Wenn wir Frauen wissen möchten, wie es um unsere Fruchtbarkeit steht, begegnet uns ein Begriff: das Anti-Müller Hormon oder auch AMH-Wert genannt. Dieser Wert gibt uns zusammen mit anderen Parametern Auskunft darüber, wie viele Eizellen unser Körper noch produziert und wie lange ein Kinderwunsch noch realisierbar ist.
Warum die eigene Fruchtbarkeit bestimmen?
Es kann viele Gründe geben, warum wir Frauen wissen möchten, ob und wie lange wir noch fruchtbar sind. Ein Grund ist natürlich unser Alter. Wir wissen, dass die biologische Fruchtbarkeit einer Frau abnimmt, daher werden die Eizellreserven ab dem 30. Lebensjahr deutlich weniger. Doch das ist nur ein Grund. Es gibt eine Vielzahl von Erkrankungen, die sich auf die Fruchtbarkeit auswirken.
Wenn ein Kinderwunsch da ist, sollte man sich damit beschäftigen, ob die Chance besteht, diesen noch zu realisieren. Je eher man alle Fakten über den eigenen Körper kennt, ist das die beste Voraussetzung alle Mittel und Wege für eine Kinderwunschtherapie, Social Freezing oder künstliche Befruchtung zu prüfen. Das A und O ist dabei der Eizellenvorrat: Aufschluss darüber gibt das Anti-Müller-Hormon, das dafür bestimmt werden muss.
Was hinter dem Anti-Müller-Hormon steckt
Das sogenannte "Anti-Müller-Hormon" (AMH) ist ein Hormonwert, der nach seinem Entdecker, dem Anatom Johannes Peter Müller benannt wurde. Er beschrieb als erstes dieses Hormon, das eine entscheidende Rolle bei der Embryonalentwicklung übernimmt.
Das AMH ist es übrigens im Körper beider Geschlechter zu finden: Zwischen der achten und elften Schwangerschaftswoche produzieren bei einem Jungen die Sertoli-Zellen des embryonalen Hodens dieses Hormons. Der weibliche Embryo hat es zu dem Zeitpunkt noch nicht, weil sich hier Gebärmutter, Eileiter und Vagina erst entwickeln.
Ab der Pubertät kommt das Anti-Müller-Hormon dann bei den Mädchen ins Spiel. In den Eierstöcken wird neben den Follikeln auch das AMH gebildet. Daher können Mediziner*innen durch die Messung des AMH-Spiegels sehen, wie viele Eizellen eine Frau noch hat. Dieser Wert ist im Rahmen einer künstlichen Befruchtung oder der generellen Frage, ob eine Frau noch schwanger werden kann, von Bedeutung.
So wird der AMH-Wert ermittelt
Um die Konzentration des Anti-Müller-Hormons zu ermitteln, ist eine Blutabnahme nötig. Der Bluttest ergibt dann einen bestimmten Wert, der Kinderwunschmediziner*innen genau sagt, ob noch genügend Eizellen vorhanden sind, um auf natürlichem Wege oder auch durch künstliche Befruchtung schwanger zu werden. Gesunde Eizellen sind die Voraussetzung für jede Schwangerschaft. Den Test kann jeder Fruchtbarkeitsmediziner bzw. jede Kinderwunschklinik mit euch durchführen. Er gehört allerdings zu den Selbstzahlerleistungen. Mittlerweile gibt es solche Fruchtbarkeitstests ab auch für daheim, mit denen ihr den AMH-Wert durch eine Art Bluttest ermitteln könnt.
Was das Anti-Müller-Hormon aussagt
Wenn die Werte des Bluttests dann da sind, wird eure Ärztin diese auswerten. Die Höhe des Werts gibt ihr Auskunft darüber, wie viele Eizellen noch produziert werden, ob die Fruchtbarkeit schon eingeschränkt ist und wie viele Jahre ihr ungefähr noch habt, um auf natürlichem Wege schwanger zu werden. Denn ab dem 30. Lebensjahr sinkt die Konzentration des AMH-Werts ab. Danach gilt die ovarielle Funktion langsam als eingeschränkt. Wenn bei euch eine Erkrankung wie das Polyzystische Ovarialsndrom vorliegt, kann auch im Alter von 20 Jahren die Fruchtbarkeit schon eingeschränkt sein.
Hier eine ungefähre Übersicht der Werte bei Frauen:
Fertilitätsphase | Anti-Müller-Hormon-Wert |
Normale Fertilität | 1 - 5 ng/ml |
Eingeschränkte Fertilität | 0,8 - 1,0 ng/ml |
Menopause | < 0,1 ng/ml |
Polyzystisches Ovarialsyndrom | 5,0 - 15,0 ng/ml |
Es gibt keine allgemeine Aussage darüber, wie lange eine Frau fruchtbar ist. Das ist sehr individuell. Tatsache ist aber, dass die Fruchtbarkeit ab dem 30. Lebensjahr abnimmt und man mit 40 nicht mehr die selben Chancen hat, schwanger zu werden. Dennoch kommt es vor, dass Frauen sehr schnell und auf natürlichen Weg auch mit weit nach 40 eine Schwangerschaft erleben. Das hängt vom ovariellen Vorrat und vielen Faktoren ab, ob ihr zum Beispiel in der Perimenopause oder vielleicht sogar Menopause seid. Es gibt Frauen, die schon vor dem 40. Lebensjahr kaum noch Eizellen haben und bei anderen sieht das noch gut aus in dem Alter. Natürlich schwanger werden mit 50 ist auch eher eine Seltenheit. Lasst euch auf jeden Fall nicht zu lang Zeit mit der Kinderplanung und nutzt alle modernen Möglichkeiten und Untersuchungen, eure Chancen rechtzeitig medizinisch abzuklären.
Warum das Anti-Müller-Hormon allein nicht ausreichend ist
Der Hormonwert sagt zwar etwas über eure Eizellreserven aus. Doch allein das reicht noch nicht aus, um wirklich gut beurteilen zu können, wie es um eure Fruchtbarkeit steht. Kinderwunschärzte würden je nach Vorgeschichte und eventuellen Erkrankungen auch noch einen Ultraschall machen und ggf. auch das follikelstimulierende Hormon FSH und den Östradiolwert bestimmen. Noch dazu hängt eine erfolgreiche Schwangerschaft auch von der Spermamenge und Qualität ab, die man in einem Spermiogramm bestimmen kann. Und ob sich eine befruchtete Eizelle dann auch einnistet und gut weiter entwickelt, darüber kann ein solcher Wert allein nichts aussagen. Eine Garantie für eine Schwangerschaft gibt es sowieso nie. Doch der Wert hilft euch erstmal überhaupt weiter, wenn es euch darum geht zu wissen, wie viele Eizellen ihr produziert. Denn die sind ja erstmal die Grundvoraussetzung für eine Schwangerschaft.
AMH-Wert bei Kinderwunschbehandlung
Im Prinzip könnt ihr jederzeit euren Anti-Müller-Hormon-Wert ermitteln lassen. Egal, ob ihr bereits in der Umsetzung eures Kinderwunsches seid oder generell einmal wissen möchtet, wie viele Eizellen ihr produziert. Nötig wird dieser Wert dann auf jeden Fall im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung vor allem bei Durchführung einer IVF- oder ICSI-Behandlung. Bei der künstlichen Befruchtung und auch beim Social Freezing wird geprüft, ob genügend Eizellen vorhanden sind. Mittels hormoneller Stimulation wird deren Produktion noch angeregt, um möglichst viele Eizellen entnehmen zu können.
Der Grad der Stimulation wird dabei immer wieder durch die Messung des AMH-Wertes kontrolliert, damit es nicht zu einer Überstimulation kommt. Werden die Eierstöcke zu stark angeregt, kann das – bei milder Ausprägung des Hyperstimulationssyndroms – zu Unwohlsein und Übelkeit sowie Symptomen wie Blähungsgefühl kommen. Im Extremfall wird es mit Bauchschmerzen, vergrößerten Eierstöcken und schlimmstenfalls Nierenversagen oder Venenthrombosen schon gefährlicher. Die Kontrolle des AMH-Wertes soll das jedoch verhindern.
Um die weibliche und männliche Fruchtbarkeit ranken sich einige Mythen. Ist an manchen etwas dran? Wir haben uns das genauer angesehen und Experten befragt:
Wenn es auf natürlichem Wege nicht klappt, hilft die Kinderwunschmedizin. Im Video findet ihr einen Überblick zu einigen Methoden:
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