Ein Familienalltag ist geprägt von vielen Aufs und Abs. Vor allem in Pandemiezeiten ist es oft eine große Herausforderung immer freundlich und angemessen auf die Kinder zu reagieren. Seien wir mal ehrlich: Uns allen ist schon mal ein "Och Mensch, das ist doch S******" heraus gerutscht, obwohl wir wissen, dass wir das nicht gegenüber den Kindern sagen sollen.
Manch einer von euch hat sich vielleicht mehr unter Kontrolle als der andere. Doch es gibt eben Situationen, das sagt man so Dinge im Affekt, die man vielleicht unbewusst auch von den eigenen Eltern hat und da spricht dann die Erschöpfung oder Überforderung des Moments aus einem.
Ihr sollt wissen: Wir kennen diese Situationen auch und es ist uns bewusst, dass das einfach jedem mal passiert – dem oder der einen mehr, dem oder der einen weniger. Wir wollen hier niemanden an den Pranger stellen, wenn er öfter mal solche Aussagen tätigt, sondern euch zeigen, dass jeder diese oder ähnliche Sätze schon mal gesagt hat und wir einfach alle in einem Boot sitzen.
#1 "Das kotzt mich echt an."
Diesen Satz so oder ähnlich habe ich leider in den letzten Monaten öfter mal zu meiner Tochter gesagt. Ich weiß, dass das kein angemessener Ton gegenüber einer Zweijährigen ist. Doch es ist mir so rausgerutscht in einer Situation, wo sie wieder mal total ausgeflippt ist, weil sie nach dem Nachhausekommen die Hände waschen sollte, bevor sie Abendbrot isst. Ich hatte ihr erklärt, dass das in Corona Zeiten besonders wichtig ist. Ihre dramatische Art bringt mich dann echt auf die Palme und dann rutscht mir diese Aussage heraus.
Was ich daran besonders schlimm fand? Die Kleine hat mich wiederholt und bei anderer Gelegenheit dann auch gesagt: Das kotzt mich an. Das hat mir echt gezeigt, wie höllisch man bei so kleinen Kindern aufpassen muss. Doch ich war ihr nicht böse, denn sie hat ja nur Mama wiederholt und kann nicht wissen, dass sie so nicht reden sollte.
#2 "Selbst dein kleiner Bruder kann das schon besser als du!"
Eine meiner Kolleginnen gibt zu, dass es ihr schon mal passiert ist, dass sie das eine Kind mit dem anderen verglichen hat. Direkt danach fühlte sie sich schlecht, weil sie wusste, dass sie ihren Sohn ja eher motivieren will und ihn nicht direkt mit dem Bruder vergleichen möchte. Es war nicht ihr Ziel, ihn runterzumachen, denn sie möchte ihn ja als Individuum sehen. Dennoch ist es ihr herausgerutscht.
#3 "Was ist nur los mit dir?"
Eine andere Kollegin fällt der Satz "Was ist nur los mit dir?" ein. Der klingt erstmal gar nicht so schlimm. Doch er impliziert, dass etwas mit dem Kind nicht in Ordnung sei. Damit ist es subtil echt ein "fieser Satz". Je nachdem, in welchem Tonfall man ihn sagt, kann er echt verletzend sein.
#4 "Muss das wirklich sein?"
Eine Mutter gibt zu, dass ihr diese genervte Frage auch schon mal rausrutscht, obwohl sie es besser weiß. Der Alltag kann dazu führen, dass uns dann manche Dinge einfach noch stärker nerven und wir durch solche Sätze Dampf ablassen.
"In ruhigen Momenten ist mir klar, dass Dinge passieren, Sachen runterfallen und Kinder manchmal mit dem Kopf durch die Wand wollen. Ist bei mir auch nicht anders. Aber im Affekt bewerte ich es bei meinen Kindern manchmal genervt anders."
#5 "Machst du das in der Kita auch?"
Diese Frage ist mir persönlich schon über die Lippen gekommen, obwohl ich ihn selber so sehr gehasst habe in meiner Kindheit. Meistens wird es anders herum von den Lehrern gefragt, die den Schüler rügen und fragen, ob er sich auch zu Hause so oder so verhält. Hier habe ich unbewusst diese typische veraltete Pädagogenfragerei übernommen, denn ich wusste in dem Augenblick genau, dass sie das in der Kita eben nicht macht.
#6 "Mach es mir nicht so schwer."
Eine unserer Redakteurinnen erzählt, dass sie diesen Satz mal in der Kita mitbekommen hat, als sie selbst ihren Sohn dort eingewöhnte. Eine Erzieherin habe ihn zu einem Kind gesagt und Susanne fand das ganz schlimm, doch hat sich selbst auch wiedererkannt.
"Ich muss gestehen, an sehr anstrengenden Tag kommt mir der Satz selbst manchmal über die Lippen. Ich versuche aber, ihn mir zu verkneifen, weil ich immer wieder an diese Kita-Situation erinnert werde und wie unschön ich das fand."
#7 "Du bist doch kein Baby mehr."
Eine meiner Kolleginnen verrät, dass sie diesen Satz hasst, aber er sei ihr bei der 2-Jährigen auch schon herausgerutscht. Denn eigentlich ist ein Kind in dem Alter ja wirklich erst kurze Zeit vom Baby zum Kleinkind geworden und es geht eben noch viel schief.
"Und als sie heute Nacht zu uns kam mit einem "Habt ihr noch Platz für mich?" wurde mir dann auch bewusst, wie sehr sie uns braucht und das der Begriff "Baby" einfach irreführend ist. Sie wird immer mein kleines süßes Baby sein und ich werde immer für sie da sein."
#8 "So, ich gehe jetzt ..."
In diesen Worten, die eine Redakteurin beschreibt, finde ich mich auch wieder. Wenn das Kind sich einfach vollkommen weigert, sich anzuziehen und mitzukommen, verliert man schon mal die Geduld und Nerven.
"Ich weiß, dass es komplett falsch ist, aber wenn Bennett mal wieder überhaupt nicht hört und sich irgendwo versteckt, wenn wir wirklich los müssen, ist es mir schon das eine oder andere Mal raus gerutscht."
#9 "Stell dich nicht so an!" oder "Reiß dich mal zusammen!"
Diesen ganz klassischen Satz kennen echt alle Eltern, oder? Meine Freundin Laura gibt zu, dass sie das schon mal gesagt hat, obwohl sie weiß, wie blöd das ist. Wenn Kinder bestimmte Gefühle haben, sollten sie diese auch ausleben dürfen. Doch uns Eltern passieren dann solche Bemerkungen, wenn wir überfordert sind. Meistens schaukeln wir uns dann gegenseitig hoch, Kind heult, wir sind genervt ... Grundsätzlich sollten wir die Gefühle unserer Kinder ernst nehmen und versuchen, sie zu verstehen. Es kommt halt immer darauf an, was der Auslöser ist. Es ist ganz normal, dass Kinder auch manchmal einfach gar keinen für uns nachvollziehbaren Grund haben. Dann heißt es stark und geduldig bleiben!
#10 "Sag mal, spinnst du?"
Auch dieser Satz kam der einen oder anderen von uns schon mal über die Lippen. Auch ich hab ihn leider schon mal im Affekt zu meiner Tochter gesagt, weil es in einer Situation gefühlsmäßig so rauskam. Hier sollte man vorher einfach nochmal durchatmen ... Ist aber eben nicht immer so einfach.
"Sag ich natürlich nie mit Absicht, sondern rutschte mir z.B. raus als ich in die Küche kam und und der ganze Boden voller Backutensilien, Streuseln und Verzierung lag. Sofortige Scham fürs Rufen, aber eben eine ad hoc Reaktion ..."
#11 "Ein Indianer kennt keinen Schmerz."
Auch so ein Satz, den ich so schon von Eltern gehört habe. Davon abgesehen, dass Indianer eine kulturell völlig unangemessene, veraltete Bezeichnung ist, steckt dahinter eine absolute Abwertung der Gefühle. Das wird ja oft zu Jungs gesagt, um ihnen zu zeigen, sie sollen sich doch mal „wie Jungs verhalten“. Also auch absolut problematisch in Sachen konstruiertes Männlichkeitsverhalten.
Ihr müsst keine perfekten Eltern sein ...
... ihr solltet eure Kinder einfach grundsätzlich lieb haben und ihnen das zeigen. Das heißt aber nicht, dass ihr eure eigenen Gefühle dabei hinten anstellen solltet oder eben auch mal einen echt doofen Tag habt. Was das Wichtigste ist, wenn uns so was rausrutscht, dass wir sofort bereuen: Mit den Kindern reden, wie wir das gemeint haben und uns auch mal entschuldigen bzw. erklären, wenn uns ein sehr unangemessener Ausdruck dabei über die Lippen kam.
Wir können den Kindern nicht versprechen, dass so was nicht irgendwann mal wieder gesagt wird. Eltern sind keine Übermenschen, denen passieren auch Fehler. Das ist in Ordnung, solange es nur bei manchen verbalen Ausrutschern bleibt.
Wir sind alle vereint im Chaos
Ich habe jetzt bewusst darauf verzichtet, euch vorzubeten, warum ihr diese Sätze jetzt besser nicht sagen solltet und wie es besser geht. Denn ganz ehrlich: In einer sehr chaotischen Alltagssituation, die uns überfordert, habe auch ich nicht DEN perfekten Tipp für euch. Und ich weiß: Es wird mir bestimmt wieder mal ein doofer Ausdruck rausrutschen, obwohl ich es besser wissen sollte.
Wir alle bemühen uns täglich nach bestem Gewissen und Wissen. Es nützt nichts, da mit dem Finger aufeinander zu zeigen. Das Beste daran ist doch: Wir sind uns in dem Moment darüber bewusst gewesen, dass dieser Ausdruck nicht das Beste gegenüber dem Kind war. Doch von einem "falschen Ausdruck" wird das Kind ja jetzt nicht fürs Leben geprägt ... hoffentlich ;)
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