Jeder, der Kinder hat, weiß, wie gerne sie matschen und experimentieren. Und genau dann sind Kinder schon kreativ. Darüber hinaus können Eltern die Kreativität fördern, wobei das häufig gar nicht nötig ist, wenn wir Eltern die Kinder einfach machen lassen.
Was bedeutet Kreativität und wieso ist kreatives Arbeiten wichtig?
Wer kreativ arbeitet, schöpft etwas Neues. Gerade für Babys und Kleinkinder ist alles, was sie tun, neu. Es ist noch nicht so festgefahren in seinen Denkmustern, wie wir Erwachsene und hat auch deswegen keinen "Anspruch" an seine Arbeiten und darum geht es auch gar nicht. Das ist das, was uns Erwachsenen manchmal fehlt, um kreativ zu sein.
Kreativ werden bzw. sein, ist wichtig, denn es lehrt uns, um die Ecke zu denken. Eine wichtige Eigenschaft in vielen Lebenslagen. Kreative Kinder und Erwachsene können sich schnell auf eine neue Situation einstellen und finden leichter eine Lösung. Sie trauen sich neue Wege zu gehen und haben den Mut, zu improvisieren.
Und Kreativität zu fördern, bringt noch mehr: Menschen, die kreativ sind, haben häufig ein gutes Sozialverhalten. Hört sich nach einer Idealvorstellung an? So ist es sicher auch, aber es zeigt, wie wichtig Kreativität ist.
Warum müssen wir die Kreativität nicht fördern?
„Spurenschmieren“ nennen Pädagogen die typische Vorliebe vom Kleinkind, mit Flüssigkeiten oder weichen Materialen herumzuspielen - und sehen darin tatsächlich einen Ausdruck frühkindlichen Gestaltungswillens. Jedes Baby ist also von Geburt an kreativ. Sichtbar wird das spätestens mit den ersten Breierfahrungen: Die Kleinsten matschen herum, verteilen es auf verschiedene Oberflächen usw. Es zeigt wunderbar, wie neugierig Kinder sind und das sie die Welt über alle Sinne kennenlernen wollen.
„Babys und Kleinkinder müssen nicht erst lernen, kreativ zu sein, sie sind es ganz aus sich selbst heraus“, erklärt die Kleinkindpädagogin Brigitte Wilmes-Mielenhausen. „Kinder tun ja viele Dinge zum ersten Mal und müssen deshalb ständig experimentieren, ausprobieren und neue, originelle Lösungen finden - und genau das ist es ja, was kreatives Handeln ausmacht“, so die Fachautorin.
Und genau deshalb, ist es überhaupt nicht nötig, die Kinder hinsichtlich ihrer Kreativität zu fördern. Ganz im Gegenteil: Eltern sollten ihr Kleinkind in seiner Kreativität vor allen Dingen nicht behindern.
Doch genau das ist schneller passiert, als gedacht – und zwar, weil wir Großen uns oft viel zu schnell in die Kreativität der Kleinkinder einmischen. Schließlich ist es gar nicht so leicht, einem Kleinkind beim spielerischen, oft scheinbar ziellosen Herumprobieren einfach zuzuschauen.
Die Verführung, dem Kleinkind in seiner Kreativität beim Basteln oder Malen zu „helfen“ oder ihm zu zeigen, wie man etwas „richtig“ malt, ist eben groß. Doch mit solchen Vorgaben nehmen wir dem Kleinkind die Lust daran, der eigenen Fantasie und Kreativität freien Lauf zu lassen.
Was fördert die Kreativität bei Kindern?
„Kleinkinder sind zunächst spontan und originell. Erst infolge äußerer Einflüsse versuchen sie zu gefallen, indem sie die Erwartungen Erwachsener zu erfüllen versuchen und vorgegebene Lösungen annehmen“, sagt Brigitte Wilmes-Mielenhausen und stellt klar: „Vorgegebene Bastelanleitungen, Schablonen und geführte Beschäftigungen sind für Kinder unter drei Jahren nicht geeignet.“
Dem Kleinkind dabei zu helfen, „schönere“ Dinge zu produzieren, ist unnötig: Denn gerade unter Dreijährige sind an den Ergebnissen ihrer Tätigkeit meist ohnehin wenig interessiert. „Kleinkinder leben ihre Kreativität um ihrer selbst willen aus. Schauen Sie ein Kind an, das etwas aus feuchtem Sand formt: Es ist selbstvergessen und ganz und gar bei der Sache.
Stattdessen sollten Eltern eher Zuschauer sein. Das Mitmischen bei der Kreativität und den Werken der Kleinkinder ist nicht förderlich. Produktiv sind offene, interessierte Fragen. "Wieso hast du dich hier für blau und nicht für grün entschieden?" Und natürlich sind auch ein paar grundlegende technische Tipps für die Kleinkinder erlaubt: Wie man etwa mit Klebstoff oder einer Kinderschere umgeht, sollten die Kleinkinder nicht selbst entdecken müssen, sondern unter kundiger Anleitung lernen.
Sind die Kinder etwas älter, spricht nichts dagegen, ab und zu auch etwas "sinnstiftendes" (zumindest in Augen der Eltern) nach Vorlage zu basteln, wie beispielsweise Fensterbilder. Hier gibt es ebenfalls Möglichkeiten, den Kindern freie Hand zu lassen. Auch wenn es uns Eltern schwer fällt, dass es dann nicht perfekt ist.
Damit Eltern kreativ mit ihren Kindern sein können, sollten die Rahmenbedingungen stimmen. Ein perfekt ausgestatteter Materialschrank voller Bastelutensilien für das Kleinkind ist dafür aber nicht nötig, betont Brigitte Wilmes-Mielenhausen. „Jeder, der schon einmal ein Kind beim Spielen beobachtet hat, weiß, dass es in der Lage ist, so ziemlich jeden Gegenstand in einen kreativen Prozess einzubeziehen - vorausgesetzt, es handelt sich nicht um technisches Spielzeug, das nur eine schmale Bandbreite von Anwendungsmöglichkeiten zulässt.“
Flexibel einsetzbare Materialen fördern die Kreativität
Für etwas ältere Kinder, die bereits aktiv basteln können, könnt ihr zusammen einen Fundus erstellen. Geeignet sind dafür Gegenstände und Materialien, die keine feste Verwertung vorgeben, wie zum Beispiel alle möglichen Arten von Verpackungen, Dosen, Schachteln und leere Küchenpapierrollen. Oder auch Stoffreste und große Knöpfe, Servietten und Bierdeckel.
Besonders viel Freude haben Kleinkinder an Dingen, die sie selbst in der Natur gesammelt haben. Also: Nichts wie raus in Wald! Hier gibt es Tannenzapfen und Stöckchen, getrocknetes Moos und Baumrinde zu finden. Und natürlich Kastanien oder Eicheln, die Kleinkinder wegen ihrer glatten, glänzenden Oberfläche meist besonders lieben.
Zu Hause werden die gesammelten Schätze in kleine Körbchen oder Schachteln einsortiert und so eine richtige Fundgrube für die Kreativität der Kleinkinder eingerichtet. Daraus perfekte Kunstwerke zu gestalten, wird einem Kleinkind natürlich noch nicht gelingen - und das ist auch nicht nötig: Schon durch das Berühren und Begreifen der unterschiedlichen Oberflächen beginnt beim Kind das kreativ sein.
Beim Hantieren mit den Naturmaterialien sorgt gerade ihre unregelmäßige Beschaffenheit für Lerneffekte: „Bauklötze sind gut und schön. Aber es ist für Kleinkinder eben auch interessant, mal einen Turm aus Stöckchen zu bauen, der irgendwann zusammenstürzt“, sagt Brigitte Wilmes-Mielenhausen. Ein weiterer Tipp der Kleinkindpädagogin: „Versuchen Sie, das Kinderzimmer möglichst mobil zu gestalten. Es gibt heute viele Regale oder Raumteiler mit Rollen, die es ermöglichen, ein Zimmer immer wieder anders zu nutzen.“
Ideal sind auch leichte Polsterteile oder große Kissen, die schon Kleinkinder selbst hin- und hertragen können. So enstehen Hüpfburgen für die Kleinkinder - oder auch eine Höhle. Auch zu viel Angebot, kann überfordern, es gilt also: "weniger ist mehr". Ideen, wie ihr die Kreativität fördern könnt, findet ihr beispielsweise in folgenden Büchern:
- Gisela Mühlenberg: Kritzeln, Schnipseln, Klecksen, (z. B. über Amazon für 20 €)
- Eva Reuys: Wir kleistern, kneten, klecksen (z. B. über Amazon für 13 €)
Kreatives gestalten mit Kindern baut Stress ab
Kleinkinder haben beim Kreativ werden noch einen "kreativen Flow", nach dem wir Erwachsenen oft vergebens suchen“, sagt Brigitte Wilmes-Mielenhausen. Über ein dickes Lob für ihre Erzeugnisse freuen sich künstlerische Kleinkinder. Eltern sollten allerdings darauf achten, dabei nicht das Maß zu verlieren: Übertriebene - und deshalb nicht nachvollziehbare - Anerkennung wirkt auf Kleinkinder schnell verunsichernd und manchmal sogar demotivierend.
„Beim Pinseln, Malen oder Kneten können Kinder sehr gut innere Spannungen abbauen. Sie erleben, dass das Material, mit dem sie arbeiten, sich nach ihrem Willen gestalten lässt - und können auf diese Weise Konflikte abbauen“, erklärt die Kleinkindpädagogin. Es lohnt sich also, schon Babys und Kleinkinder in ihrer Kreativität zu fördern - auch durch das Schaffen einer Umgebung, die Anregungen und Raum fürs fantasievolle Gestalten bietet.
Für Kinder unter drei Jahren eignen sich folgende Materialien:
Für Kinder ab drei Jahren darf es auch schon mal die Wassermalfarbe sein:
Weniger ist mehr
Wir lassen unseren Sohn viel selbst erkunden und versuchen ihn dabei nicht einzuschränken. Es ist faszinierend, an was sie Spaß haben und das sind häufig nicht die Spielsachen. Erkundet wird mit allen Sinnen, auch gerne mit dem Mund, was uns Eltern zwischenzeitlich in den Wahnsinn treibt.
Bildquelle: Gettyimages/Osobystist