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Eltern-Ratgeber

Asperger-Erziehungsfehler: Was wir als Eltern besser machen können

Ist Asperger ein Erziehungsfehler?
© Gettyimages/romrodinka

Die Erziehung eines Kindes mit Asperger-Syndrom bringt besondere Herausforderungen mit sich, sie läuft nicht einfach so nebenbei. Es gibt aber ein paar Erziehungsfehler, die wir im Alltag vermeiden können, um es uns nicht unnötig schwer zu machen. Erziehungshilfe zur Selbsthilfe sozusagen. Wie ihr euer besonderes Kind optimal unterstützen könnt – mit den richtigen Erziehungsstrategien.

Asperger-Erziehung: Was ist wichtig?

Was Kinder mit Asperger-Syndrom brauchen:

  • Struktur und zuverlässige Routinen im Tagesablauf
  • Viel Verständnis und Geduld
  • Klar formulierte Erwartungen und präzise Anweisungen
  • Das Gefühl, dass sie so akzeptiert und geliebt werden, wie sie sind
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Kinder mit Asperger-Syndrom haben besondere Bedürfnisse und Herausforderungen. Als Eltern wollen wir immer alles richtig machen – Spoiler Alert: Das geht gar nicht, denn wir alle machen Fehler, haben Grenzen und Belastbarkeit ist keine unendliche Ressource.

Wenn ihr allerdings diese Erziehungsfehler meidet, kann der Alltag mit Asperger-Kind einfacher werden, ich spreche da aus Erfahrung:

Erziehungsfehler bei Asperger

#1 Überforderung durch zu viele soziale Kontakte

Mein Kind braucht mehr Sozialkontakte, um das Miteinander zu „üben“? Nein, denn tatsächlich überfordert es mein Kind, wenn es nach der Schule auch noch mit Freund*innen verabredet ist oder sich im Sportverein behaupten muss. Gebt eurem Kind genügend Raum für Ruhe- und Regenerationsphasen im Alltag – und dann „tröpfchenweise“ kontrollierte soziale Interaktionen in kleinen Gruppen oder 1:1-Situationen. So kann es positive soziale Erfahrungen sammeln, ohne ständig überfordert zu sein.

#2 Ignorieren der nötigen Routinen

Routinen sind für Kinder im Autismus-Spektrum extrem wichtig. Dazu zählt z. B. auch sogenanntes Stimming-Verhalten nach aufregenden Situationen. Versucht nicht, ihr Stimming zu unterbrechen oder sie aus der Komfortzone zu ziehen. Falls doch mal Hektik aufkommt, gebt eurem Kind so viel Zeit wie möglich, sich an die Veränderung anzupassen.

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Was ist Stimming? Kinder im Autismus-Spektrum flattern z. B. mit ihren Händen, wackeln mit dem Kopf, summen, laufen hin und her oder machen andere Geräusche, um akut Stress abzubauen.

#3 Übersehen von nonverbalen Signalen

Kinder im Autismus-Spektrum haben manchmal Schwierigkeiten, nonverbale Signale zu deuten. Achtet darauf, eure Kommunikation klar und direkt zu gestalten, am besten mit einer klaren Ansprache beim Namen. Erklärt eure Erwartungen explizit, anstatt anzunehmen, dass euer Kind sie intuitiv versteht.

Andersherum sollten wir die nonverbalen Signale unseres Kindes nicht ignorieren. Meist geben sie uns rechtzeitig zu verstehen, dass eine Situation sie überfordert und wenn genug eben genug ist. Ihr selbst kennt euer Kind am besten, also nehmt Rücksicht, wann immer es für euch möglich ist.

#4 Vernachlässigung der Spezialinteressen

Die intensiven Interessen eures Kindes sind keine Marotte, sondern ein wichtiger Teil seiner Persönlichkeit. Nutzt sie als Motivator und Lernchance, statt sie zu unterdrücken. Findet kreative Wege, die Interessen in den Alltag und das Lernen einzubinden.

Asperger Autismus Spezialinteressen
Dinosaurier ausmalen, ausschneiden und aufkleben fördert Feinmotorik und Fantasie (© Redaktion)

#5 Zu hohe oder zu niedrige Erwartungen haben

Es ist leicht gesagt, aber gar nicht so easy umzusetzen: Versucht, die richtige Balance in eurer Erwartungshaltung zu finden. Das Credo lautet: Fordern, ohne zu überfordern. Setzt realistische Ziele: Es muss nicht das komplizierte Strategiespiel sein, sondern erstmal reicht eine Runde Memory. Oder nicht der störrische Hosenknopf, sondern ein Reißverschluss.

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#6 Mangelnde Struktur im Alltag

Kinder mit Asperger-Syndrom brauchen klare, am besten vorhersehbare Tagesstrukturen. Diese können dabei helfen, Frust und Streit im Alltag zu reduzieren.

Praxis-Tipp: Schafft einen Tagesplan mit visuellen Hilfsmitteln wie einem Whiteboard oder Bildkarten. Das gibt Sicherheit und reduziert Stress in Übergangssituationen. Hier geht’s zur Anleitung …

#7 Übersehen von Empfindlichkeiten

Viele Kinder im Autismus-Spektrum reagieren empfindlich auf bestimmte sensorische Reize, wie z. B. Stoffe oder Nähte an Kleidungsstücken. Beugt Überreaktionen vor, in dem ihr die Kleidung an die Empfindlichkeit eures Kindes anpasst. Auch wenn es manchmal nervig ist, Socken oder Unterhemden nur in diesem einen Shop bestellen zu können, tun wir unseren Kids damit einen notwendigen Gefallen.

Schafft generell eine reizarme Umgebung, wo es nötig ist, und gebt eurem Kind eine räumliche Möglichkeit, sich zurückzuziehen oder seine Reize (z. B. durch Stimming) zu regulieren.

#8 Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse

Als Mutter oder Vater eines Kindes mit besonderen Bedürfnissen ist es leicht, sich selbst zu vergessen. Was wir dabei nicht bedenken: Nur wenn es uns gut geht, können wir unser Kind langfristig unterstützen. Pflegt also auch eure eigenen Ressourcen und seid nicht zu streng mit euch selbst.

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So schaffst du es, dir im Alltag kleine Auszeiten zu nehmen:

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Gut zu wissen: Als Pflegeperson, also wenn euer Kind einen Pflegegrad hat, steht euch alle zwei Jahre eine Vater- oder Mutter-Kind-Kur zu (anstatt wie sonst alle vier Jahre).

#9 Fehlende Konsequenz

Immer nur liebevoll und achtsam sein – das schafft keiner. Klare Regeln und Konsequenzen sind genauso wichtig. Seid also liebevoll, aber eben auch konsequent in euren Erziehungsmethoden. Erklärt Regeln genau und haltet euch dann daran. Das gibt unseren Kindern Stabilität und Sicherheit.

#10 Vergleiche mit anderen Kindern

Jedes Kind entwickelt sich individuell. Wir wissen das eigentlich und vergleichen unsere Kinder dennoch mit Geschwistern oder Gleichaltrigen. Das kann insbesondere bei entwicklungsverzögerten Kindern zu Frust führen und ist wenig hilfreich. Konzentrieren wir uns stattdessen auf die Fortschritte unseres Kindes im Vergleich zu sich selbst, können wir stolz darauf sein, was sie (und wir) schon erreicht haben.

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#11 Keine Förderung der Selbstständigkeit

Es ist oft einfacher, alltägliche Dinge für unser Kind zu erledigen – ihm den Schulranzen aufsetzen, Schuhe binden, den Tisch abdecken, das Zimmer aufräumen… Das fördert allerdings nicht gerade die Selbstständigkeit unseres besonderen Kindes.

Besser ist es, Aufgaben in kleine Schritte einzuteilen. Tut das Kind sich schwer mit mehrschrittigen Aufgaben, hilft zwischendurch eine Erinnerung an die ursprüngliche Aufgabe. Ist sie geschafft, stärkt das positive Erleben das Selbstvertrauen und die Selbstständigkeit.

#12 Übersehen von Stärken

Jedes Kind hat so viele Stärken! Wir sollten weniger defizitorientiert denken und uns nur auf die Herausforderungen mit unserem Asperger-Kind fokussieren, sondern über seine besonderen Stärken und Talente staunen und mit anderen sprechen. So rücken seine Stärken in unserer Wahrnehmung in den Vordergrund und wir dürfen zu Recht stolz sein auf unser besonderes Kind!

#13 Zu wenig Bewegung

Körperliche Aktivität baut Stress ab und fördert die Konzentration. Auch wenn unser Kind lieber stundenlang tüftelt, Lego baut oder an Tablet oder Konsole daddelt – findet Bewegungsmöglichkeiten oder einen Sport, der eurem Kind Spaß macht. Es muss ja kein Fußballverein sein, wie wäre es mit Trampolinspringen, Schwimmen oder Rollerfahren?

Hier geht es zum Test: Welche Sportart passt zu meinem Kind?

Ihr habt keine Idee, wie ihr euer Kind auspowern könnt? Hier sind über 50 Bewegungsspiele für drinnen und draußen.

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#14 Vernachlässigung der Geschwister

Geschwisterkinder von Autist*innen laufen manchmal Gefahr, zu kurz kommen oder sich vernachlässigt zu fühlen. Vieles im Alltag dreht sich um den besonderen Bruder oder die besondere Schwester. Nehmt euch unbedingt Zeit für das Geschwisterkind, erklärt ihm altersgerecht die Situation. Aufmerksamkeit und Zuwendung sind das A und O, denn seine Bedürfnisse sind genauso wichtig!

Schöne Sache: Viele lokale Autismus-Vereine und Therapiezentren bieten auch Aktionen für Geschwisterkinder an, um ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie nicht alleine mit ihren Gedanken und Gefühlen sind. Hier findet ihr euren Regionalverband.

#15 Fehlendes Verständnis in der Familie

Klärt in eurer Familie über das Asperger-Syndrom auf, verteilt Fachbücher oder Flyer. So können Großeltern, Tanten und Freunde besser verstehen (und vielleicht sogar unterstützen) und ihr habt nicht ständig das Gefühl, etwas verheimlichen oder verharmlosen zu müssen. Das kann auf Dauer nämlich sehr belastend sein.

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#16 Zu wenig Lob und Ermutigung

Lobt euer Kind oft und aufrichtig für seine Bemühungen und Fortschritte. Positive Verstärkung motiviert so sehr wie nichts anderes. Achtet auf kleine Erfolge im Alltag und feiert diese.

#17 Vernachlässigung der Emotionen

Auch wenn euer Kind Gefühle vielleicht anders ausdrückt – sie sind da! Helft ihm, Emotionen zu erkennen, zu benennen und angemessen damit umzugehen. Das kann man gemeinsam üben, z. B. indem ihr gemeinsam Kinderbücher über Gefühle lest (hier geht es zu den schönsten) oder Bildkarten anschaut und besprecht.

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#18 Zu wenig Geduld

Ein Kind braucht Zeit für Entwicklungen. Auch wenn Geduld vielleicht nicht eure Stärke ist, seid nachsichtig und geduldig mit eurem Kind. Manchmal braucht es viele kleine Schritte für einen großen Sprung. Und bei der Gelegenheit: Seid auch geduldig mit euch selbst.

#19 Mangelnde Zusammenarbeit mit Fachleuten

Probleme oder Herausforderungen zu ignorieren, führt selten zu Lösung oder Fortschritt. Es gibt Menschen, die euch helfen können. Vernetzt euch mit dem Autismus-Verein in eurer Nähe, kooperiert mit Therapeuten, Lehrerinnen und Ärztinnen und arbeitet eng mit Integrations-Helferinnen und Schulbegleitung zusammen. Teilt eure Beobachtungen und Sorgen und setzt Empfehlungen auch konsequent um. Ein gutes Netzwerk kann euch und eurem Kind enorm helfen.

#20 Vergessen, worum es eigentlich geht

Bei all den Herausforderungen und Fördermaßnahmen ist der Alltag mit einem Asperger-Kind manchmal überwältigend und sehr stark durchgetaktet. Dabei kann man schonmal kurzzeitig das eigentliche Ziel vergessen: Dass unser Kind im Leben glücklich ist, Spaß hat und geliebt wird. Vergessen wir also nicht das Wichtigste: unsere bedingungslose Liebe.

Zeigt und sagt eurem Kind täglich, wie wertvoll und wunderbar es ist, und zwar genauso wie es ist!

Gesine Engels-Krone

Zum Begriff Asperger-Autismus

Der Begriff Asperger-Autismus stammt vom Österreicher Hans Asperger, der in den 1940er Jahren über Autismus geforscht hat. Heute wird er immer seltener verwendet, weil Medizinhistoriker*innen nachgewiesen haben, dass Hans Asperger die Nazis unterstützte.

Für Betroffene können diese alten Kategorien des Autismus-Spektrums nichtsdestotrotz hilfreich sein. Nur aus diesem Grund verwende ich den Begriff.

Gesine Engels-Krone

Ist Autismus ein Erziehungsfehler?

FAQ Autismus-Erziehungsfehler

Ist Autismus ein Erziehungsfehler?

Nein, definitiv nicht. Autismus zählt zu den neurobiologischen Entwicklungsstörungen und hat nichts mit einer falschen Erziehung zu tun. Eltern sollten sich von Schuldzuweisungen losmachen und stattdessen darauf fokussieren, ihrem Kind zu helfen, in einer für sie oft überwältigenden Welt klarzukommen.

Wovor haben Asperger-Autisten Angst?

Kinder mit Asperger-Syndrom haben oft Angst vor Unvorhersehbarem oder Neuem, Impulsivem, vor plötzlichen Veränderungen im Alltag, unerwarteten Geräuschen oder sozialen Situationen.

Woran erkennt man Asperger?

Zu den häufigsten Symptomen zählen Schwierigkeiten mit sozialen Interaktionen, motorische Auffälligkeiten, Spezialinteressen und das Festhalten an stark ritualisierten Verhaltensmustern.

Die Erziehung eines Kindes mit Asperger ist eine besondere Herausforderung, die viel Verständnis, Geduld und Wissen erfordert. Aber Autismus ist kein Erziehungsfehler! Wenn du liebevoll auf die Bedürfnisse deines Kindes eingehst, kannst du ihm helfen, sich in unserer lauten Welt zurechtzufinden.

Und falls du dich mal verstanden fühlen willst, kann ich dir diese fünf Serien wärmstens empfehlen:

Quiz: Welche Netflix-Serie soll ich als nächstes schauen?

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