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So funktioniert Reggio-Pädagogik

Reggio-Pädagogik
© Thinkstock, iStock

Die einzige Pflicht: selbst entscheiden. Kennen wir von Montessori, aber hier geht es tatsächlich um ein anderes Erziehungskonzept.  Was die italienische Erziehungsphilosophie der Reggio-Pädagogik noch zu bieten hat.

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Die Idee der Reggio-Pädagogik: Kinder als Forscher

Reggio ist kein festes Pädagogik-Modell, sondern eine Erziehungsphilosophie, die nach 1945 in den Krippen und Kindergärten der norditalienischen Stadt Reggio Emilia entstand. Inzwischen ist der Reggio-Ansatz weltweit verbreitet. Zentrales Prinzip ist, dass Kinder durch ihre Wissbegierde und Kreativität die eigene Entwicklung maßgeblich bestimmen und dabei von Erwachsenen begleitet – und nicht angeleitet – werden sollen. In Kunstateliers und Projekten ohne feste Vorgaben und Ziele haben die Kinder Zeit, ihre Fantasie zu entwickeln und zu forschen. Alle Aktivitäten im Reggio-Kindergarten werden durch Fotos oder auf Plakaten dokumentiert. So können die Kinder ihre Lernprozesse nachvollziehen und überdenken. Teil des Reggio-Ansatzes ist auch, den Kindergarten in der Kommune fest zu verankern.

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Die Philosophie der Reggio-Pädagogik

Kinder durch Experimente die Welt für sich entdecken zu lassen, ihnen keine fertigen Lösungen zu servieren, das ist Reggio-Pädagogik. Pflichtprogramme gibt es hier ebenso wenig wie eintönige Schablonen-Kunstwerke. Zur Reggio-Philosophie gehört es, jedes Kind seine eigene Ausdrucksform finden zu lassen und ihm die Materialien dafür bereitzustellen. Reggio-Kinder dürfen – und müssen – selbst entscheiden, was sie machen möchten. "Sicher gebe es mal Langeweile", sagt Eleonore Zenthoefer, Leiterin der 'casa fantasia', einem Kindergarten der Fröbel-Gruppe in Berlin-Mitte und einer der wenigen zertifizierten Reggio-Kindergärten in Deutschland. "Aber das ist selten. Kindern fällt eine Menge ein, wenn sie sich selbst darüber Gedanken machen, was sie wissen wollen." Oft wird ein Projekt daraus. Auch das ist Reggio-Pädagogik.

Reggio-Pädagogik liefert ungewöhnliche Ergebnisse

Thema wird, was die Kinder interessiert. Schnee, Indianer, afrikanische Musik oder Igel-Winterschlaf – unterstützt durch ihre Erzieher sind die 'casa fantasia'-Kinder diesen Themen nachgegangen. Was hier zählt sind nicht die Lehrbuchfakten, sondern die Gedanken und Beobachtungen der Kinder. Wie klingt das? Wie fühlt es sich an? Warum ist etwas so und nicht anders? Die Ergebnisse sind für Erwachsene oft ungewöhnlich philosophisch, aber meist sehr stimmig.

Oberste Regel der Reggio-Pädagogik: Entscheidungsfreiheit

"Entscheidungsfreiheit bedeute aber nicht, dass es keine Regeln gibt", stellt Zenthoefer klar. "Da wir eine Gemeinschaft sind, legen wir sie aber gemeinsam fest." In Gesprächskreisen wird Zuhören geübt und wie man sagt, was man möchte. "Selbst aufgestellte Regeln werden viel eher eingehalten", sagt sie. "Wir sagen den Kindern nicht, 'Schaut her, so müsst ihr es machen'. Wenn sie es selbst herausfinden, lernen sie mehr."

Einblick in den Reggio-Kindergarten

Die 69 Kinder und neun Erzieherinnen im Berliner Reggio-Kindergarten 'casa fantasia' teilen sich in drei Gruppen mit italienischen Namen. Der Raum mit dem rot gepunkteten Teppich im zweiten Stock ist das Reich der "cuccioli", der Tierkinder. Hier können sich die Zwei- bis Dreijährigen zurückziehen, wenn es ihnen bei den großen "arcobaleno", den vier- bis sechsjährigen Regenbogenkindern, zu wild wird. Jedes Kind, ganz gleich ob zwei oder sechs, darf selbst entscheiden, wo es sein möchte. Es muss nur Bescheid sagen, wo es hingeht: In den Bauraum etwa, wo gebastelt und gemalt wird und wo große, mit Bausteinen gefüllte Körbe stehen; in den Theaterraum, wo eine Bühne und ein Fundus an Instrumenten und Verkleidungssachen warten. Dann ist da noch der lange Flur, dessen Wand als Tafel dient. Oder das Kunstatelier im Erdgeschoss mit unzähligen Materialien.
Nur die Ein- bis Zweijährigen bleiben im "nido" – im Nestchen, zwei großen Räumen im Erdgeschoss. "Sobald es wärmer wird, treffen wir uns alle im Garten", erzählt Eleonore Zenthoefer und meint damit den Innenhof mit Sand- und Wasserspielplatz, Tischen und einem Kaninchenstall, in dem zwei Hasen hopsen.

Werkeln und toben im Reggio-Kindergarten

Warme Farben und natürliche Materialien wecken im Reggio-Kindergarten die Bau- und Experimentierlust. "Fertige" Spielsachen und Möbel gibt es hier kaum. Der Maltisch der "cuccioli" etwa besteht aus einer großen Platte, die auf flache Stapelboxen gelegt wird. Gewerkelt wird im Knien. Ist Toben angesagt, kommt die Platte an die Wand und die Stapelboxen werden zu Turngeräten. Ebenfalls Reggio ist das Prinzip der "sprechenden Wände". Überall hängen Plakate, digitale Bilderrahmen und Projektmappen, die Kindergartenleben und Forschungsergebnisse zeigen. "Das zeigt auch den Eltern, womit wir uns beschäftigen", sagt Eleonore Zenthoefer.

Reggio-Kindergarten: Eltern erwünscht

Erziehungspartnerschaft ist für sie nicht nur ein Wort. "Die Eltern sind hier ausdrücklich erwünscht", sagt sie. Es gibt sogar einen Chor, in dem Erzieher und Eltern singen. Köchin Kristina Weise und Hausmeister Jürgen Trojan, der mit seinen roten Handwerkerhosen wie ein Magnet auf die Kinder wirkt, sind ebenfalls selbstverständliche Mitglieder des Kindergarten-Teams. Reggio Philosophie ist, den Kindergarten als Teil der ganzen Gesellschaft zu sehen und für "die Welt da draußen" offen zu sein. Dass die italienische Erzieherin Valentina Colla mit den Kindern nur in ihrer Muttersprache spricht, sei allerdings ein besonderer Pluspunkt, der den Reggio-Schwerpunkt des Kindergartens ideal ergänzt und Teil des Fröbel-Konzepts ist, sagt die Leiterin. "Bilinguale Erziehung durch die ständige Begleitung von Muttersprachlern wird es bald in allen Fröbel-Kindergärten geben. Kinder lernen die Grundlagen einer Fremdsprache auf diese Art spielerisch."
Mehr zum Reggio-Kindergarten unter www.froebel-gruppe.de

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