Herzen liegen, markiert ihr mit einem Herz. Zu den meisten Thesen gibt es auch Hintergrundinformationen, die ganz knapp das Wichtigste zusammenfassen.
Wal-O-Mat mit breiter Themenvielfalt aus der Praxis
Die Themen orientieren sich an dem, was in den letzten vier Jahren wirklich beschlossen wurde und reichen von Tierschutz über Organspende, Schwangerschaftsabbrüche, Geflüchtete oder Arbeitsbedingungen in fleischverarbeiteten Betrieben.
DeinWal spuckt am eine ein Balkendiagramm sowie eine barrierefreie Auswertung aus, die in Prozentzahlen wiedergibt, welche Partei in den letzten Jahren in deinem Sinne agiert hat. Zur Auswertung stehen nur die sechs großen Parteien, die in den letzten vier Jahren im Bundestag vertreten waren, also CDU/CSU, SPD, die Grünen, FDP, die Linken und die AfD. Ihr könnt euch außerdem noch jede These im Detail angucken und schauen, welche Partei bei welchem Thema wie abgestimmt hat.
DeinWal könnt ihr hier ausprobieren.
4. Die Progressive: Progresso Maschine
Progesso Maschine will, wie der Name vermuten lässt, vor allem darauf schauen, wie fortschrittlich die verschiedenen Parteien denken. Was wollen sie tun, um die Zukunft für alle gerechter zu gestalten?
Progresso Maschine ist laut Eigenaussage "ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen, die zur Bundestagswahl 2021 eine Online- Wahlentscheidungshilfe zu progressiven Themen entwickelt haben." Es wurde ein Fragenkatalog entworfen und dieser dann allen momentan im Bundestag vertretenden Parteien sowie 16 Kleinparteien gestellt. Die Antworten wurden gesammelt und bilden das Fundament des progressiven Wahl-O-Maten. Allerdings wurde bei nicht beantworteten Fragen das Wahlprogramm herangezogen, es sind also nicht alle Thesen mithilfe der Antworten der Parteien bewertet worden.
Wal-O-Mat mit 33 Fragen über die Fortschrittlichkeit von Parteien
Bei Progresso Maschine müsst ihr 33 Fragen beantworten. Ihr könnt stets zwischen "Zustimmung", "Ablehnung" und "weiß nicht" wählen. Themen, die euch besonders am Herzen liegen, könnt ihr zusätzlich noch mit "wichtig für mich" markieren. Auf diese Weise soll die Wahlempfehlung anschließend noch genauer werden. Die Fragen drehen sich um Kohleausstieg, Lieferkettengesetz, Antirassismus, Inklusion oder Lohngleichheit. Wenn ihr mit der These, zu der ihr euch positionieren sollt, wenig anfangen könnt, gibt es auch immer weiterführende Informationen.
Am Ende wählt ihr die zu vergleichenden Parteien aus, wenn ihr schon eine Idee habt, wohin eure Wahlreise gehen soll. Andernfalls lasst ihr Progresso Maschine einfach alle dort eingespeisten Parteien miteinander vergleichen. Die Auswertung zeigt euch dann, zu wieviel Prozent ihr in den abgefragten Punkten mit den verschiedenen Parteien übereinstimmt.
Hier kannst du Progresso Maschine testen.
Wahl-O-Mat und seine Grenzen
Allen Onlinetools ist es wichtig zu betonen, dass sie keine Wahlempfehlungen abgegeben, sondern sich als Informationsangebot über Wahlen und Politik verstehen. Und genau über dieses Angebot kommt ihr einen guten Eindruck, was für euch bei der Bundestagswahl überhaupt wichtig ist. Deswegen lohnt es sich auch, mehr als ein Wahltool auszuprobieren, auch wenn dies zu unterschiedlichen Ergebnissen führt.
Wahlen für Kinder erklärt
Unter 18-Jährige dürfen, genau wie Menschen ohne deutschen Pass, in Deutschland nicht wählen. Aber das bedeutet nicht, dass ihr nicht trotzdem mit euren Kindern über die Bundestagswahl sprechen müsst. Denn unsere Wahl beeinflusst die Zukunft unserer Kinder maßgeblich.
Um eurem Nachwuchs das Thema Wahlen und Wal-O-Mat näher zu bringen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum einen könnt ihr natürlich zusammen entsprechende Kinderbücher ansehen.
Ihr könnte auch die von Kinderreporter*innen für das Kindernachrichtenmagazin logo! durchgeführten Interviews mit den Kanzler*innenkandidat*innen anschauen und darüber sprechen, was für euren Nachwuchs wichtig ist.
Eine dritte Möglichkeit, die in immer mehr Städten zur Verfügung steht, ist die U18-Wahl. Auf u18.org findet ihr nicht nur ganz viele Infos über die Wahl für Minderjährige, ihr könnt auch gleich nach Standorten schauen, wo Kinder sich politisch ausdrücken können.
Wenn ihr mehr über Feminismus wissen möchtet, kann das Video eine erste Orientierung bieten:
Meine Meinung
Für mich ist politische Partizipation tatsächlich ein sehr wichtiges Thema. Anders als in den letzten Jahren werde ich aber diesmal per Briefwahl wählen, einfach, weil nicht klar ist, ob wir nicht vielleicht am Wahltag in Quarantäne müssen. Bei drei Schul- und Kitakindern potenzieren sich die Kontakte ja schnell.
Für meine Kinder finde ich die Idee von U18 aber extrem spannend. Wir haben erst die Interviews bei logo! gesehen und dann Bücher angeschaut und viel darüber gesprochen. Als wir dann zufällig ein Wahllokal von U18 gefunden haben, war klar: "Mama, das will ich machen".
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