Bei Kindern mit Wahrnehmungsstörung werden Sinnesreize im Gehirn nicht richtig verarbeitet und interpretiert – es entsteht ein fehlerhaftes Bild, was im Alltag oft zu Problemen führt. An welchen Symptomen ihr diese Wahrnehmungsstörungen erkennt und wie die richtige Therapie betroffenen Kids helfen kann.
- 1.Was ist eine Wahrnehmungsstörung?
- 2.Welche Wahrnehmungsstörungen gibt es?
- 3.Symptome, die auf eine Wahrnehmungsstörung bei Kindern hindeuten
- 4.Wahrnehmungsstörung: Ursachen
- 5.Zu welchem Arzt bei Wahrnehmungsstörungen?
- 6.Wahrnehmungsstörungen behandeln
- 7.Wahrnehmungsstörung und Autismus
- 8.Wahrnehmungsstörung und ADHS
Was ist eine Wahrnehmungsstörung?
Schon im Mutterleib nehmen wir durch unsere fünf Sinne – sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen – unsere Umwelt wahr. Die aufgenommenen Reize werden ans Gehirn weitergeleitet und dort verarbeitet. So entsteht ein komplexes Bild von der Welt und wir lernen, wie wir uns darin zurechtfinden können. Bei Wahrnehmungsstörungen nehmen Kinder Sinneseindrücke fehlerhaft wahr. Die Sinnesorgane sind dabei meist gesund – Nase, Augen, Ohren "funktionieren" ganz normal. Die aufgenommenen Reize werden allerdings im Gehirn nicht richtig verarbeitet, wodurch es zu einer Störung der Wahrnehmung kommt.
Wichtig: Bei einer Wahrnehmungsstörung beim Kind handelt es sich weder um eine Behinderung noch um eine Krankheit! Allerdings kann sie zu Entwicklungsproblemen, zum Beispiel zu einer erschwerten Sprachentwicklung, führen. Außerdem entstehen möglicherweise Schwierigkeiten mit der Motorik, Probleme beim Lesen und Schreiben oder beim Rechnen.
Welche Wahrnehmungsstörungen gibt es?
Eine Wahrnehmungsstörung kann in allen Sinnen auftreten. Häufig sind folgende Bereiche betroffen:
- das Sehen: visuelle Wahrnehmungsstörung
- das Hören: auditive Wahrnehmungsstörung
- das Fühlen: taktile Wahrnehmungsstörung
- die räumliche Orientierung: visuo-konstruktive Wahrnehmungsstörung
Außerdem gibt es verschiedene Ebenen der Wahrnehmungsstörung:
- Modalitätsspezifische Wahrnehmungsstörung: Einzelne Reize werden nicht richtig verarbeitet. Auch Über- oder Unterempfindlichkeit gegenüber einzelnen Reizen sind typisch. Beispiel: Betroffene Kinder können sich keine Gesichter merken und deswegen Menschen nicht auseinanderhalten.
- Intermodale Wahrnehmungsstörung: Verschiedene Reize können nicht richtig verknüpft werden, zum Beispiel Gehörtes und Gesehenes. So können Betroffene klatschende Geräusche hören und Menschen sehen, die die Hände zusammenschlagen. Sie können diese beiden Reize aber nicht als Klatschen zusammenführen.
- Seriale Wahrnehmungsstörung: Verschiedene Reize werden räumlich oder zeitlich nicht richtig eingeordnet. Kinder können sich zum Beispiel an den Weg zum Kindergarten nicht erinnern, auch wenn sie diesen täglich gehen oder sich nicht merken, dass die Socken vor den Schuhen angezogen werden.
Symptome, die auf eine Wahrnehmungsstörung bei Kindern hindeuten
Eine Wahrnehmungsstörung kann sich ganz unterschiedlich äußern, je nachdem, welcher Sinn betroffen ist. Betroffene Kinder können z. B. Probleme haben, Gegenstände räumlich richtig einzuordnen oder gleiche Formen zu erkennen. Wenn die Auge-Hand-Koordination gestört ist, fällt dies oft durch Probleme beim Malen, Bauen mit Klötzchen oder Basteln auf. Manche Kids haben auch Schwierigkeiten, Geräusche zuzuordnen oder sie sind sehr lärmempfindlich. Bei einer Wahrnehmungsstörung des Körpers bemerken Kinder nicht, ob ihnen heiß oder kalt ist oder sie haben kein oder nur ein sehr reduziertes Schmerzempfinden. Manche Kinder können auch Berührungen oder bestimmte Kleidungsstücke auf der Haut nur schwer ertragen.
Wahrnehmungsstörung: Ursachen
Eine Wahrnehmungsstörung bei Kindern kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Die fehlerhafte Reizverarbeitung kann angeboren oder in den ersten Lebensjahren begründet sein.
Mögliche Ursachen für angeborene Wahrnehmungsstörungen:
- Genetische Ursachen: Wahrnehmungsstörungen werden oft vererbt
- Geburtskomplikationen, zum Beispiel Sauerstoffmangel unter der Geburt
- Frühgeburt: Wenn euer Kind ein Frühchen ist, ist sein Risiko, dass es in seiner späteren Entwicklung zu einer Wahrnehmungsstörung kommt, erhöht.
- Drogen- oder Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft
- Organische Ursachen: Zum Beispiel eine angeborene Sehschwäche, die zunächst nicht erkannt wird. Das Kind bekommt erst spät eine Brille und hinkt in der "normalen" Sehentwicklung und damit in der Auge-Hand-Koordination hinterher.
Mögliche Ursachen für erworbene Wahrnehmungsstörungen:
- Zuordnung der Reize wird im Kleinkindalter nicht richtig erlernt. Zum Beispiel weil die Eltern das Kind darin nicht gefördert, Anreize zum Entdecken massiv gefehlt haben oder aber das Kind einer ständigen Reizüberflutung (z. B. durch dauernden Medienkonsum) ausgesetzt war. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte führt auch Bewegungsmangel als Grund für Wahrnehmungsstörungen auf. Da das Verarbeiten der Sinnesreize im Gehirn immer auch mit unserer subjektiven Erfahrung zusammenhängt, ist es sehr wichtig, dass Kinder in einer liebevollen Umgebung aufwachsen, in der sie vielseitige Reize erleben dürfen.
- Schädigung des Gehirns, z. B. durch einen Unfall
- Psychische Erkrankung des Kindes
Zu welchem Arzt bei Wahrnehmungsstörungen?
Wenn ihr den Verdacht habt, dass euer Kind an einer Wahrnehmungsstörung leidet, solltet ihr zunächst einen Termin in eurer Kinderarztpraxis vereinbaren. Diese*r kann herausfinden, ob tatsächlich eine Wahrnehmungsstörung vorliegt oder ob es sich nur um eine vorübergehende Wahrnehmungsschwäche handelt. Ggf. wird euch der Kinderarzt oder die Kinderärztin an eine*n Spezialist*in oder eine*n Psycholog*in weiterleiten. Um die genaue Diagnose zu stellen, gibt es dann verschiedene Tests.
Wahrnehmungsstörungen behandeln
Wenn körperliche Ursachen die Wahrnehmungsstörung verursachen, können diese ggf. operiert werden. Beispielsweise eine Augen- oder Ohren-OP können die Wahrnehmungsstörung dann beseitigen.
Meist sind Wahrnehmungsstörungen allerdings nicht heilbar. Aber keine Panik: Das richtige Training kann Kindern helfen, mit der fehlerhaften Reizverarbeitung im Alltag gut klarzukommen!
Das Kind wird z. B. in der Motorik, im räumlichen Denken oder beim Sprechen gezielt gefördert. Je früher das Training beginnt, desto erfolgreicher ist es meist. Logopäd*innen, Psycholog*innen, Ergo- oder Physiotherapeut*innen kümmern sich dabei um euer Kind. Sehr förderlich ist auch, wenn das Kind die Übungen zuhause regelmäßig macht. Es ist also ganz wichtig, dass ihr es dazu ermutigt und gemeinsam trainiert.
Wahrnehmungsstörung und Autismus
Autismus ist eine besondere Form von Wahrnehmungsstörung. Aber keine Angst: Bei Weitem nicht jedes Kind mit Wahrnehmungsstörungen leidet an dieser Krankheit. Wenn ihr beunruhigt seid, kontaktiert euren Kinderarzt. Er kann euch auf jeden Fall weiterhelfen.
Wahrnehmungsstörung und ADHS
Eine Wahrnehmungsstörung kann eine Begleiterscheinung von ADHS oder ADS sein, ist aber fast nie der Auslöser davon. Auch bei diesem Verdacht solltet ihr euch an eure Kinderärztin wenden. Sie kann euch an speziell geschulte Mediziner*innen oder Psycholog*innen weitervermitteln.
Durch Bewegung erleben Kinder vielfältige Reize, was wichtig für ihre gesunde Entwicklung ist. In diesem Video bekommt ihr Tipps, um herauszufinden, welche Sportart zu eurem Kind passt.
Quellen: Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, Zentrum Bayern Familie und Soziales, MedLexi
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