Über ein Jahrhundert nach ihrer Konzeption ist die Montessori-Pädagogik beliebter und hipper denn je. Eltern, Familien, Erzieher*innen und Lehrer*innen weltweit fühlen sich von dem Gedanken angesprochen, Kinder respektvoll zu erziehen. Wieso das mit Montessori so gut gelingt und wie ihr die Montessori Erziehung auch zu Hause einfach umsetzen könnt.
- 1.Wer war Maria Montessori?
- 2.Wofür steht Montessori-Pädagogik?
- 3.Grundlagen der Montessori-Pädagogik
- 3.1.Montessori-Grundsätze
- 4.Ab welchem Alter ist Montessori-Erziehung sinnvoll?
- 5.Vorteile von Montessori-Erziehung
- 6.Wo finde ich Montessori-Schulen?
- 7.Wie kann ich Montessori-Pädagogik zu Hause umsetzen?
- 7.1.Montessori-Tipps für zu Hause
- 8.Erziehungsstile, die auf Montessori basieren
Respektvolle Erziehung ist in aller Munde. Aber wusstet ihr, dass dieser Gedanke auf der Lehre von Maria Montessori basiert? Viele von uns bringen die Kult-Pädagogin mit "alternativen" Schulen und vielleicht noch teurem Baby-Spielzeug in Verbindung. Dabei ist es kein Zufall, dass ihr Name in immer mehr Erziehungsratgebern fällt. Denn Montessori steht neben tollen Lehrmaterialien auch für die Grundsteine vieler moderner Erziehungstrends. Und für den Paradigmenwechsel, der im Laufe der letzten Jahrzehnte unsere Auffassung von Kindern, Erziehung und Lernen tiefgreifend geändert hat.
Wer war Maria Montessori?
Maria Montessori (1870-1952) war eine italienische Ärztin, Philosophin, Anthropologin und Reformpädagogin. Nach ihrem Medizinstudium als eine der ersten Frauen in Europa leitete sie heilpädagogische Kliniken für geistig behinderte Kinder, pädagogische Kliniken und übernahm ein römisches Kinderhaus, das armen Familien ein Dach über dem Kopf bat. Hier entwickelte sie ihre Erziehungs-Methode, indem sie ihre heilpädagogischen Erfahrungen bei der Kinderbetreuung anwandte und dabei – für sie unglaubliche – Wesensveränderungen in den Kindern bemerkte.
"The child ist the forgotten citizen."
Sie hielt zeitlebens (von der Diktatur der Nazis und dem 2. Weltkrieg geprägt) unzählige internationale Vorträge und Schulungen. Montessori bereiste zahlreiche Schulen in Europa, Amerika und Indien, um Kindern überall die Chance auf Bildung zu geben. Sie war von den unterschiedlichen Schicksalen tief berührt und von ihrer Methode überzeugter denn je. Ihr Sohn Mario Montessori reiste mit ihr, half bei den Übersetzungen und übernahm und erweiterte nach ihrem Tod ihr Erbe.
Mehr als nur ein paar Bücher
Montessorischulen sind vielen von uns ein Begriff, aber Maria Montessoris Vermächtnis geht weit über ein Bildungskonzept und selbst ein Erziehungs-Movement hinaus: In den letzten Jahrzehnten wurde Montessori zu einer internationalen Bewegung, die auf der Arbeit der gemeinnützigen Stiftung Association Montessori Internationale (AMI) basiert. Von Maria Montessori in 1929 gegründet, umfasst die NGO mittlerweile Organisationen in 36 Ländern mit der Mission, Kinder gesellschaftlich zu integrieren und ihre Bildung zu fördern.
Wofür steht Montessori-Pädagogik?
Ich halte es für möglich, eine neue Gesellschaft vorauszusehen, in der der Mensch fähiger sein wird, weil man Vertrauen in ihn setzte, als er ein Kind war.
Maria Montessori
Bei der Montessori-Lehre steht das Kind im Mittelpunkt. Bestimmt kennt ihr das berühmte Zitat "Hilf mir, es selbst zu tun.", das den zentralen Gedanken des Montessori-Konzepts gut beschreibt. Dennoch geht es bei dem Erziehungskonzept um mehr, als nur Selbstständigkeit zu fördern. Der respektvolle und vertrauensvolle Umgang mit Kindern ist hierfür ein wichtiger Bestandteil.
In Montessori-Kindergärten und -Schulen nehmen Pädagog*innen eine beobachtende Rolle ein und geben Kindern die Möglichkeit, frei zu denken und sich frei zu bewegen. Man geht davon aus, dass Kinder so gepolt sind, dass sie am besten selbstständig lernen. Mit entsprechenden Lehrmaterialien und -methoden wird ihr Fortschritt unterstützt. Im vollen Zitat von oben lässt sich das gut erkennen:
Hilf mir, es selbst zu tun. Zeige mir, wie es geht. Tu es nicht für mich. Ich kann und will es alleine tun. Habe Geduld, meine Wege zu begreifen. Sie sind vielleicht länger, vielleicht brauchen sie mehr Zeit, weil ich mehrere Versuche machen will. Mute mir Fehler und Anstrengung zu, denn daraus kann ich lernen.
Maria Montessori
Grundlagen der Montessori-Pädagogik
"Freiheit und Disziplin sind zwei Seiten EINER Medaille."
Maria Montessori hat sehr ausführliche Bücher für Pädagog*innen geschrieben, schon ihre berühmtesten und beliebtesten Zitate allein füllen einige! Trotzdem lassen sich einige wichtige Merkmale zusammenfassen, die sich von anderen Erziehungskonzepten und Lehrmethoden teils stark unterscheiden.
Montessori-Grundsätze
- Das Kind und seine Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt
- Hohe Wertschätzung des Kindes als Individuum und in seiner gesellschaftlichen Rolle
- Kinder dürfen altersgerechte Entscheidungen selbst treffen
- Begegnung der Kinder auf Augenhöhe
- Fokus auf Erwachsenensprache, auch bei Babys
- Erwachsene sind Beobachter
- Kontrolle liegt beim Kind
- Respekt vor körperlichen, mentalen und emotionalen Grenzen des Kindes
- Fokus auf Hilfestellungen statt Übernahme der Tätigkeit
- Je kürzer und einfacher die Anweisungen, desto besser
- Vertrauen in die Fähigkeiten des Kindes
- Fokus auf positive Aspekte und Lob statt negative Kritik
- Ablehung von Strafen, Fokus auf natürliche Konsequenzen
- Liebevolle Grenzen bestärken die Freiheit des Kindes
Ab welchem Alter ist Montessori-Erziehung sinnvoll?
Maria Montessori war davon überzeugt, dass die ersten drei Jahre im Leben eines Menschen die prägensten sind. Und dass unsere Erfahrungen aus dieser Zeit unser Erwachsenenleben bewusst oder unbewusst beeinflussen. Deshalb ist es nie zu früh, den Montessori-Gedanken in eurer Erziehung anzuwenden.
Schon kleine Babys reagieren positiv darauf, in Prozesse einbezogen und respektvoll und mit Augenkontakt angesprochen zu werden ("Ich nehme dich jetzt hoch", " Wir wechseln jetzt deine Windel").
Auch der Fokus auf eine starke Eltern-Kind-Bindung und die Erfüllung der kindlichen Befürfnisse ist Teil der Montessori-Erziehung. Mittlerweile gibt es auch viele tolle Montessori-Spielzeuge, die bereits für Babys interessant und sicher sind.
Vorteile von Montessori-Erziehung
Die Lehre sieht sich als umgreifende Unterstützung des Kindes in seiner individuellen Entfaltung und schließt alle Lebensbereiche mit ein. Deswegen ist auch der Fokus auf frühkindliche Bindungen und eine positive Eltern-Kind-Beziehung so wichtig. Folgende Eigenschaften werden mit dem Montessori-Konzept besonders gefördert:
- Selbstständigkeit
- Selbstbewusstsein
- Selbstvertrauen
- Hoher Selbstwert
- Resilienz
- Kommunikationsfähigkeit
- Individualität
- Logisches Denken
- Innere Ruhe
- Empathie
- Konfliktfähigkeit
... Aber wenn wir unsere ganze Einstellung ändern und zu uns selbst sagen: 'Mein Kind weiß, was das Beste für es ist.' Selbstverständlich achten wir darauf, dass ihm kein Schaden zugefügt wird. Aber anstatt uns darin zu versuchen, ihm unsere Wege aufzuzeigen, geben wir ihm die Freiheit, sein kleines Leben auf seine eigene Art zu leben.
Maria Montessori
Wo finde ich Montessori-Schulen?
Wenn ihr in Deutschland eine Montessori-Kita oder -schule finden möchtet, ist Montessori Deutschland eine super Anlaufstelle. In der zentralen Datenbank findet ihr alle teilnehmenden Institutionen:
Wie kann ich Montessori-Pädagogik zu Hause umsetzen?
Es gibt viele Möglichkeiten, euch die Philosophie nach Hause zu holen und sie im täglichen Leben umzusetzen. Und keine Angst: Dafür braucht ihr (trotz so vieler toller Pinterest-Ideen) euer Kinderzimmer nicht komplett Montessori-gerecht renovieren. Wichtiger als minimalistische Möbel und Holzspielzeug ist es dabei, die eigene Perspektive zu überprüfen, wie wir unsere Kinder wahrnehmen. Folgendes kann euch helfen, Montessori zu Hause zu leben.
Montessori-Tipps für zu Hause
- Lasst euer Kind altersgerechte Entscheidungen treffen. Möchte es die blauen oder die gelben Sneaker anziehen? Erdbeeren oder Bananen im Müsli?
- Setzt altersgemäße Grenzen zeitig und bestimmt, aber in ruhigem und liebevollem Ton: Es ist Zeit, die Schuhe anzuziehen. Nach diesem Buch ist es Zeit zum Zähneputzen. Für ältere Kids: Um 18 Uhr bist du zu Hause u.ä.
- Haltet euch bei Spielen und Alltagssituationen zurück und lasst euer Kind probieren, statt zu übernehmen. Je mehr ihr es beim freien Spiel, beim Anziehen oder Lesen beobachtet, umso besser versteht ihr seine Fähigkeiten und seine individuellen Vorlieben. Ihr bekommt ein Verständnis dafür, was euer Kind von euch braucht.
- Vertraut darauf, dass euer Kind gewaltfreie Konflikte selbst lösen kann. Oft greifen wir schnell ein oder projizieren unsere Gefühle auf unsere Kinder. Vielleicht stört es unser Kind gar nicht, dass ihm das Spielzeug weggenommen wird? Oder es holt es sich zurück und die beiden beginnen zu spielen? In jedem Fall geben wir ihm die Chance, selbst zu reagieren. Klar, bei einem großen Altersunterschied oder Handgreiflichkeit ist es wichtig, ruhig dazwischen zu gehen.
Erziehungsstile, die auf Montessori basieren
Wenn ihr Montessori toll findet, aber nicht rigide einem Konzept folgen wollt, habt ihr viele Möglichkeiten, den Montessori-Gedanken in euren Erziehungsalltag zu integrieren.
Einige tolle Erziehungstrends stellen das Kind selbst und eine positive Eltern-Kind-Bindung in den Mittelpunkt. Sie helfen dabei, uns Eltern zu entlasten und unsere Kinder fürs Leben zu stärken. Diese bedienen sich an einigen der Grundideen von Maria Montessori: