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Neues Gesetz

Wieso ist Kindesmissbrauch kein Verbrechen?!

Kindesmissbrauch
© getty images/ Umkehrer

Kindesmissbrauch ist, laut aktuellem Gesetz, kein Verbrechen, sondern nur ein Vergehen. Das soll sich jetzt aber ändern.

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Es ist längst überfällig und eigentlich unerklärlich. Sexueller Missbrauch an Kindern ist aktuell ein Vergehen, das in schweren Fällen mit Gefängnisstrafen bestraft wird, in minder schweren Fällen aber oft deutlich geringere Strafen vorsieht. Wie kann das sein? Wieso wurde da nicht längst schon nachjustiert?

Strafverschärfung für Kinderpornographie

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig will das nun ändern und eine Strafverschärfung bei Missbrauch und Kinderpornografie erreichen. Dazu plant sie eine Gesetzesinitiative im Bundesrat.

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Die ehemalige Bundesfamilienministerin zeigte sich in einem Interview mit der Bild am Sonntag schockiert darüber, dass die Gewalt gegen Kinder noch immer viel zu lasch bestraft wird. Sie will mit ihrer Initiative erreichen, dass die Gesetze zum Schutz von Kindern gestärkt und Täter*innen härter bestraft werden.

Weniger Bewährungsstrafen, weniger Wiederholungstäter

Es soll, so Schwesig, zukünftig weniger Bewährungsstrafen geben und mehr Sicherheit vor Wiederholungstätern. Diese Sicherheit soll auch mithilfe von modernster IT erreicht werden. Aktuell fehlt es vielen Polizist*innen, die bei Kindesmissbrauch und Kinderpornografie ermitteln, schlicht auch an Ausstattung.

Amira Pocher bekam Kinderpornografie geschickt

Amira Pocher war, gemeinsam mit ihrem Mann Oliver Pocher, selbst aktiv geworden und begann auf Instagram nach Profilen zu suchen, die Posing-Bilder oder kinderpornografisches Material teilten. Sie rief ihre Follower dazu auf, diese Profile der Polizei zu melden. Nun bekam sie, laut Medienberichten, selbst ein Video mit kinderpornografischem Inhalt zugeschickt. Sie erzählte, dass sie weinend aufwachen würde und nicht verstehen kann, wieso ihr jemand dieses Video überhaupt kommentarlos geschickt hat.

Strafbar ist schon das Ansehen von Kinderpornografie

Das Verzwickte: Durch das (ungewollte) Ansehen des Videos könnte sich Amira Pocher selbst strafbar gemacht haben. Denn laut dem Cyberkriminologen Dr. Thomas-Gabriel Rüdiger, den ich schon mal zum Thema Cybergrooming interviewt habe, ist bereits das Erstellen eines Screenshots, um damit eine Strafanzeige durchzuführen, ohne vorherige Rücksprache mit der Polizei, letztlich Vervielfältigung von Kinderpornografie.

Reflexartiger Ruf nach härteren Strafen

Grund für die Forderungen sind auch die jüngsten Vorfälle von schweren sexuellen Missbräuchen, über die deutschlandweit berichtet wird. Es ist schon beinahe ein parteiübergreifender Reflex, dass, wann immer ein pädophiles Netzwerk endlich aufgedeckt wird, der Ruf nach härteren Strafen und Gesetzen folgt. Umgesetzt wurde bis dato noch nichts. Deswegen setzen wir große Hoffnung in die ehemalige Familienministerin Schwesig, dass sie sich für Kinder stark macht und endlich erreicht, dass die Verbrechen gegen Kinder hart bestraft werden.

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Strafverfolgungswahrscheinlichkeit muss erhöht werden

Dr. Thomas-Gabriel Rüdiger gibt auch zu bedenken, dass die Forderung nach härteren Strafen allein nicht reichen wird. "Es kommt nicht darauf an, wie hoch die Strafe ist, sondern darauf, ob man erwischt wird", sagte der Cyberkriminologe in der Tagesschau. Er fordert deswegen dazu auf, die Ressourcen für die Strafverfolgung zu erhöhen.

Eine erste Anlaufstelle bei sexuellem Missbrauch oder Verdacht auf solchen kann das Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch (0800 22 55 530) sein. Hier finden Betroffene von sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend, Angehörige sowie Personen aus dem sozialen Umfeld von Kindern, Fachkräfte und generell Interessierte anonyme und kostenlose Hilfe. Wer sich nicht traut zum Hörer zu greifen, kann sich auch online beraten lassen. Die Webseite Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch beantwortet viele Fragen und hat weitere Kontakte für Hilfesuchende.

Quelle: Zeit.de, RND.de

Andrea Zschocher

Mein Fazit

Kindesmissbrauch und Kinderpornographie sind Themen, die die allermeisten Eltern wohl gern weit weg von sich halten. Weil sie überwältigend sind und Angst machen. Aber Angst ist ein schlechter Ratgeber. Wir müssen mit unseren Kindern immer wieder altersgerecht über solche Gefahren sprechen. Wir müssen wachsam sein, wenn sich ihr Verhalten plötzlich ändert. Wichtig ist es, Kindern früh klar zu machen, dass sie ihre eigenen körperlichen Grenzen haben und diese zu jeder Zeit wahren dürfen.

Dass der Staat erst jetzt über höhere Haftstrafen überhaupt nachdenkt ist ein Unding. Das hätte schon vor Jahren geschehen müssen. Ich hoffe sehr, dass es keinen neuen runden Tisch gibt, in dem erst erörtert wird, was das Problem ist, sondern stattdessen jetzt wirklich etwas passiert. Und die Ausstattung der Polizei, um Täter*innen überhaupt zu fassen, die muss dringend verbessert werden.

Andrea Zschocher