Jährlich nimmt das Jugendamt in Deutschland 42.000 Kinder in Obhut. Die akute Situation in ihrer Herkunftsfamilie ist dann so dramatisch, dass die Fachkräfte für das Kind innerhalb weniger Stunden eine sichere Betreuung, eine sogenannte Bereitschaftspflege, finden müssen. Oft kommen diese Kids dann in Bereitschaftspflegefamilien unter.
- 1.Wann kommen Kinder in Bereitschaftspflege?
- 2.Bereitschaftspflegeeltern werden: Voraussetzungen
- 3.Bereitschaftspflegeeltern werden: Der Ablauf
- 4.Wie lange bleiben Kinder in Bereitschaftspflege?
- 5.Können Kinder auch dauerhaft in Bereitschaftspflege bleiben?
- 6.Bereitschaftspflege für Säuglinge
- 7.Bereitschaftspflege: Vergütung
- 8.Bereitschaftspflege als Beruf?
- 8.1.Bereitschaftspflege als Beruf in der Erziehungsstelle
Wann kommen Kinder in Bereitschaftspflege?
Die Bereitschaftspflege ist dazu da, sofort einzuspringen, wenn für ein Kind dringend und schnell Betreuung gesucht wird. Dies kann aus verschiedenen Gründen geschehen: Wenn in der Herkunftsfamilie eine akute Gefährdung für das Kind vorliegt. Oder wenn die Eltern einen schweren Unfall hatten und sich vorübergehend jemand um die Kinder kümmern muss. Vor allem Kinder unter 10 Jahren werden oftmals in Bereitschaftspflegefamilien untergebracht, da sie sich hier geborgener und behüteter fühlen können als zum Beispiel in einem Kinderschutzhaus oder Heim.
Bereitschaftspflegeeltern werden: Voraussetzungen
Ihr könnt euch vorstellen, hilfebedürftige Kinder kurzfristig bei euch aufzunehmen? Super, denn Bereitschaftspflegefamilien werden in ganz Deutschland händeringend gesucht.
Dies sind die Voraussetzungen:
- Familienform egal: Bereitschaftspflegefamilie könnt ihr völlig unabhängig von eurer Familienform werden. Also sowohl wenn noch andere Kinder (leibliche oder Pflegekinder) bei euch leben, als auch, wenn ihr ein kinderloses Paar oder alleinstehend seid. Auch Regenbogen- oder Patchworkfamilien können sich natürlich zur Bereitschaftspflege melden.
- Mindestens 30, höchstens 60 Jahre alt: Dies sind ungefähr die Altersgrenzen, die das Jugendamt für Bereitschaftspflegeeltern bei Beginn der Pflegetätigkeit ansetzt.
- Erweitertes polizeiliches Führungszeugnis: Um Kinder in Bereitschaftspflege zu nehmen, müssen alle Familienmitglieder nachweisen, dass sie keine einschlägigen Vorstrafen haben.
- Gesundheitszeugnis: Ein Gesundheitszeugnis aller Familienmitglieder ist Voraussetzung.
- Drogentest: Um Verantwortung für Pflegekinder zu übernehmen, müsst ihr clean sein und dies je nach Wohnort auch nachweisen können.
- Schnell verfügbar: Da ihr für die Bereitschaftspflege sehr spontan sein müsst, ist es wichtig, dass ihr zeitlich verfügbar seid. Deswegen sollte die Hauptbezugsperson nicht oder nur eingeschränkt berufstätig sein.
- Erfahren und belastbar: Wenn Kinder in Bereitschaftspflege untergebracht werden, ist das eine emotionale Ausnahmesituation für das Kind. Es braucht viel Verständnis, Offenheit, Wärme und Geborgenheit, um mit dieser Situation klarzukommen. Deswegen solltet ihr als Bereitschaftspflegeeltern Erfahrung im Umgang mit Kindern haben, sehr belastbar und flexibel sein.
- Platz haben: Das Kind kommt von jetzt auf gleich zu euch, oft sind nur wenige Stunden Zeit für die Vorbereitung. Ihr solltet also ein Zimmer frei haben, in dem das Kind schnell unterkommen und sich wohlfühlen kann.
- Stabile finanzielle Situation: Wenn das Kind zu euch kommt, solltet ihr dazu in der Lage sein, notwendige Ausgaben erstmal vorzustrecken. Da die Hauptbezugsperson kaum arbeiten gehen kann, muss meist der Partner oder die Partnerin Vollzeit arbeiten, damit genug Geld zur Verfügung steht.
- Kommunikativ und kooperativ: Wenn ihr ein Kind in Bereitschaftspflege betreut, ist es wichtig, dass ihr mit dem Jugendamt und ggf. auch den leiblichen Eltern einen engen Austausch pflegt.
- Eigene Kinder sollten älter als 2 Jahre sein: Dies ist eine Empfehlung, um zu vermeiden, dass Konkurrenz zwischen leiblichen Kindern und Bereitschaftspflegekindern entsteht.
Bereitschaftspflegeeltern werden: Der Ablauf
Bereitschaftspflege kann eine sehr erfüllende, gleichzeitig aber eine sehr herausfordernde Aufgabe sein. Bereitschaftspflegeeltern nehmen immer wieder neue Kinder bei sich auf und müssen sich nach kurzer Zeit wieder von ihnen trennen. Deswegen werdet ihr durch den Pflegekinderdienst gut darauf vorbereitet und durch Seminare qualifiziert. Dann reicht ihr die erforderlichen Unterlagen beim Jugendamt ein. Die Fachkräfte kommen in Hausbesuchen bei euch vorbei und führen intensive Gespräche, um euch gut kennenzulernen und einzuschätzen. Schließlich entscheidet das Jugendamt, ob ihr für die Bereitschaftspflege in Frage kommt. Das Amt bzw. der Pflegekinderdienst unterstützt euch während der gesamten Zeit, in der ihr ein Kind in Bereitschaftspflege habt.
Wie lange bleiben Kinder in Bereitschaftspflege?
Die Unterbringung in der Bereitschaftspflege erfolgt in der Regel nur so lange, bis die leiblichen Eltern die Erziehung wieder selber übernehmen können. Weitere Möglichkeiten sind eine anderweitige Unterbringung, z. B. in der Verwandtschaft oder im Heim, oder die Betreuung durch eine dauerhafte Pflegefamilie. Bis das geklärt ist, können einige Wochen oder auch ein paar Monate vergehen, in denen das Kind in Bereitschaftspflege bleibt.
Können Kinder auch dauerhaft in Bereitschaftspflege bleiben?
Bei der Bereitschaftspflege ist es nicht vorgesehen, dass das Kind dauerhaft dort bleibt. Um eine zu starke emotionale Bindung zu vermeiden, sind Kinder deswegen eigentlich nicht länger als ein halbes Jahr in der Bereitschaftspflegefamilie. Bereitschaftspflegeeltern können aber einen sogenannten Verbleibensantrag stellen, wenn sie sich wünschen, dass das Pflegekind dauerhaft bei ihnen bleibt. Darüber muss dann ein Familiengericht entscheiden.
Bereitschaftspflege für Säuglinge
Auch Neugeborene können schon in Bereitschaftspflege untergebracht werden. Gerade für die kleinsten Kinder gilt die Unterbringung in einer Bereitschaftspflegefamilie als beste Möglichkeit, wenn eine schlimme Krisensituation in der Herkunftsfamilie auftritt. Hier können sie Geborgenheit, familiäre Sicherheit und feste Bezugspersonen erleben, während im Heim die Zuständigkeiten durch den Schichtbetrieb immer wieder wechseln.
Bereitschaftspflege: Vergütung
Für die Zeit, in der ihr ein Kind in Bereitschaftspflege betreut, erhaltet ihr Pflegegeld. Es wird nach Tagessatz berechnet und setzt sich aus den Unterhaltskosten plus einem Erziehungskostenanteil zusammen. Das Pflegegeld muss nicht versteuert werden. Hinzu kommen Pauschalen für zusätzliche Ausgaben wie Urlaubsreisen oder spezielle Anschaffung (z. B. Kinderbett, Autositz etc.) sowie finanzielle Unterstützung bei Versicherungen. Die genaue Höhe des Pflegegeldes ist deutschlandweit nicht einheitlich. Ihr könnt aber mit ungefähr 1.000 € pro Monat rechnen. Geld sollte aber niemals ein Antrieb für eine Bereitschaftspflege sein.
Bereitschaftspflege als Beruf?
Wie gesagt, für Bereitschaftspflegefamilien ist es wichtig, dass die Hauptbezugsperson eigentlich immer verfügbar ist. Dies macht es sehr schwierig, einem "normalen" Job nachzugehen. Die Bereitschaftspflege als Beruf anzusehen, ist allerdings auch problematisch, dürft ihr doch finanziell nicht vom Pflegegeld abhängig sein. Denn wenn kein Kind bei euch lebt, gibt es auch kein Geld. Leider erhaltet ihr als Bereitschaftpflegemama oder -papa auch keine Rentenpunkte, lediglich mancherorts einen Rentenzuschuss. Die Tätigkeit gilt nicht offiziell als Beruf, sondern als Ehrenamt.
Bereitschaftspflege als Beruf in der Erziehungsstelle
Eine Möglichkeit, Bereitschaftspflege dennoch als Beruf auszuüben ist, sich pädagogisch ausbilden zu lassen und in einer sogenannten Erziehungsstelle tätig zu werden. Diese eignet sich für Kinder oder Jugendliche, die aufgrund besonderer psychischer oder sozialer Anforderungen eine sehr enge Betreuung durch eine pädagogisch ausgebildete Bezugsperson benötigen. Trotz dieses professionellen Anspruchs findet die Erziehung in einem familienähnlichen Rahmen statt. Dabei betreut eine Fachkraft maximal zwei Kinder in einer privaten Wohnung. Erziehungsstellen stellen oft einen Übergang dar. Entweder bis die Kids wieder zurück zu den leiblichen Eltern können oder aber in eine Wohngruppe umziehen. Sie erhalten für ihre Tätigkeit mehr finanzielle Unterstützung als "normale" Pflegeeltern.
Für die Bereitschaftspflege spielt die Familienform keine Rolle, so können auch gleichgeschlechtliche Paare Bereitschaftspflegeeltern werden. Über seine Erfahrungen bei der Adoption spricht ein Regenbogenpapa in unserem Video:
Quelle: Verbund Sozialtherapeutischer Einrichtungen NRW e.V.
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