Im Jahr 2021 lebten 87.300 Kinder in Deutschland in Pflegefamilien. Wenn Eltern nicht mehr dazu in der Lage sind, sich ausreichend um ihre Kinder zu kümmern, steht womöglich die Frage im Raum, ob man die Kleinen nicht lieber in eine Pflegefamilie geben sollte. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Welche Gesetze, Regelungen und Rechte es rund um das Thema "Pflegefamilie" gibt und was ihr noch dazu wissen solltet.
- 1.Was ist eine Pflegefamilie?
- 2.Wie funktioniert eine Pflegefamilie?
- 3.Wichtige aktuelle Gesetze für Pflegefamilien
- 3.1.Wegfall der Kostenheranziehung
- 3.2.Elterngeld für Pflegeeltern?
- 3.3.Neues Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KSJG)
- 4.Wann kommt ein Kind in eine Pflegefamilie?
- 5.Ein Pflegekind bei sich aufnehmen
- 6.Das Kind freiwillig in eine Pflegefamilie geben
- 6.1.So läuft es ab, wenn ihr euer Kind in eine Pflegefamilie gebt
- 6.2.Das Kind aus der Pflegefamilie holen
- 6.3.Haben die leiblichen Eltern noch Umgangsrecht, wenn das Kind in einer Pflegefamilie lebt?
- 6.4.Besuchsrecht in der Pflegefamilie
- 7.Pflegefamilie, Heim, Wohngruppe oder Erziehungsstelle
- 8.Pflegefamilie für Kinder erklären
Was ist eine Pflegefamilie?
Manchmal gibt es im Leben Situationen, in denen Eltern die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder nicht schaffen. Sei es durch Krankheit, Sucht, psychische Probleme, den Verlust eines Elternteils oder schwierige äußere Umstände. Dann können diese Eltern sich ans Jugendamt wenden und Hilfe zur Erziehung beantragen. Reicht diese Unterstützung nicht und geht es den Kindern in der Familie nicht gut, kann das Jugendamt prüfen, ob es das Beste für die Kids wäre, sie vorübergehend oder dauerhaft aus der Familie der leiblichen Eltern zu nehmen und in einer Pflegefamilie unterzubringen.
Darunter versteht man Familien, die ein nicht leibliches Kind für eine gewisse Weile oder dauerhaft bei sich leben lassen. Sie sorgen für das Kind, betreuen und erziehen es. Auch für Alleinerziehende ist es möglich, Pflegekinder bei sich aufzunehmen. Ebenso für gleichgeschlechtliche Eltern, unverheiratete oder verheiratete Paare oder Patchwork-Familien.
Wenn die Situation in der Herkunftsfamilie des Pflegekindes sich wieder gebessert hat und die Erziehung dort wieder übernommen werden kann, ist es möglich, dass das Kind zu den leiblichen Eltern zurückkehrt.
Wie funktioniert eine Pflegefamilie?
Die Pflegefamilie schließt mit dem Jugendamt einen Pflegevertrag. Im Allgemeinen müssen die leiblichen Eltern der Unterbringung ihres Kindes in einer Pflegefamilie zustimmen – es sei denn, es liegt eine Gefährdung des Kindeswohls vor. Das Jugendamt hat die gesetzliche Verpflichtung, die ganze Zeit über das Wohl des Kindes zu wachen.
Wie genau das Pflegeverhältnis aussieht, vereinbaren die leiblichen Eltern, die Pflegeeltern und das Jugendamt in einem Hilfeplan. Je nach Alter des Pflegekinds ist es ebenfalls bei der Erstellung des Hilfeplans dabei. Mindestens einmal jährlich findet ein Hilfeplangespräch mit allen Beteiligten statt. Sie besprechen dann Einzelheiten wie Besuchskontakte, aber auch die Entwicklung und Zukunft des Pflegekinds gemeinsam.
Im Unterschied zur Adoption bleibt das Sorgerecht für das Pflegekind bei den leiblichen Eltern bzw. beim Jugendamt oder einem Vormund. Bei einem längerfristigen Aufenthalt in der Pflegefamilie erhalten die Pflegeeltern aber in der Regel eine Entscheidungsbefugnis.
Über wichtige Dinge wie Krankheiten oder Unfälle des Kindes, Trennungen oder Wohnungswechsel müssen die Pflegeeltern das Jugendamt informieren. Die Pflegefamilie wird so zu einer Art "Ersatzfamilie" für das Pflegekind.
Wichtige aktuelle Gesetze für Pflegefamilien
Das Jahr 2023 brachte gute Neuerungen für Pflegkinder:
Wegfall der Kostenheranziehung
Bisher mussten Pflegekinder sich durch die sog. "Kostenheranziehung" an den Kosten für ihre Unterbringung in Pflegefamilien beteiligen. Zuletzt hatten sie so bis zu 25 Prozent ihres Einkommens an das Jugendamt abzugeben. Seit dem 1. Januar 2023 fällt diese Kostenheranziehung nun weg und die jungen Menschen dürfen ihr Geld behalten.
Übrigens: Die leiblichen Eltern müssen sich an den Kosten, die durch die Unterbringung ihres Kindes in der Pflegefamilie entstehen, entsprechend ihrer finanziellen Möglichkeiten beteiligen.
Elterngeld für Pflegeeltern?
Pflegeeltern haben für ihr Pflegekind einen Anspruch auf Elternzeit bis zu drei Jahre. Wie bei leiblichen Kindern können sie diese bis zum 8. Geburtstag des Kindes nehmen. Elterngeld gibt es allerdings keines, stattdessen erhalten Pflegefamilien Pflegegeld. Dessen Höhe hängt von der Kommune, dem Alter des Kindes und seinem Förderbedarf ab. Im Koalitionsvertrag von 2021 ist allerdings eine Einführung des Elterngelds für Pflegeeltern vorgesehen.
Neues Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KSJG)
Seit 2021 gibt es das neue KSJG. Pflegefamilien sind folgendermaßen davon betroffen:
- Individuelles Schutzkonzept: Von Seiten des Jugendamts muss gemeinsam mit der Pflegefamilie ein individuelles Schutzkonzept für das Pflegekind ausgearbeitet werden. Schon bevor das Kind in die Familie kommt, wird dieses Konzept aufgestellt und während der gesamten Aufenthaltsdauer in der Pflegefamilie immer wieder überprüft. Ziel ist es, das Kind vor Gewalt und Gefährdung des Kindeswohls zu schützen.
- Stärkere Rechte für Pflegekinder: Das Jugendamt muss das Kind darüber informieren, dass es sich während seiner gesamten Aufenthaltsdauer in der Pflegefamilie jederzeit in persönlichen Angelegenheiten beschweren darf.
- Bindung zu den Geschwistern: Durch das neue KSJG wird eine stärkere Bindung zu den leiblichen Geschwistern erwünscht, wenn diese dem Wohl des Kindes dient.
- Jugendamt muss Zusammenwirken von Eltern und Pflegeeltern unterstützen: Dadurch soll vermieden werden, dass die Kinder sich in irgendeiner Situation auf die eine oder andere Seite schlagen müssen.
- Unterstützung der Pflegeeltern: Das Jugendamt hat die gesetzliche Aufgabe, die Pflegeeltern in ihrer Beziehung zum Pflegekind zu beraten und zu stärken. Vor der Aufnahme und während des gesamten Pflegeverhältnisses.
- Unterstützung der leiblichen Eltern: Auch die leiblichen Eltern des Pflegekinds, egal ob mit oder ohne Sorgerecht, haben das Recht auf Unterstützung. Das Jugendamt soll sie darin bestärken, die Beziehung zu ihrem Kind zu halten und zu festigen. Das Recht auf diese Unterstützung gilt immer, auch wenn das Kind voraussichtlich nicht mehr in seine Herkunftsfamilie zurückkehren wird. Das Wohl des Kindes steht dabei stets im Mittelpunkt.
- Dauerverbleibensanordnung: Das Familiengericht kann jetzt anordnen, dass das Pflegekind dauerhaft in seiner Pflegefamilie bleibt, wenn dies für das Wohl des Kindes am besten ist. Dies kann der Fall sein, wenn die Herkunftsfamilie trotz umfassender Beratung und Unterstützung nicht im Stande ist, für das Kind zu sorgen und das absehbar auch so bleibt.
- Mehr Unterstützung für Careleaver: Junge Erwachsene, die ihre Pflegefamilie nach dem 18. Geburtstag verlassen (sog. Careleaver), werden nun verbindlicher durch das Jugendamt unterstützt. Wenn die Selbstständigkeit noch nicht klappt, dürfen die Pflegekinder auch wieder in ihre Pflegefamilie zurückkehren.
Wann kommt ein Kind in eine Pflegefamilie?
Das Jugendamt schöpft zunächst alle Möglichkeiten aus, um die Kinder bei ihren leiblichen Eltern lassen zu können. Stellt sich aber nach umfassender Unterstützung heraus, dass die Kinder in ihrer Familiensituation nicht versorgt werden können und ihr Wohl gefährdet ist, kann das Jugendamt den Eltern raten, die Kinder freiwillig in Pflegefamilien zu geben. Falls die leiblichen Eltern diesem Schritt nicht zustimmen, kann das Jugendamt ein Familiengericht einschalten, um das Kind zu schützen. Wenn der Jugendrichter oder die Jugendrichterin es veranlasst, werden die Kinder in Pflegefamilien untergebracht – auch gegen den Willen der leiblichen Eltern.
In diesen Fällen kann ein Kind gegen den Willen der leiblichen Eltern aus der Familie genommen werden:
- Alkohol- oder Drogensucht
- Vernachlässigung des Kindes
- häusliche Gewalt
- sexueller Missbrauch
Ein Pflegekind bei sich aufnehmen
Seid ihr am Überlegen, ob ihr zu einer Pflegefamilie werden und ein Kind zu euch holen möchtet? Hier erfahrt ihr alles Wichtige zum Thema:
Das Kind freiwillig in eine Pflegefamilie geben
Wenn ihr als Eltern an dem Punkt seid, an dem ihr nicht mehr weiterwisst und merkt, dass eure Kinder bei euch nicht mehr gut versorgt werden können, solltet ihr euch unbedingt ans Jugendamt wenden. Hier erhaltet ihr die passende Beratung und "familienstützende Maßnahmen", die ihr in dieser schwierigen Situation braucht, z. B. sozialpädagogische Familienhilfe.
Wichtig: Keiner wird euch plötzlich die Kinder wegnehmen! Bis die Kids in Pflegefamilien untergebracht werden (außer bei akuter Gefährdung), werden die Fachleute alles tun, um euch innerfamiliär zu unterstützen und die Probleme so zu lösen, dass ihr mit euren Kindern zusammenbleiben könnt.
So läuft es ab, wenn ihr euer Kind in eine Pflegefamilie gebt
Wenn ihr euch aber sicher seid, dass ihr eure Kinder freiwillig in eine Pflegefamilie geben müsst, um für alle Beteiligten ein besseres Leben zu ermöglichen, wird euch das Jugendamt bei diesem sicherlich unglaublich schmerzhaften Schritt zur Seite stehen. Und bitte: Schämt euch nicht dafür. Denn auch wenn es ein Tabuthema ist, die eigenen Kinder freiwillig abzugeben, ist es doch ein ganz mutiger Schritt, der Verantwortung für eure Kinder beweist.
Idealerweise schaut ihr euch mögliche Pflegefamilien gemeinsam mit den Kindern und dem Jugendamt an und sucht gemeinsam eine passende aus. Manchen Eltern ist es z. B. besonders wichtig, dass die Pflegefamilie einer gewissen Religion angehört. Auch wenn ihr eure Kinder freiwillig abgegeben habt, habt ihr auch das Recht, sie regelmäßig zu sehen und Teil ihres Lebens zu bleiben. Wenn möglich, ist es immer das Ziel, dass die Kinder irgendwann zu euch zurückkehren.
Während des gesamten Prozesses steht das Wohl der Kleinen im Vordergrund. Die Kids brauchen bei dem Schritt, von den leiblichen Eltern weggenommen zu werden, die größtmögliche emotionale Unterstützung, denn das Urvertrauen, das sie Mama und/oder Papa entgegengebracht haben, wird durch die Trennung zutiefst erschüttert. Die Kinder müssen deswegen unbedingt psychologisch begleitet werden.
Das Kind aus der Pflegefamilie holen
Wenn ihr als Eltern feststellt, dass sich eure Lebenssituation nun wieder insofern positiv geändert hat, dass ihr wieder selbst für eure Kinder sorgen könnt, kann der Prozess der Rückführung aus der Pflegefamilie beginnen – falls das Jugendamt die Situation ebenfalls positiv bewertet. Bitte denkt daran: Auch diese sollte ganz behutsam und langsam vonstattengehen, um die seelische Stabilität eurer Kinder so gut wie möglich zu schützen. Das Jugendamt wird auch diesen Schritt mit ambulanter Hilfe begleiten.
Haben die leiblichen Eltern noch Umgangsrecht, wenn das Kind in einer Pflegefamilie lebt?
Auch wenn die leiblichen Eltern kein Sorgerecht für das Pflegekind mehr haben, verfügen sie in der Regel weiterhin über Umgangsrecht. Das heißt, Eltern und Kinder dürfen sich zum Beispiel gegenseitig besuchen, telefonieren usw. Manchmal kümmern sich die leiblichen Eltern auch über einen begrenzten Zeitraum, z. B. regelmäßig am Wochenende, noch selber um ihr Kind. Auch wenn ein leiblicher Elternteil in Haft sitzt, hat er oder sie das Recht auf Umgang mit dem Kind.
Wenn zu anderen Bezugspersonen wie den Großeltern oder Stiefmutter/-vater ein enger Kontakt bestand, haben auch diese weiterhin Umgangsrecht mit dem Pflegekind. Allerdings nur, wenn dieser Umgang dem Kindeswohl dient. Die Pflegeeltern sollen es unterstützen, dass das Kind weiterhin Kontakt zur Herkunftsfamilie hat. Ausnahme: Wenn eine mögliche Gefährdung des Kindeswohls vorliegt, haben die leiblichen Eltern kein Recht, ihr Kind zu sehen.
Besuchsrecht in der Pflegefamilie
Wie die Besuchskontakte konkret aussehen, hängt immer vom Einzelfall und dem Wohl des Kindes ab. Die Ausgestaltung wird im Hilfeplan festgehalten. Dabei können die Besuche sowohl an einem neutralen Ort, z. B. in Räumlichkeiten des Jugendamts als auch bei der Pflegefamilie stattfinden. Es ist auch denkbar, dass die leiblichen Eltern das Kind abholen und zu einer vereinbarten Zeit wieder zurückbringen.
Pflegefamilie, Heim, Wohngruppe oder Erziehungsstelle
Vor allem für Babys und jüngere Kinder ist es unglaublich wichtig, die Geborgenheit und Nähe einer Familie wahrzunehmen, um ihnen die bestmöglichen Entwicklungschancen zu geben. Sie brauchen eine feste Bezugsperson. Ein längerfristiger Heimaufenthalt ist für sie deswegen weniger geeignet als eine Pflegefamilie, da sie diese "Nestwärme" dort wahrscheinlich nur bedingt erleben können. Laut Statistischem Bundesamt werden Kinder bis 10 Jahren öfter in Pflegefamilien, ältere Kids öfter im Heim untergebracht.
Für pubertierende Jugendliche oder junge Erwachsene eignen sich betreute Wohngruppen oft besser als Pflegefamilien. Hier leben sie mit Gleichaltrigen zusammen und Fachkräfte beraten sie sowohl therapeutisch als auch in sozialen Fragen, u. a. zu Ausbildung, Schulabschluss etc. Auch hier gibt es Hilfepläne mit den entsprechenden regelmäßigen Gesprächen. Unter den Wohngruppen finden sich auch Spezialeinrichtungen, z. B. für drogensüchtige Jugendliche, heilpädagogische Wohngruppen oder Mutter-/Vater-Kind-Einrichtungen. Ziel ist ebenfalls, das Kind entweder in die Herkunftsfamilie zurückzuführen, in eine Pflegefamilie zu vermitteln oder es zu begleiten, bis es volljährig und selbstständig ist.
Eine Erziehungsstelle eignet sich für Kinder oder Jugendliche, die aufgrund besonderer psychischer oder sozialer Anforderungen eine sehr enge Betreuung durch eine pädagogisch ausgebildete Bezugsperson benötigen. Trotz dieses professionellen Anspruchs findet die Erziehung in einem familienähnlichen Rahmen statt. Dabei betreut eine besonders qualifizierte Fachkraft maximal zwei Kinder in einer privaten Wohnung. Diese ist örtlich allerdings oft einem Heim angegliedert. Erziehungsstellen nehmen in der Regel nur Kinder bis 15 Jahre auf und stellen oft einen Übergang dar. Entweder bis die Kids wieder zurück zu den leiblichen Eltern können oder aber in eine Wohngruppe umziehen. Deswegen sind Erziehungsstellen keine "Ersatzfamilien" wie die Pflegefamilien, sondern haben einen beruflichen pädagogischen Auftrag. Erziehungsstellen erhalten für ihre Tätigkeit mehr finanzielle Unterstützung als "normale" Pflegeeltern. Sie gelten als "Mix" zwischen der institutionalisierten Heimerziehung und den exklusiven Beziehungen einer Pflegefamilie.
Pflegefamilie für Kinder erklären
Gerade für kleinere Kids ist es noch sehr schwer zu verstehen, warum sie jetzt in einer anderen Familie sind, wer die "richtigen" Eltern sind und wie es nun mit ihnen weitergeht. Um den Kindern das Prinzip der Pflegefamilie zu erklären, haben wir einige Buchtipps für euch:
Auch gleichgeschlechtliche Paare dürfen Pflegeeltern werden. Wie es beim Thema Adoption für Regenbogenfamilien aussieht, erfahrt ihr in unserem Video:
Bildquelle: Getty Images/Pornpimon Rodchua