Der Vorwurf, den akademischen Kopf zu sehr in den Wolken und zu wenig im realen Leben zu haben, ist alt und weitverbreitet, auch unter Politiker*innen. Doch was hat das ganze mit einem "Elfenbeinturm" zu tun? Und was genau soll das überhaupt sein? Wir erklären die Geschichte einer bildhaften Redewendung, die leider nicht so mystisch ist, wie sie klingt.
Bedeutung und moderne Verwendung
Der Begriff "Elfenbeinturm" steht symbolisch für eine weltfremde, realitätsferne Haltung. Er beschreibt Menschen, die sich in ihre eigene, meist akademische oder künstlerische Welt zurückziehen. Die Redewendung "im Elfenbeinturm leben" wird oft kritisch verwendet, um eine mangelnde Verbindung zur Alltagsrealität zu kennzeichnen. Sie findet besonders im Kontext von Wissenschaft, Kunst und Politik Verwendung. Der Begriff kann aber auch die bewusste Konzentration auf geistige Arbeit bezeichnen.
Biblische Ursprünge
Die Wurzeln des "Elfenbeinturms" reichen bis ins Alte Testament zurück. Im Hohelied Salomos wird der Hals der Geliebten mit einem "Turm aus Elfenbein" verglichen. Diese poetische Metapher stand ursprünglich für Reinheit und Erhabenheit. Im Mittelalter wurde der Elfenbeinturm zum Mariensymbol und verkörperte die "reine Jungfrau". Erst im 19. Jahrhundert erfuhr der Begriff einen Bedeutungswandel.
Der Weg in die Moderne
Der französische Literaturkritiker Charles-Augustin Sainte-Beuve prägte 1837 die heutige Bedeutung. Er verwendete "tour d'ivoire" als Kritik an Dichtern, die sich von der Gesellschaft abschotteten. Der Begriff wurde schnell in andere Sprachen übernommen. Besonders in der Studierendenbewegung der 1968er Jahre wurde der "Elfenbeinturm" zum Sinnbild für weltfremde Akademiker*innen. Heute wird die Redewendung oft verwendet, um die Kluft zwischen Theorie und Praxis zu beschreiben.