Der Büchermarkt ist voller Ratgeber für Mütter und Eltern. Doch wohin wenden sich jene, bei denen der ersehnte Kinderwunsch nicht zum erhofften Nachwuchs führt? Heilpraktikerin Ilka Sterebogen hat ein Buch für jene Frauen geschrieben, die nur im Herzen Mütter sind und verrät hier einige Strategien, wie man nach einem erfolglosen Kinderwunschweg wieder glücklich werden kann.
Wie ist ein glückliches Leben ohne Kind möglich?
Viele Frauen, die sich sehnlichst ein Kind wünschen, versuchen mittels der modernen Reproduktionsmedizin alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Das ist ein körperlich und psychisch schwieriger Weg, der leider am Ende auch nicht immer zum Wunschkind führt. Die Empfindungen dieser Frauen beschreibt Heilpraktikerin und Kinderwunschexpertin Ilka Sterebogen als "emotionale Berg- und Talfahrt". Auch für eine Beziehung ist ein solcher Weg eine große Herausforderung und muss erst einmal bewältigt werden.
Mit einen solch starken Wunsch emotional abzuschließen, wenn alle medizinischen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, ist für viele Frauen nicht leicht. Ilka Sterebogen berät und begleitet in ihrer Praxis diese Frauen während und nach dem Kinderwunschweg und hat darüber ein Buch geschrieben. In "Herzensmütter: Glücklich werden trotz unerfülltem Kinderwunsch" gibt sie nicht nur Tipps, wie der Abschied vom Kinderwunsch gelingen kann und man als Paar wieder glücklich wird. Verschiedenste Frauen berichten darin auch von ihrer Kinderwunschgeschichte, erzählen, wie sie diese bewältigt haben und machen damit anderen "Herzensmüttern" Mut, das eigene Glück zu finden.
"Der Begriff Herzensmütter fasst in einem Wort die tiefe Anerkennung all jener Frauen zusammen, die sich aus tiefstem Herzen ein Kind gewünscht haben und deren Wunsch sich nicht erfüllt hat. Sie halten ihr Wunschkind nicht im Arm - aber die ganzen Gefühle, die damit verbunden sind, sehr wohl im Herzen."
Ilka Sterebogen: Herzensmütter
#1 Der "richtige Zeitpunkt" für den Abschied vom Kinderwunsch
Ilka Sterebogen weiß, dass es Frauen ohne greifbare Diagnose extrem schwerfällt loszulassen: "Wie soll man auch die starke Sehnsucht nach einem Baby auflösen, wenn es noch eine Rest-Chance auf eine Schwangerschaft gibt? Frauen, die eine endgültige Diagnose erhalten haben, erleben diesen Abschied ganz anders."
Sie empfiehlt, dass der Abschied besser gelingt, wenn man die Situation Schritt für Schritt akzeptiert und den Prozess des Abschieds vom Leben mit eigenem Kind bewusst durchläuft. Das sei schmerzhaft, aber auch erlösend. Man könne diesen Prozess für sich selbst durchlaufen oder sich dafür professionelle Hilfe holen.
Es ist tatsächlich für jede Frau eine ganz individuelle Reise und auch ein sehr intimes, persönliches Erleben. „Abschied“ vom Kinderwunsch ist eigentlich gar nicht der richtige Begriff, doch unter diesem kann sich jede Frau, die einen unerfüllten Kinderwunsch erlebt, etwas mehr oder weniger Konkretes vorstellen. Ein wichtiger und auch richtiger Zeitpunkt um über einen Abschied nachzudenken, ist sicherlich, wenn die eigenen Kräfte spürbar versiegen – körperlich wie emotional.
Ilka Sterebogen
#2 Wie kleine Rituale beim Abschied nehmen helfen
"Rituale spenden Trost, Sicherheit und helfen uns, eine Krisensituation zu meistern. Es geht auch hier um das große Thema Anerkennung: Vollziehe ich ein Ritual, erkenne ich meine Trauer an. Gedanken und Gefühle gelangen in das Bewusstsein und so ist es möglich, ihnen einen Platz im Leben einzuräumen. So kann ein Heilungsprozess angestoßen werden.
Welches Ritual man für sich selbst wählt, hängt in erster Linie natürlich von der eigenen Persönlichkeit ab. Man sollte sich wohl mit der Auswahl des Rituals fühlen, denn daraus kann man anschließend auch auf der emotionalen Ebene profitieren."
In ihrem Buch empfiehlt Ilka Sterebogen u.a. folgende symbolische Handlungen:
- Schreibt einen Brief an euer ungeborenes Kind und sagt ihm all das, was es euch bedeutet und was ihr ihm sagen wollt. Diesen Brief klebt ihr zu und legt ihn an einem besonderen Ort ab. Ihr könnt ihn vergraben, bei euch zu Hause in einer Schatulle aufbewahren oder an einem von euch geliebten Ort oder auch einen Fluss hinabschwimmen lassen.
- Zündet eine besondere Kerze an und denkt lange und intensiv über euer Herzenskind und all jene Gefühle nach, die ihr mit ihm verbindet. Ihr dürft euren Tränen freien Lauf lassen und sagt eurem Kind innerlich, dass es einem Platz in eurem Herzen haben wird. Mit dem Abbrennen der Kerze könnt ihr Loslassen.
#3 Wie man als Paar wieder glücklich wird
Ilka Sterebogen erwähnt, dass es ein Irrglaube sei, dass ein unerfüllter Kinderwunsch ein Paar entzweit. Es gäbe unter kinderlosen Paaren keine höhere Trennungsrate als unter Paaren allgemein. Laut ihrer Erfahrung schweiße eine solche Krise die Paare eher zusammen:
"Wichtig ist es, immer im Gespräch zu bleiben und auch zuzugeben, wenn einen die Situation überfordert. Viele Paare empfinden es ebenfalls als hilfreich, sich kleine Stationen zu setzen und nicht das große Ganze festzulegen. „Wie geht es uns aktuell? Was planen wir in diesem und nächsten Monat? Was wollen wir in Angriff nehmen, was passt nicht mehr zu uns?“
Von Herzen empfehle ich auch, das Leben in vollen Zügen zu leben. Alles was Freude und Spaß macht, darf und soll wieder Einzug im Leben des Paares halten. Viele Paare haben in der Kinderwunschzeit in vielerlei Hinsicht abstinent gelebt und haben sich vieles aus gesundheitlichen Aspekten hinsichtlich eventuellen Fruchtbarkeitseinbußen verkniffen."
Der Kinderwunschweg kann einer Achterbahn gleichen. Auf dem Weg erwartet einen einiges unbekannte. Wenn du diesen Weg aktuell noch gehst, findest du in unserem Video-Interview sehr hilfreiche Tipps und viel Verständnis von Katrin, die das ebenso durchhat und Patientinnen genau dazu bei Fertilly berät:
#4 Die sexuelle Lust nach einer Kinderwunschtherapie wiederfinden
Die Heilpraktikerin weiß: "Die Sexualität ist ein großes Thema – ob man das will oder nicht. Während der Kinderwunsch-Zeit hilft es, die besondere Zeit der Behandlungen und Zeitfenster einfach zu akzeptieren. Zu wissen, dass es fast jedem Paar so ergeht, hilft ebenfalls.
Im Abschied vom Kinderwunsch, oder wenn klar ist, dass Bemühungen wie IVF oder ICSI eingestellt werden, stellen viele Paare fest, dass die unbeschwerte Sexualität nicht einfach zurückkommt. Viele Paare warten dann ab in der Hoffnung, dass der Funken irgendwann von alleine wieder überspringen mag. Doch das ist oft nicht der Fall."
Eine gemeinsame, absichtslose Sexualität erneut zu beleben, ist Arbeit. Doch wenn beide Partner sich das wünschen, gibt es viele gute Tipps und Hinweise, wie das gelingen kann.
Ilka Sterebogen
Die Autorin stellt in ihrem Buch Tipps der Sexualtherapeutin Dr. Heike Melzer vor: Es kann z. B. helfen, einen Wunschzettel an den Partner zu schreiben, auf den man die eigenen Fantasien notiert. Dann tauscht man diese Zettel gegenseitig und nimmt sich eine Gelegenheit vor, diese umzusetzen. Ein erotisches Frage-Antwort-Spiel kann auch helfen, sich erstmal sexuell wieder näher zu kommen und zu erfahren, was der Partner oder die Partnerin sich wünscht.
#5 Wie man mit unsensiblen Bemerkungen des Umfelds umgeht
Alle Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch kennen die üblichen Fragen, die einem oft gestellt werden: "Hast du Kinder?" Und wenn man nicht reagiert oder dies verneint, wird oft weitergebohrt: "Warum denn nicht? Hat es nicht geklappt?" Diese Fragen können sehr schmerzhaft sein und in betroffenen Frauen jedes Mal wieder die Trauer auslösen. Um damit umzugehen, sollte man sich laut der Kinderwunschexpertin gewisse Strategien zulegen bzw. könne man auch trainieren darauf zu antworten und sich davon nicht runter ziehen zu lassen:
"In der Regel sind es immer wieder die gleichen Personen, die indiskrete Fragen stellen oder nachbohren, warum man keine Kinder hat. Auch gewisse gesellschaftliche Ereignisse sind oftmals Tretminen. Ich empfehle einer Frau die Situationen zu üben, die für sie kritisch sind. Das geht mit Frage/Antwort-Trainings, verschiedenen Verhaltensübungen oder auch mal einer Portion Schlagfertigkeit. Wenn man gut vorbereitet ist, können einen Seitenhiebe oder unbedachte Fragen nicht mehr so stark ins Herz treffen."
#6 Gesunde Trauer von einer Depression unterscheiden
"Ein intensiver Trauerprozess ist völlig normal und darf auch mal etwas länger andauern. Auch ein Verkriechen in den eigenen vier Wänden und ein punktueller Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben ist manchmal nicht zu vermeiden und auch nicht besorgniserregend."
Schwierig wird es, wenn es keine guten Tage mehr gibt und alles langsam in ein Grau-in-Grau verschwimmt. Wenn nichts mehr Freude bereitet und allein der Start in den Tag schon eine enorme, kaum zu bewältigende Kraftanstrengung bedeutet. In der Regel spürt der Partner, die Familie oder enge Freunde die Veränderungen eher als man selbst.
Ilka Sterebogen
In ihrem Buch beschreibt Ilka Sterebogen die üblichen Phasen der Trauer und verweist für den Unterschied zur Depression auf die Deutsche Stiftung Depressionshilfe. Dort kann man nachlesen, wie sich Trauer von Depression unterscheidet und in einem Selbsttest herausfinden, ob man sich eventuell professionelle Hilfe holen sollte.
#7 Was mache ich, wenn der Partner kein Kind (mehr) möchte?
"Das ist eine sehr schwierige Situation und eine einheitliche Lösung gibt es nicht. Fakt ist, dass jede Partei mit ihrer Überzeugung recht hat. Man darf sich intensiv ein Kind wünschen und man darf natürlich auch eine Fortpflanzung ablehnen. Dazwischen gibt es nicht viel und man muss gut auf sein Bauchgefühl hören und sehr überlegt Entscheidungen treffen.
Ohne Entscheidungen geht es nicht. In diesem Punkt ist es sehr ratsam, sich Hilfe zu holen und sich über seine eigenen Gefühle und Prioritäten im Klaren zu sein. Nur so können Entscheidungen dieser Tragweite ein Leben lang getragen werden."
Meine Meinung zum Buch
Ich durfte das Buch von Frau Sterebogen lesen und fand es sehr einfühlsam geschrieben. Es gibt auf dem Buchmarkt wirklich bisher sehr wenig ähnliche Bücher. Was mir besonders gefallen hat, sind die Erzählungen der "Herzensmütter", die von ihren ganz unterschiedlichen Lebensverläufen und ihrem Umgehen mit dem unerfüllten Kinderwunsch berichten. Daran sieht man, wie verschieden man mit der Trauer und diesem Thema umgehen kann und es erscheint dann oftmals viel leichter lösbar als man denken könnte.
Zum Glück hat mir meine recht kurze Kinderwunschbehandlung meine Tochter geschenkt. Doch hätte es dank künstlicher Befruchtung nicht gleich geklappt, weiß ich selbst auch nicht, wie ich im Weiteren reagiert hätte. Dann hätte mir ein Buch wie dieses sehr geholfen, da man sich darin verstanden fühlen kann. Frau Sterebogen, die selbst auch einen Kinderwunschweg hinter sich hat, gelingt es, bei dem Thema eine Leichtigkeit zu bewahren und dennoch die Gefühle der Frauen ernst zu nehmen, ohne zu dramatisieren. Hier findet sicherlich jede Frau die eine oder andere gute Strategie oder Ansatz für ihre Situation und fühlt sich am Ende viel weniger allein mit ihrem Schicksal.
Bildquelle: Ariston Verlag, Ute Laux Fotografie