Du hegst den Verdacht, dass euer Kind Linkshänder oder Linkshänderin ist? Die gute Nachricht: Linkshändigkeit bringt viele einzigartige Eigenschaften und Talente mit sich. Trotzdem können manche Situationen herausfordernder sein. Auch wenn Linkshändigkeit zum Glück längst ihr Stigma verloren hat, ist das Umfeld von Linkshändern oft für Rechtshänder ausgelegt. Wir zeigen euch, woran ihr erkennt, ob euer Kind Linkshänder ist. Und wie ihr es in Kita, Schule und Alltag richtig unterstützen könnt.
- 1.Linkshändigkeit ist nicht nur eine Vorliebe
- 2.Was bestimmt, ob man Linkshänder wird?
- 3.Woran erkenne ich, dass mein Kind Linkshänder ist?
- 3.1.Anhaltspunkte, dass dein Baby oder Kleinkind Linkshänder ist
- 4.Wann lässt sich erkennen, ob mein Kind Linkshänder ist?
- 5.Denken Linkshänder wirklich anders als Rechtshänder?
- 5.1.Eigenschaften, die bei Linkshändern besonders ausgeprägt sind
- 6.Wie kann ich mein Linkshänder-Schulkind unterstützen?
- 6.1.#1 Unterschiede verstehen
- 6.2.#2 Zusammen Schreiben üben
- 6.3.#3 Auf die Haltung beim Schreiben achten
- 6.4.#4 Früh den Füller ausprobieren
- 6.5.#5 Schulmaterialien für Linkshänder besorgen
- 7.Wer kann überprüfen, ob mein Kind Linkshänder oder Rechtshänder ist?
- 8.Warum man sich Linkshändigkeit nicht abgewöhnen sollte
Weltweit sind rund 11 % der Bevölkerung linkshändig – Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass die Zahl viel höher liegt und von Land zu Land stark schwankt. Denn lange wurden Linkshänder zu Rechtshändern umerzogen und noch heute wird Linkshändigkeit nicht in allen Kulturen unterstützt.
Wissenschaftlich ist längst klar: Es ist unglaublich wichtig, Linkshänder von klein auf richtig zu fördern und zu unterstützen. Denn Händigkeit kann und sollte nicht "antrainiert" werden.
Linkshändigkeit ist nicht nur eine Vorliebe
In Deutschland ist es deshalb mittlerweile gesetzlich verankert, dass auf Linkshändigkeit eingegangen werden muss. Denn Linkshändigkeit bedeutet nicht bloß die linke Hand lieber zu nutzen, sondern Linkshänder "funktionieren" ganz einfach anders als Rechtshänder. Der Versuch, diese Veranlagung "umzuerziehen" hat nicht nur wenig Erfolg, sondern richtet psychologisch und auch körperlich oft großen Schaden an.
Was bestimmt, ob man Linkshänder wird?
Rechts- oder Linkshänder, das ist keine Erziehungssache, sondern Veranlagung. Bei jedem Menschen dominiert eine der beiden Hirnhälften. Bei Rechtshändern ist es die linke und bei Linkshändern die rechte Hirnhälfte. Warum das so ist, ist trotz über 50 Jahren intensiver Studien noch nicht wissenschaftlich belegt. Dennoch hat die Wissenschaft in den letzten Jahren einige Fortschritte gemacht:
Wir wissen, dass die Tendenz zur Linkshändigkeit vererbt wird, aber nicht an ein Gen allein gebunden ist. Vielmehr müssen viele kleine Marker an verschiedenen Genen zusammenkommen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass ein Baby Linkshänder wird. Herausfinden könnten wir das übrigens theoretisch beim Ultraschall: Babys saugen bereits im Mutterleib am Daumen ihrer dominanten Hand.
Woran erkenne ich, dass mein Kind Linkshänder ist?
Auch wenn Babys bereits im Mutterleib eine Hand bevorzugen, verwenden sie nach der Geburt und im Kleinkindalter oft beide Hände gleich häufig. Gar nicht so einfach für uns Eltern, ihre Händigkeit herauszufinden!
Anhaltspunkte, dass dein Baby oder Kleinkind Linkshänder ist
- Löffelhaltung: Kleine Linkshänder halten immer öfter ihre Schüssel mit Links und essen mit Rechts. Viele Kinder wechseln aber auch einfach ab, um sich auszuprobieren. Wichtig: Korriegiert euer Kind nicht, sondern lasst es selbst entscheiden, in welcher Hand es sein Besteck halten möchte.
- Alltagssituationen: Es ist ein guter Anhaltspunkt, welche Hand euer Kind lieber beim Schneiden, Malen oder Ball spielen häufiger benutzt. Aber auch hier kann es sein, dass es öfters tauscht.
- Spontane Bewegungen: Am besten lässt sich Linkshändigkeit oft erkennen, welche Hand es für spontane Dinge, wie sich das Haar aus dem Gesicht zu streichen, benutzt.
- Ihr seid selbst Linkshänder: Sind ein oder gar beide Elternteile Linkshänder, ist die Chance größer, dass euer Kind auch einer wird.
Wann lässt sich erkennen, ob mein Kind Linkshänder ist?
Bei den meisten Kindern kristallisiert sich im Alter zwischen 18 Monaten und 3 Jahren heraus, welche Hand sie bevorzugen. Bei manchen dauert es auch noch bis zum Grundschulalter an, dass sie ihre Hände abwechseln. Denn: Kinder schauen sich von Anfang an von ihrer Umwelt alles ab. Nutzen ihre Bezugspersonen die rechte als dominante Hand, machen sie das oft automatisch nach, z. B. beim Halten von Besteck.
Erst bei komplexeren Bewegungen wie Zeichnungen, Schreiben, Schuhe binden etc. lässt sich häufig eine dominante Seite erkennen. Aber selbst dann kann es sein, dass z. B. persönliche Vorlieben die Nutzung einer bestimmten Hand beeinflussen und nicht die Händigkeit. Manche Linkshänder bevorzugen z. B. ihr Leben lang die rechte Hand beim Essen oder beim Sport und einige Rechtshänder bevorzugen ihre linke.
Denken Linkshänder wirklich anders als Rechtshänder?
Linkshänder nehmen aufgrund der Dominanz der rechten Hirnhälfte die Umwelt anders wahr und verarbeiten Reize anders als Rechtshänder, bei denen die Aktivität der rechten Hirnhälfte überwiegt. Das äußert sich in bestimmten Eigenschaften, Talenten und Vorlieben, jedoch nicht direkt in der Intelligenz. Studien konnten bisher nicht nachweisen, dass Linkshänder intelligenter oder weniger intelligent sind als Rechtshänder.
Es gibt aber Hinweise darauf, dass das Hirn von Linkshändern eine andere Struktur und Vernetzung aufweist als das von Rechtshändern. Was wir mittlerweile wissen, ist dass wir durch die Verwendung unserer nicht-dominanten Hand nicht nur die nicht-dominante Hirnhälfte, sondern auch die dominante und die Verbindung zwischen beiden stärken. Weil Linkshänder in einer Rechtshänder-Welt leben, ist das bei ihnen viel häufiger der Fall als andersherum. Viele Skills sind bei ihnen daher ausgeprägter als bei Rechtshändern.
Eigenschaften, die bei Linkshändern besonders ausgeprägt sind
- Empathie
- Kreativität
- Spontanität
- Fantasie
- Körperliche und verbale Sprache und Ausdruck
- Kommunikationsfähigkeit
- Komplexes Denken
- Künstlerische Fähigkeiten
- Räumliches Denken
Wie kann ich mein Linkshänder-Schulkind unterstützen?
Mit dem Wissen, dass Linkshänder anders wahrnehmen und denken, lässt es sich gut nachvollziehen, warum sie als Schulanfänger ab und zu Probleme beim Lesen und Schreiben haben. Dr. Johanna Barbara Sattler, Leiterin der Ersten deutschen Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder e.V. gibt Tipps, wie ihr euer Kind beim Schreiben und Lesen lernen unterstützen könnt.
#1 Unterschiede verstehen
Eine Theorie besagt, dass bei Linkshändern die natürliche Blickrichtung von rechts nach links geht – also genau entgegengesetzt unserer westlichen Schreibweise. Buchstabenverdreher können da schon mal vorkommen. Das legt sich aber in der Regel schnell, sobald das Lesen und Schreiben insgesamt sicherer wird.
#2 Zusammen Schreiben üben
Häufig zu beobachten ist auch, dass linkshändige ABC-Schützen Buchstaben von rechts nach links schreiben, so die Psychologin. Wichtig sei, dass diese Fehler liebevoll von Anfang an berichtigt werden – bestenfalls schon beim Nachschreiben der ersten Buchstaben im Kindergartenalter: „Sonst eignen sich die Kinder das Buchstabenschreiben falsch an. Wenn sie dann in die Schule kommen und stolz sind, schon ein bisschen schreiben zu können, ist der Frust natürlich groß, wenn sie genau das plötzlich anders machen sollen.“
Sie rät, nicht zu zögern und eurem Nachwuchs von Anfang an zu zeigen, wie es richtig geht – natürlich nur, wenn das Interesse am Schreiben überhaupt schon da ist.
#3 Auf die Haltung beim Schreiben achten
Beim Schreiben selbst ist es wichtig, dass nicht von oben geschrieben wird, sodass die Hand abknickt.
Ergonomischer schreibt es sich, wenn die Schreibhand unter der Zeile liegt. Das hilft auch zu vermeiden, dass das frisch Geschriebene immer direkt verschmiert (eine typische Linkshänder-Challenge!)
Dafür kann das Blatt stärker und in die entgegengesetzte Richtung – also nach rechts – geneigt werden, als es bei Rechtshändern der Fall ist.
#4 Früh den Füller ausprobieren
Linkshänder-Expertin Dr. Johanna Barbara Sattler gibt außerdem den Tipp, Kinder möglichst früh mit einem Füller schreiben zu lassen. So merken sie schnell selbst, wenn sie nicht die richtige Schreibhaltung haben – nämlich dann, wenn sie die Schrift beim Nachschieben der Hand verwischen.
Eventuell braucht dein linkshändiger Schulanfänger besondere Unterstützung dabei, die richtige Schreibhaltung zu lernen. In vielen Städten gibt es Linkshänder-Beratungen, die ein Schreibtraining für Kinder anbieten und bei denen du noch viel mehr Tipps für Schule und Alltag erhalten kannst. Eine Auflistung aktueller Angebote sortiert nach Bundesländern findest du hier:
#5 Schulmaterialien für Linkshänder besorgen
Beim Kauf von Schulmaterialien könnt ihr darauf achten, dass es sich auch für Linkshänder eignet. Immer mehr Hersteller bieten ihre Produkte auch in Linkshänder-Varianten an.
- Füller: Bei Füllern spielt die Griffmulde eine Rolle. Sie ist für Linkshänder anders geformt als für Rechtshänder.
- Stifte: Für Stifte empfiehlt die Expertin aufsteckbare, dreieckige Schreibhilfen. Sie unterstützen die korrekte 3-Punkt-Schreibhaltung, sodass die Schreibhand nicht so schnell ermüdet.
- Schreibunterlage für Linkshänder: Sie hilft dabei, die richtige Schreibhaltung zu lernen. Die Unterlage gibt die Blattneigung und Handhaltung vor.
- Collegeblöcke: Schreibpapier-Nachschub gibt es in linierten und karierten Collegeblöcken, normalerweise mit Ringbindung links. Für Linkshänder ist es aber leichter, auf rechts- oder oben-gebundenen Blöcken zu schreiben.
- Spitzer und Scheren: Auch hier gibt es spezielle Linkshänder-Produkte, bei denen die Klingen entsprechend angebracht sind.
Wer kann überprüfen, ob mein Kind Linkshänder oder Rechtshänder ist?
Um kleine Schulanfänger optimal zu fördern, sollte ihre Händigkeit vor Schuleintritt feststehen. Das ist aber gar nicht immer so einfach.
Seid ihr euch vor dem Schulanfang noch nicht sicher, ob euer Kind zu den Rechts- oder Linkshändern gehört, kann ein Händigkeitstest bei der Linkshänder-Beratung Klarheit verschaffen. Oft ist die Händigkeit aber auch Thema in der Schuleingangsuntersuchung.
Solange die Händigkeit noch unklar ist, versuche dein Kind möglichst in keine Richtung zu drängen oder die Händigkeit bewertend zu kommentieren (z.B. „Nimm den Löffel mal in die richtige Hand.“). Mit der nötigen Unterstützung wird es seinen Weg finden!
Warum man sich Linkshändigkeit nicht abgewöhnen sollte
Die Händigkeit ist aber auf jeden Fall angeboren und kann nicht einfach umerzogen werden. Experten warnen ausdrücklich davor, Linkshänder zu Rechtshändern umzuerziehen. Umgeschulte Linkshänder haben häufig ihr Leben lang Probleme wie Konzentrations- und Sprachstörungen, Lernschwierigkeiten, Gedächtnisschwäche oder feinmotorische Störungen. Und das ist auch kein Wunder, denn schließlich versuchen sie ja gegen ihre natürliche „Funktionsweise“, gegen ihr Gehirn zu arbeiten.
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