Im Film "Wochenendrebellen" spielt Cecilio Andresen sehr beeindruckend und überzeugend Jason. Der autistische Junge stellt seine Familie und seine Umwelt vor Herausforderungen und hat schließlich einen eher sonderbaren Wunsch. Die berührende Familiengeschichte bei der auch Fußball eine Rolle spielt, könnt ihr ab sofort im Heimkino sehen. Wir haben mit dem Schauspieler Cecilio Andresen und dem echten Jason, Jason von Juterczenka, über den Film, Autismus und Familienregeln gesprochen.
Cecilio, Jason, wie gefällt euch der Film?
Jason von Juterczenka: Sehr gut, das ist mein neuer Lieblingsfilm.
Cecilio Andresen: Ja, ich finde ihn auch cool.
Was wollt ihr, dass die Leute mitnehmen, wenn sie diesen Film angucken?
Cecilio: Die Nudelszene ist meine Lieblingsszene und die sollte man sich einfach angucken.
Wenn wir mal bei der Nudelszene bleiben, die ich auch richtig toll fand, dann habe ich überlegt: Ihr zwei, du, Jason und dein Vater, ihr klärt diesen Moment irgendwie gemeinsam für euch. Aber es sind ja noch so viele Menschen außen rum. Das macht es doch manchmal schwieriger, weil alle anderen eine Meinung dazu haben?
Jason: Die meisten behalten ihre Meinung ja glücklicherweise für sich. Natürlich muss man sich in der Öffentlichkeit rücksichtsvoll verhalten, das ist ja gar keine Frage. Aber ich finde, bei Themen, die nur meinen Papa und mich angehen, ist mir die Meinung der anderen relativ egal, solange die nicht selbst davon betroffen sind.
Man darf sich natürlich nicht rücksichtslos verhalten und muss auf andere Menschen achten. Aber in der Situation ging es um uns beide und da kann ich sehr gut ausblenden, was andere Menschen denken.
Dreharbeiten zu "Wochenendrebellen"
Cecilio, wie hast du dich auf die Dreharbeiten vorbereitet?
Cecilio: Ich habe mir im Vorfeld gar nicht so viele Gedanken dazu gemacht. Der eigentliche Grund, warum ich in diesem Film mitspielen wollte, war, dass ich Jason treffen wollte. Das habe ich ja dann auch geschafft.
Ich hatte zwei Angebote und eines davon war "Wochenendrebellen". Ein autistischer Junge sucht nach einem Lieblingsverein und da dachte ich mir: Ja, das ist doch cool, den würde ich gern kennenlernen. Dann habe ich versucht, die Rolle zu bekommen.
Ich habe mich schon ein bisschen in ihm gesehen. Ich will nicht sagen, dass wir viel gemeinsam haben, ich bin niemand, der so Prioritäten setzen kann [wie Jason]. Aber ich liebe es, so zu sein, wie er.
Jason, wie fühlt es sich für dich an, einen Teil deines Lebens jetzt auf der Leinwand zu sehen?
Jason: Als ich Citos Castingvideo, tatsächlich das von der Nudelszene gesehen habe, war das eine absolute Wucht. Schauspielerisch war das eine unfassbar gute Leistung. Ich hatte große Sorge vorher, dass meine Rolle extrem schwierig zu besetzen sein wird. Man will mein Verhalten ja nichts ins Lächerliche ziehen. Und ich konnte mir nicht vorstellen, wie irgendein Mensch das hinkriegen soll, das so zu spielen. Dann habe ich Citos Video gesehen und war so "Woah". Das war richtig krass. In dem Moment waren meine Sorgen weg. Da wusste ich: Ich werde in dem Film schon mal perfekt getroffen. Da haben wir unfassbares Glück.
Regeln für Autist*innen
Jason hat sehr viele Regeln. Gibt es eine Regel, die deine Lieblingsregel ist?
Jason: Ja, wir haben bei uns die Familienvereinbarung. Die gibt es ja auch im Film zu sehen. Das ist praktisch unser familieninternes Regelwerk. Ganz oben steht da schon immer die Regel des freien Rechts auf Selbstbestimmung. Die Familienvereinbarung wurde 2014 beschlossen, da war ich neun Jahre alt. Seitdem ich neun bin, ist es so, dass bei uns zu Hause Dinge, die nur eine Person selbst betreffen, auch nur von dieser Person entschieden werden. Es ist beispielsweise nicht erlaubt, dass sich die Eltern in Dinge einmischen, die sie nicht direkt betreffen.
Diese Regel, dass man immer auf Augenhöhe miteinander steht, unabhängig vom Alter, dass alle Perspektiven auf einen Streit immer gleichberechtigt sind, das ist die absolut wichtigste Regel. Denn daraus ergibt sich alles andere.
Cecilio: Wer rülpst, muss den Tisch abräumen.
Im Film und im echten Leben machst du, Jason, dich stark für Umwelt- und Klimaschutz. Warum ist das eurer Meinung nach so wichtig?
Cecilio: Klimaschutz ist wichtig, damit wir weiterleben können.
Jason: Das Wort Klimaschutz müsste eigentlich Planetenschutz heißen. Wir reden ja hier nicht von einem neuen Klima, das wir bekommen, sondern wir reden von einem neuen Planeten, einer neuen Welt. Und ob die so für uns bewohnbar ist und ob unsere Zivilisation so fortbestehen kann wie aktuell, das wissen wir nicht. Das hängt vor allem davon ab, was wir tun. Und dann hängt es noch von sehr vielen Unsicherheiten ab. Und man möchte eigentlich nicht, dass das eigene Überleben dann an irgendwelchen Balken mit sehr großem Unsicherheitsbereich hängt. Das ist ein sehr unangenehmes Gefühl.
Es ist überhaupt so, das spielt ja auch in der Geschichte eine Rolle: Ich mag es nicht, wenn etwas endet. Deswegen suchen wir nach 11 Jahren noch immer nach einem Fußballverein. Ich mag einfach keine Enden. Wenn wir uns nicht wirklich zusammenreißen und etwas so Radikales ändern, wie es sich die meisten Menschen nicht mal vorstellen können, dann wird unsere Zivilisation so wie wir sie kennen, enden. Damit kann und will ich mich nicht abfinden.
Werden die "Wochenendrebellen" für immer nach ihrem Fußballverein suchen?
Jason, du hast es gerade schon gesagt, du magst es nicht, wenn Dinge enden. Geht es denn bei eurer Suche wirklich noch darum, einen Lieblingsverein zu finden?
Jason: Es geht nach wie vor darum, dass, wenn wir in die Stadien gehen, die Kriterien geprüft werden. Vielleicht finden wir eines Tages einen Verein? Aber ja, der Glaube daran, dass wir einen finden, schwindet mit jedem Besuch. Und es stört mich von Besuch zu Besuch weniger, weil ich sehr gut damit leben könnte, für immer weiterzusuchen und Papsi dann ins Stadion zu schieben, wenn er 90 ist.
Warum nennst du ihn eigentlich Papsi?
Jason: Ich nenne ihn schon Papsi seit ich denken kann. Ich glaube, ich hab das mit zwei oder drei Jahren etabliert. Weil Papsi sich ironischerweise darüber aufgeregt hat, dass ich ihn so nenne. Dadurch hat er das natürlich fest verankert und ich habe ihn nie wieder anders genannt. Alles andere fühlt sich komisch an.
Es heißt nicht: "Unter Autismus leiden"
Wie fühlt sich das Zusammenleben mit anderen Menschen für dich an?
Jason: Das kommt sehr stark auf die anderen Menschen an. Es gibt diese Phrase, die ich für falsch halte: "Unter Autismus leiden". Es ist oft im Umgang mit fremden Menschen, die nichts von meinem Autismus wissen so, dass ich unter denen leide, unter deren mangelnder Empathie.
Aber auf unseren Reisen als Wochenendrebellen haben wir auch richtig richtig coole Menschen kennengelernt, überall, wo wir im Stadion waren. In Frankreich beim Aufstiegskampf haben wir Tickets geschenkt bekommen, weil Papsi verpennt hat, welche zu besorgen. Mir haben Leute ihren Platz auf der Südtribüne überlassen. In Mainz habe ich eine Aufzugtour durch die Stadt bekommen, wo mir die besten Aufzüge gezeigt wurden, weil ich eine Obsession für Aufzüge habe.
Wir haben unfassbar viele gute Menschen kennengelernt und das lässt mich daran glauben, dass man den Menschen nur erklären muss, was Autismus ist und was es da zu beachten gibt. Dass zumindest die große Mehrheit der Menschen empathisch handeln kann.
Möchtest du für alle, die es nicht wissen, nochmal erklären, was Autismus ist?
Jason: Autismus ist eine Neurodiversität, sprich eine andere Verschaltung des Gehirns. Aus einer anderen Verschaltung des Gehirns resultiert eine andere Wahrnehmung. Diese ist nicht weniger richtig als die von sogenannten neurotypischen Menschen, es ist einfach eine andere, die gleichberechtigt existieren muss. Autismus ist nicht heilbar und eine Behinderung, weil eben viele Aspekte, die mit dieser Verschaltung einhergehen, im Alltag behindern können. Aber es ist mit einer anderen Perspektive verbunden, die Vorteile und Behilflichkeiten beinhaltet.
Autismus-Diagnose ist wichtig
Es kommt aber ja auch vor, dass Eltern von Autismus sprechen, ohne dass ihr Kind in diese Richtung wirklich untersucht wurde.
Jason: Natürlich benötigt es für die Feststellung Autismus eine medizinische Diagnose. Das ist ja keine Erfindung, es funktioniert letztlich wie bei jeder anderen Diagnose auch. Wenn diese da ist, dann besteht Anspruch darauf, die entsprechende Hilfe zu bekommen. Das ist ein Menschenrecht dieser Person. Zum Thema, das man sich selbst diagnostiziert, kann ich nicht viel sagen, dazu weiß ich nichts. Ich hatte das große Glück, dass ich meine Diagnose bereits im Alter von vier Jahren erhalten habe.
Ich weiß aber, dass sehr viele, vor allem Mädchen, ihre Diagnose nicht erhalten, weil auch dort ein gewisser Sexismus vorherrscht. Dass z. B. Spezialinteressen weniger gut erkannt werden, weil Mädchen weniger Raum zur Entfaltung bleibt, dass diese Diagnose oft nicht ausgesprochen wird.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, auch wenn ich es nicht will, wie schlimm es sein muss mit Autismus durch die Schulzeit zu gehen, aber ohne Diagnose und dann keinen Anspruch auf all die Hilfe zu haben, die ich hatte. Ich weiß nicht, wie ich die Schulzeit dann hätte bestehen soll. Ich bin mir definitiv sicher, dass ich nicht da stünde, wo ich heute stehe. Allen Menschen aller Geschlechter Zugang zu einer Diagnose zu bereiten, ist sowohl für die Menschen selbst, als auch für die Eltern superwichtig.
Vielen Dank für eure Zeit und dieses Gespräch.