Selbstliebe ist eine wichtige Eigenschaft, die schon im Kindesalter beginnt. Denn wenn wir mit uns selbst im Reinen sind (und Strategien kennen, um es zu bleiben), können wir tägliche körperliche, emotionale und soziale Herausforderungen besser meistern: Selbstliebe geht mit Resilienz und Selbstvertrauen Hand in Hand. Aber wie lernt man Selbstliebe, welche Rolle spielen wir als Eltern und wie können wir sie in unseren Kindern fördern?
Warum Selbstliebe wichtig ist
Kleinkinder können – seien wir ehrlich – ganz schön egozentrisch wirken: Ich will! Selber! Ich zuerst! Das ist MEINS! Brauchen wir also wirklich Tipps, wie sie mehr Selbstliebe lernen können? Im Ernst: Tatsächlich hat Selbstliebe nichts mit Egoismus zu tun. Vielmehr bedeutet der Begriff, dass wir uns mit allen unseren Stärken und Schwächen akzeptieren und unseren eigenen Wert kennen.
Wissenschaftler*innen zufolge, die sich in langjährigen Studien damit beschäftigen, schützt Selbstliebe unsere körperliche und mentale Gesundheit. Sie bewahrt uns vor großen Tiefen und dient uns auch in dunklen Phasen als innerer Kompass. Cool, aber wie können wir sie unseren Kids vermitteln?
Gar nicht so leicht, denn schon kleine Babys bekommen mit, wenn wir auf bestimmtes Verhalten negativ reagieren. Kleinen Kindern fällt es schwerer, starke Emotionen zu akzeptieren, wenn sie diese als "ungewünscht" wahrnehmen oder sehen, dass sie uns damit aus der Fassung bringen. Sie merken, dass etwas mit ihnen "nicht stimmt".
Gleichzeitig bekommen Kinder etwaige Vergleiche mit ihren Geschwistern oder auch innerhalb ihrer Kitagruppe oder Schulklasse mit. Sie beobachten, was an ihnen "anders" ist und wo ihre "Schwächen" liegen – und bekommen das von anderen Kindern oder unsensiblen Erwachsenen manchmal sehr deutlich gesagt.
Und auch Kommentare, die uns Eltern im Affekt herausrutschen, können ihr Selbstbild verfestigen, ohne dass wir das wollen.
Das Gute: Auch wenn es leichter ist, Selbstliebe von Anfang an zu fördern, ist es nie zu spät, unseren Kids zu zeigen, wie geliebt und wertvoll sie sind. Und unsere 5 Strategien geben euch ein gutes Fundament, das die obigen Situationen gut ausbalanciert. Aber erst mal:
Was ist Selbstliebe eigentlich?
Selbstliebe beschreibt, wenn wir uns selbst annehmen, wie wir sind. Wir akzeptieren unsere Stärken, Schwächen, Bedürfnisse und Wünsche und lernen sie zu lieben und uns von ihnen leiten zu lassen. So geht Selbstliebe Hand in Hand mit einem hohen Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen, Body Positivity und einem Mitgefühl, das wir uns selbst entgegenbringen. Und Resilienz. Um Selbstliebe in unseren Kids zu stärken, können wir also genau dort ansetzen. In ihrer in "The Journal of Child Psychology and Psychiatry" veröffentlichten Studie zum Thema schreiben Tom A. McAdams et al.:
Selbstwertschätzung oder Selbstliebe wurden definiert als das Level der Achtung, die man für sich selbst als Person hat. Eine hohe Selbstwertschätzung deutet an, dass eine Person ein positives Verständnis für sich selbst hat und dass sie glaubt, gut genug zu sein. Ein hoher Grad an Selbstwertschätzung wirkt sich positiv auf die Glückseligkeit, Zufriedenheit im Leben und Gesundheit aus.
5 Tipps, Selbstliebe in Kindern zu stärken
#1 Bindung stärken
Der Grundstein von Selbstliebe und einem hohen Selbstwert ist eine enge Eltern-Kind-Bindung. Wissenschaftler*innen zufolge steigt – neben einer Reihe anderer positiver Auswirkungen – die Selbstliebe von Kindern nachhaltig an, wenn ihre Eltern offen ihre Zuneigung zeigen und aussprechen und eine emotionale Nähe zwischen Kids und Eltern existiert.
Positive Beziehungen innerhalb der Familie können so bis ins Teenager-Alter (und oft sogar darüber hinaus) verhindern, dass Kinder unter einem negativen Selbstbild leiden. Soll heißen: Liebesbezeugungen wie Quality Time, Ehrlichkeit und Zuwendung helfen Kindern, sich selbst lieben zu lernen.
#2 Authentisch sein
Wie oft rufe ich meinen Kids "I love you!" (wir sind zweisprachig) hinterher, nur um es nochmal gesagt zu haben? Ja, ich bin eine Mama, die diesen Satz und Affirmationen vielleicht schon inflationär benutzt. Denn ich glaube, Kinder (und die Menschen, die wir lieben) können nicht oft genug hören, wie sehr sie unser Leben bereichern. Wichtiger, als die Worte, ist aber, wie wir ihnen diese Gefühle zeigen. Denn unsere Kinder merken sofort, wenn wir etwas nicht ernst meinen.
Soll heißen: Wenn wir es nicht ehrlich meinen, hat auch ein empowernder Satz keine Wirkung. Und wenn wir das gemalte Bild gar nicht wunderschön finden, brauchen wir es auch nicht zu loben.
Aber was wir vielleicht toll finden: Wie hart unser Kind daran gearbeitet hat, wie intensiv es sich mit den Farben auseinandergesetzt hat, wie es seine Sichtweise damit zum Ausdruck bringt ... Ein in einem ruhigen Moment ernst gemeintes "Ich finde wundervoll, wie du deinem Bruder beim Zähneputzen hilftst" wiegt oft viel mehr als ein überzogenes "Wow, toll gemacht!" Es sei denn, auch das ist von uns ernst gemeint.
#3 Fokus auf Mitgefühl und Body Positivity legen
Body Positivity fällt uns oft leicht, wenn es um andere geht. Auch für unsere Kids wünschen wir uns, dass sie ihren Körper schätzen und lieben lernen. Wir Erwachsene tragen jedoch oft (unbewusste) Zweifel und Kritik an unserem Körper und Wesen in uns, die wir aus unserer eigenen Kindheit, vergangenen Beziehungen, Krankheiten und schweren Erfahrungen mitnehmen. Gut ist es, wenn wir unseren Kindern trotzdem ein gutes Körpergefühl und eine Akzeptanz unserem eigenen Körper, Aussehen und Fähigkeiten vorleben können.
Wir können ihnen zeigen, wie wir uns auf unsere positiven Eigenschaften konzentrieren, wertschätzend und dankbar mit unserem Körper und Geist umgehen, statt unserem Spiegelbild abwertende Kommentare zuzuraunen, von denen wir denken, dass sie niemand hört. Es ist auch ok, wenn das etwas Übung benötigt. Aber Fakt ist: Ein negatives Selbstbild überträgt sich auch ungewollt auf unsere Kids. Und diese Abwertungen, auch wenn sie gar nicht an unsere Kids gerichtet sind, werden schnell zum Echo in ihrem Kopf.
#4 Identität bestätigen
Wir alle sind verschieden – und unsere Kids lernen Schritt für Schritt, was es heißt, sie selbst zu sein. Wir Eltern können helfen, indem wir ihnen zeigen, dass wir sie uneingeschränkt lieben, auch wenn sie Mist bauen, anderer Meinung sind oder wir sie nicht vertstehen.
Neue Hobbys, Interessen und Stärken können wir bekräftigen, indem wir unsere Kids (ehrlich) loben und ihnen helfen, diese weiter zu fördern und auszubauen. Und negative Kommentare, die sie von anderen hören oder über sich selbst sagen, können wir in positive umwandeln: "Du bist gut genug genau so, wie du bist!"
Wenn wir auf solche Dinge im Alltag achten, können wir helfen, die Identität unserer Kinder zu festigen. Und zu wissen, wer man ist, hilft dabei, sich sicher und wohl mit sich selbst zu fühlen.
#5 Fehler akzeptieren
Menschen, die sich selbst lieben, haben gelernt, sich nicht durch ihre Fehler zu definieren. Sie leben sich und anderen gegenüber Akzeptanz, vor allem aber auch Toleranz. Wir können unseren Kids zeigen, Fehler positiv und als Chance, sich weiterzuentwickeln, zu sehen.
Das klappt aber nur, wenn wir ihnen Respekt und Mitgefühl mit anderen vorleben und ihnen selbst entgegenbringen, wenn etwas nicht klappt. Klar haben wir alle mal einen schlechten Tag, aber wir können unseren Kindern zeigen, wie sie achtsam und liebevoll mit sich umgehen können, auch wenn die Dinge nicht so laufen wie geplant.
In ihrer umfassenden, 2023 erschienen Studie zum Thema Selbstliebe schreiben Malin Brueckmann, Ziwen Teuber, Jelena Hollmann & Elke Wild dazu:
Zusätzlich zu den Facetten von Achtsamkeit vs. Überidentifikation und menschlicher Verbindung vs. Isolation, sind ein achtsamer Umgang mit sich selbst und eine geringe Neigung zur Selbstverurteilung zentrale Aspekte des Selbstmitgefühls und beinhalten diese geduldige und wohlwollende, statt bestrafende und verurteilende Haltung zu sich selbst.
Zum Weiterlesen: Achtsamkeit und Respekt sind auch zentrale Themen in unseren Ratgebern zu Conscious Parenting und Gentle Parenting.
Die "Trotzphase" kann uns Familien vor ganz schöne Hürden stellen. Im Video haben wir Tipps, wie's etwas leichter geht. Zusätzlich findet ihr tolle Wege bei unseren Montessori-inspirierten Tipps bei Wutanfällen.
Quellen: McAdams TA, Rijsdijk FV, Narusyte J, Ganiban JM, Reiss D, Spotts E, Neiderhiser JM, Lichtenstein P, Eley TC. Associations between the parent-child relationship and adolescent self-worth: a genetically informed study of twin parents and their adolescent children. J Child Psychol Psychiatry. 2017 Jan;58(1):46-54., Brueckmann, M., Teuber, Z., Hollmann, J. et al. What if parental love is conditional …? Children’s self-esteem profiles and their relationship with parental conditional regard and self-kindness. BMC Psychol 11, 322 (2023)