Ab wann können Kinder sprechen? Ganz theoretisch, schon direkt nach der Geburt. Wir haben über die Sprachentwicklung von Babys und Kindern mit Dr. Anke Buschmann, Gründerin des Heidelberger Elterntraining zur frühen Sprachförderung, gesprochen und erklären euch, welche sprachlichen Fortschritte euer Kind im ersten, zweiten, dritten und vierten Lebensjahr macht und wie ihr es beim Sprechen lernen unterstützen könnt.
- 1.Sprachentwicklung Kinder: Aller Anfang ist schwer
- 2.Sprachentwicklung Kinder: Die Voraussetzungen fürs Sprechen lernen
- 3.Mund: Sprechwerkzeuge für die Sprachentwicklung der Kinder
- 4.Ohren: Hören ist wichtig für die Sprachentwicklung von Babys und Kleinkinder
- 5.Austausch: Ohne Dialog gerät die Sprachentwicklung von Kindern ins Stocken
- 6.Wann lernen Kinder sprechen? Die Sprachentwicklung beginnt direkt nach der Geburt
- 7.Sprachentwicklung vom Baby im 1. Lebensjahr
- 7.1.Das erste Wort: Wann fangen Kinder an zu sprechen?
- 7.2.Ab wann können Kinder sprechen?
- 7.3.Wie kann ich mein Baby beim Sprechen lernen unterstützen?
- 8.Sprachentwicklung im 2. und 3. Lebensjahr
- 8.1.Die Sprachentwicklung bei Babys und Kleinkindern richtig fördern
- 8.2.Wie kann ich mein Kleinkind in seiner Sprachentwicklung unterstützen?
- 9.Sprachentwicklung von Kindern im 3. und 4. Lebensjahr
- 9.1.Sprachentwicklung bei Kindern = Identitätsentwicklung bei Kindern
- 9.2.Vorsicht, Kind hört mit!
- 10.Sprachentwicklung unserer Kinder im 5. Lebensjahr
- 11.Woran kann ich erkennen, dass mein Kind eventuell Probleme beim Sprechen lernen hat?
- 12.Was sind die häufigsten Umstände, dass ein Kind langsamer/später mit dem Sprechen dran ist?
- 13.Wann ist die Sprachentwicklung bei Kindern in etwa abgeschlossen?
Sprachentwicklung Kinder: Aller Anfang ist schwer
Was ist am Sprechen lernen so schwierig? Ganz einfach: Alles! Das, was da an Tönen aus eurem Mund herausquillt, ist für euer Baby erst einmal nur ein langer Strom von Stimm-Geräuschen. Sie alle stammen aus einem Vorrat von 150 verschiedenen Lauten, aus denen alle Sprachen aufgebaut sind – wobei jede Sprache nur einen Teil davon benutzt.
Doch die hohe Kunst bei der Sprachentwicklung bei Kindern liegt woanders: Im Filtern, Sortieren und Erkennen der Sprache des für das Baby noch unverständlichen Töne-Wasserfall aus Mamas und Papas Mund. Es muss die Sprache von Grund auf entdecken und muss zuerst einmal die Basis der kindlichen Sprachentwicklung lernen:
- Wo fängt ein Wort an?
- Welche Wortarten gibt es?
- Wie werden sie zusammengesetzt?
- Was ist dabei richtig und falsch?
- Wie wird betont?
- Und schließlich: Was bedeutet ein Wort genau und wann kann man es benutzen?
Das alles sind Fragen, die eurem Baby keiner beantwortet – bzw. ohne das Verständnis für Wörter versteht es eure Erklärung nicht. Und trotzdem wird euer Kind in den nächsten fünf Jahren all diese Rätsel beinahe perfekt gelöst haben und sprechen können. Die Sprachenwicklung eures Kindes ist wirklich eine wahre Meisterleistung!
Sprachentwicklung Kinder: Die Voraussetzungen fürs Sprechen lernen
Unser Hirn ist so eingerichtet, dass es das Sprechen lernen zwischen der Geburt und dem 4. Lebensjahr erwartet und dafür alle wichtigen Ressourcen bereit hält.
Das kindliche Gehirn sitzt quasi mit gespitzten Ohren und gespitztem Bleistift bereit, um alles aufzusaugen, was dem Kind beim Sprechen lernen hilft und geboten wird.
Ab fünf Jahren lassen Fähigkeiten des kindlichen Gehirns zum Sprechen lernen stark nach.
Folgende Voraussetzungen bzw. Werkzeuge braucht euer Kind, um sich sprachlich zu entwickeln:
- Sprechwerkzeuge, dazu gehören Lippen, Zunge (Mund), Stimmbänder, Rachen, Zwerchfell, viele verschiedene Muskeln
- Ohren zum Hören
- Dialogpartner*innen zum Lernen, Üben, Abschauen und Austauschen
Mund: Sprechwerkzeuge für die Sprachentwicklung der Kinder
Denn zum Sprechen muss der Mensch bestimmte Mund- und Zungenbewegungen ausführen und er muss die anderen beteiligten Organe, wie die Zwerchfellmuskulatur und die Muskulatur der Stimmbänder, beherrschen.
Auch für diesen Teil der Sprachentwicklung beginnt das Training bereits im Säuglingsalter. Selbst wenn es zunächst nur wichtig für die Nahrungsaufnahme scheint: Mit Saugen, Schlucken, Kauen oder Lecken machen sich die Babys gleichzeitig auch fit fürs Sprechen lernen. So trainieren sie nämlich Bewegung und Muskulatur.
"Kinder üben sich von Geburt an im Sprechen: Sie probieren ihre Stimme und ihre Sprechwerkzeuge aus. Sie gurren, juchzen und quietschen nach einigen Lebenswochen. Sie brabbeln und lallen (ba-ba-ba) mit etwa sechs Monaten. Sie strengen sich richtig an beim Üben der Laute, die sie dann für die Wörter benötigen."
Dr. Anke Buschmann
Ohren: Hören ist wichtig für die Sprachentwicklung von Babys und Kleinkinder
Ohne Hören kein Sprechen, bzw. ist es für ein Kind sehr viel schwieriger ohne Gehör seine Sprache zu entwickeln. Eure Kinder werden bei den U-Untersuchungen immer auf ihre Hörfähigkeit geprüft. Solltet ihr dennoch das Gefühl haben, dass euer Kind schlecht hört, weil es z. B. ohne Grund immer sehr laut spricht, sprecht euren Kinderarzt noch einmal darauf an und lasst gegebenenfalls separat checken, ob mit dem Gehör eures Kindes alles in Ordnung ist.
Dr. Anke Buschmann: "Wenn das Kind mit etwa 6 Monaten aufhört, Laute von sich zu geben, dann sollten Eltern das Gehör des Babys prüfen, denn Brabbeln, Lallen usw. macht nur Spaß, wenn man sich selbst hört. Das ist eine wichtige Voraussetzung fürs Sprechenlernen, denn die Kinder passen die Laute, die sie produzieren immer mehr den Lauten der Umgebungssprache an."
Austausch: Ohne Dialog gerät die Sprachentwicklung von Kindern ins Stocken
Die dritte Voraussetzung, der Dialog, ist ebenso bedeutsam. Das Baby möchte mit seinen Liebsten beisammen sein, Mimik und Gestik beim Sprechen beobachten und im Wechsel Töne von sich geben. So lernt es rasch die emotionale Bedeutung von Sprache. Noch während des ersten Lebensjahres begreifen die Kleinsten, wie praktisch Sprechen ist – dass sie das Sprechen nutzen können, um andere Menschen dazu zu bringen, ihnen das zu geben, was sie brauchen und später auch das zu tun, was sie gerne möchten.
Wann lernen Kinder sprechen? Die Sprachentwicklung beginnt direkt nach der Geburt
Dr. Anke Buschmann: "Im Grunde genommen beginnt der Spracherwerb bereits im Mutterleib. Denn sobald ein Fötus hören kann – ungefähr ab der 22. Schwangerschaftswoche – nimmt er auch Sprache wahr und verarbeitet diese. Neugeborene zeigen ein großes Interesse an Gesicht und Stimme von Personen. Sie lauschen sehr aufmerksam dem Gesagten. Dabei orientieren sie sich zunächst vor allem an der Sprachmelodie."
"Erst nach und nach gelingt es ihnen einzelne Wörter aus dem Lautstrom herauszuhören. Meist ist es der eigene Name, den die Kinder als erstes wiedererkennen und darauf regieren. Dies gelingt bereits mit vier bis sechs Lebensmonaten. Mit etwa neun Monaten kennen die Kinder die Bedeutung von den Wörtern, die sie oft hören, wie Mama, Papa, essen, Ball. Zum ersten Geburtstag verstehen sie bereits 50 bis 100 Wörter aus ihrem direkten Alltag."
Sprachentwicklung vom Baby im 1. Lebensjahr
Was das Baby selbst zu sagen hat, beginnt mit einem Gurren. Mit wenigen Wochen fängt es an, schnurrend-säuselnde Töne zu machen. Dieses erste Training seines Stimmapparates bereitet es auf das Selber-Sprechen vor.
Das erste Wort: Wann fangen Kinder an zu sprechen?
Dr. Anke Buschmann: "Erste richtige Wörter sprechen die Kinder mit 10 bis 14 Monaten. Es sind zumeist Wörter, die in ihrem Lebensalltag oft vorkommen, die für sie eine emotionale Bedeutung haben und die leicht zu sprechen sind, oft sind es "Mama" und "Papa". Aber auch "Ato" (für Auto), "auf" und "nein" sprechen die Kinder früh. Zudem nutzen sie mit einem Jahr gerne sog. Kindersprache wie "wau-wau" und "miau". Diese Silbenverdopplungen sind ebenfalls leicht zu bilden und helfen den Kindern sich mitzuteilen. Später werden sie durch die korrekten Wörter ersetzt."
Neue Studie Bis vor Kurzem galt die Annahme, dass alle Babys "international" schreien, also gleich. Die Würzburger Wissenschaftlerin Kathleen Wermke und ihre Kolleg*innen haben mit 60 Babys jetzt jedoch herausgefunden, dass Babys bereits in ihrer Muttersprache schreien – ein deutsches Baby schreit anders als ein französisches oder indisches. Faszinierend, oder?
Ab wann können Kinder sprechen?
Im 10. oder 11. Monat können Babys dann kleine Handlungsanweisungen der Eltern verstehen – weil sie gelernt haben, bestimmten Begriffen, die sie hören, entsprechenden Dinge zuzuordnen. Sie kennen das richtige Wort für Ball und suchen zum Beispiel bei der Frage "Wo ist der Ball?" mit ihren Augen nach diesem Gegenstand.
Wie kann ich mein Baby beim Sprechen lernen unterstützen?
Dr. Anke Buschmann: "Ein Baby liebt es, wenn mit ihm gesprochen wird. Beschreibt, was ihr mit eurem Baby tut. Schaut es dabei an. Sprecht freudvoll und melodisch, sowie langsam und deutlich. Hebt die zentralen Wörter durch eine gute Betonung hervor. Wichtig ist, dass ihr miteinander Spaß habt! Prustet, plappert und blubbert gemeinsam mit eurem Säugling. So kann er die Laute der jeweiligen Sprache gut lernen. Gut geeignet sind auch Krabbel- und Kitzelverse oder Singen beim gemeinsamen Baden oder anziehen Ab etwa fünf Lebensmonaten kann man schon richtige kleine Dialoge mit dem Kind führen. Hört gut zu, wenn euer Baby auf dem Wickeltisch plappert, ahmt seine Laute nach. Dies animiert euer Kind noch mehr Laute zu produzieren, auf die ihr wiederum antworten könnt."
Sprachentwicklung im 2. und 3. Lebensjahr
Im zweiten und dritten Lebensjahr kennt die Sprachentwicklung nur noch ein Gesetz: immer schneller und immer mehr. Mit ungeheurer Geschwindigkeit wächst der Wortschatz, wobei das Verstehen dem Sprechen vorausgeht. Man geht davon aus, dass Kinder mit 24 Monaten zwischen 150 und 350 Wörter in ihrem Wortschatz haben Euer Kind ist euch bei Geschwindigkeit und Genauigkeit, mit der es neue Wörter aus dem Strom der Sprache fischt, schon ebenbürtig.
Nach den ersten Zwei- und Dreiwortsätzen, die euer Kind von sich gegeben hat, scheint seine Sprachentwicklung häufig wieder ungenauer zu werden. Was ist da los? Der scheinbare Rückfall resultiert aus der immensen Geschwindigkeit, mit der gelernt und im Gehirn "verdrahtet" wird. Typisch für Zweijährige sind auch die klassischen Kinderfehler wie der "Lufttablon" – die Silben purzeln durcheinander. Richtig wiederholen ist dann in Ordnung, rigides Korrigieren bringt hingegen nichts: Später präzisieren sich die Wörter automatisch.
Die Sprachentwicklung bei Babys und Kleinkindern richtig fördern
Dr. Anke Buschmann: "Kleinkinder mögen auch sehr gerne Bewegungslieder. Singen, sprechen und tanzen macht ihnen einfach Spaß. Damit die Kinder dabei Wörter lernen können, ist es wichtig, dass ihr etwas langsamer als sonst singt und darauf achtet, dass ihr z. B. dann „hoch“ singt, wenn die Arme auch noch oben gestreckt werden."
Nur auf PLAY drücken reicht übrigens nicht: Für die Sprachentwicklung unserer Kinder ist es wichtig, dass wir Erwachsenen dabei mitmachen, mitsingen, vorlesen, erklären und zeigen. Denn unser Kinder brauchen auch den optischen Reiz unserer Lippenbewegungen, um selbst sprechen zu lernen.
Und nur durch stetiges Wiederholen der immer gleichen Wörter lernen die Kleinen die Zusammenhänge zwischen dem, was sie sehen, und dem, was sie hören. „Es entstehen neuronale Netzwerke im Gehirn“, erklärt der Hamburger Kinder- und Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort. „Dafür ist es notwendig, alle Sinne anzuregen, weil sie auf verschiedenen Orten im Gehirn liegen. Hören, Sehen, Fühlen, Tasten, Lutschen, all dies gehört dazu, damit Kinder sich gesund entwickeln. Also sind Bilder und Musik gleichwertig mit Sprache und Bewegung.“
Hilft es die Sprachentwicklung in diesem Alter gezielt zu unterstützen? Ja, aber nicht mit teuren Lernprogrammen, sondern mit viel Austausch im Dialog, Vorlesen und Nachfragen.
Wie kann ich mein Kleinkind in seiner Sprachentwicklung unterstützen?
Dr. Anke Buschman: "Kinder lernen sehr leicht neue Wörter, wenn die Eltern bewusst darauf achten, wofür sich ihr Kind im Moment interessiert und ihm dafür die passenden Wörter liefern. D. h. wenn das einjährige Kind einen Vogel entdeckt und auf diesen zeigt, dann sollten die Eltern dies unbedingt bemerken und darauf reagieren "Da ist ein Vogel". Wenn das Kind den Vogel weiterhin interessant findet, könnten sie ergänzen "Der Vogel fliegt auf den Baum".
"Gut geeignet zum Lernen von Wörtern und Sätzen ist das gemeinsame Anschauen von Bilderbüchern. Zwei- bis Dreijährige entdecken gerne auf den Bildern sie interessierende Dinge. Lassen Sie sich dabei von Ihrem Kind leiten und benennen Sie die Dinge, auf die Ihr Kind zeigt. Hören Sie gut zu, wenn Ihr Kind etwas benennt und greifen Sie dies auf. Zum Beispiel so: Kind "Mama, da tatze tinken", Mutter "Ja, die Katze trinkt Wasser. Die Katze hat Durst."
Sprachentwicklung von Kindern im 3. und 4. Lebensjahr
Bis zu diesem Zeitpunkt haben sich Sprache und Wortschatz eures Kindes rasant entwickelt: Zum dritten Geburtstag (36 Monate) spricht ein Kind im Durchschnitt schon etwa 1.000 Wörter. Ein Jahre später (48 Monate) sind es bereits 3.000 bis 4.000. Darüber hinaus verstehen Dreijährige schon den Sinn vieler Wörter, die sie noch gar nicht aussprechen können.
Der Satzbau entsteht fast ebenso flink wie ein Fertighaus: Aus einzelnen Begriffen im zweiten Lebensjahr werden im dritten und vierten Jahr Zwei- und Mehrwortsätze. Zum vierten Geburtstag bilden einige Kinder schon mehrkettige Haupt- und Nebensätze.
Kein Grund zur Sorge, wenn euer Kind noch nicht soweit ist. Die Sprachentwicklung ist eine sehr individuelle Entwicklung und bis zum frühen Schulkind-Alter können die meisten Kinder, sofern keine Entwicklungsstörungen oder Behinderungen vorliegen, richtig sprechen.
Für dieses Alter gibt es auch schöne Gesellschaftsspiele, die eure Kinder animieren zu sprechen und vielleicht auch neue Worte zu lernen. Ab 3 Jahren eignet sich beispielsweise "Papperlapapp" von Haba. Für Kinder ab 4 Jahren eignet sich die Kinderversion Activitiy Kindergarten ganz wunderbar.
Sprachentwicklung bei Kindern = Identitätsentwicklung bei Kindern
An der Sprachentwicklung zeigt sich auch ein großer Sprung im Ich-Verständnis, denn im Laufe des dritten Lebensjahres wechselt das Kind von der dritten in die erste Person – jetzt ist es nicht mehr "Lina", die ihre Puppe begehrt, sondern "ich" bin es, die "meine" Puppe haben will.
Und ebenfalls im dritten Jahr entdecken Kinder das Zauberwort, die Frage aller Fragen, die das Tor zu so vielen Geheimnissen der Welt aufstößt: "Warum?". In dieser Zeit lernen auch wir Eltern unglaublich viel über die Welt. Wir lernen mit Hilfe unserer Kinder Dinge neu zu hinterfragen (Warum essen wir mit Messer und Gabel?) und zu entdecken (Warum gibt es den Wind?).
Vorsicht, Kind hört mit!
Sprache zu entdecken heißt auch, sie umfassend auszuprobieren. Dabei erkennen Kinder schnell, dass man mit Worten nicht nur Dinge benennen, sondern auch seine Gefühle und Bedürfnisse ausdrücken kann. Und so reden und plappern sie oft den ganzen Tag – und bringen uns damit manchmal an den Rande eines Nervenzusammenbruchs oder in peinliche Situationen: ab jetzt hört immer jemand mit, auch wenn er zu unseren Füßen völlig unbeteiligt mit Bauklötzen spielt, während wir über Onkel Willi lästern. Die Gefahr, dass beim nächsten Familientreffen von unserem Kind ein Kommentar – natürlich direkt in Anwesenheit von Onkel Willi – kommt, ist sehr, sehr hoch. Also Vorsicht!
Sprachentwicklung unserer Kinder im 5. Lebensjahr
Im Laufe des fünften Lebensjahres feilt das Kind an den letzten Feinheiten seiner Sprachentwicklung. Es kann jetzt etwa 5.000 bis 6.000 Wörter und lernt weiterhin neue dazu – was hoffentlich nie aufhören wird, schließlich lernen auch wir Eltern immer noch neue Wörter. Euer Kind baut jetzt immer komplexere Sätze und kann je nach Sprachtalent schon richtige Debatten führen (besonders wenn es etwas will).
Mit etwa fünf Jahren ist die Sprachentwicklung eurer Kinder dann im Groben abgeschlossen. Euer Kind kennt Ober- und Unterbegriffe, verschiedene Namen für einen Gegenstand, Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Jetzt heißt es darauf aufbauen – mit ganz vielen Dialogen, Spielen, Büchern, Hörspielen und täglicher Kommunikation. Sprecht mit gutem Beispiel voran!
Woran kann ich erkennen, dass mein Kind eventuell Probleme beim Sprechen lernen hat?
Dr. Anke Buschmann: "Die meisten Kinder sprechen mit zwei Jahren bereits 150 bis 350 Wörter und bilden kurze Sätze, wie "Paul Auto fahren". Oft ist die Aussprache noch nicht korrekt, sodass sie von Fremden nicht immer gut verstanden werden."
"Wenn ein Kind zum 2. Geburtstag jedoch weniger als 50 Wörter spricht und noch keine Wortkombinationen bildet, spricht man von einer verzögerten Sprachentwicklung. Kinder, die nur im Spracherwerb Probleme haben, ansonsten jedoch weitgehend altersentsprechend entwickelt sind, werden international Late Talkers genannt."
Mehrsprachige Kinder Bilinguales Aufwachsen ist übrigens kein Auslöser für eine Sprachentwicklungsverzögerung, auch wenn das Eltern, deren Kinder mehrsprachig aufwachsen öfters gesagt bekommen. Hier gibt's mehr Infos zur Mehrsprachigen Erziehung.
Was sind die häufigsten Umstände, dass ein Kind langsamer/später mit dem Sprechen dran ist?
Dr. Anke Buschmann: "Die meisten Kinder, denen das Sprechenlernen schwerer fällt als anderen, haben von Geburt an Probleme in der Verarbeitung sprachlicher Informationen. D. h. sie speichern schon im Säuglingsalter weniger Wörter und Sätze als die anderen Kinder. Auch später müssen sie ein Wort oder eine grammatische Struktur viel öfter hören, um diese korrekt anwenden zu können. Bei manchen Kindern kommen zeitweilig noch Hördefizite hinzu. Denn während einer Erkältung kann es sein, dass sich Flüssigkeit im Mittelohr ansammelt und dies beeinträchtigt das Hörvermögen."
"Kinder mit einer verzögerten Sprachentwicklung benötigen besonders viel Unterstützung, damit sie den Rückstand möglichst schnell aufholen. Im Heidelberger Elterntraining (HET) können die Eltern zum Beispiel sehr gut lernen, wie sie dies tun. Im HET werden viele Strategien vermittelt, die im Familienalltag einfach umsetzbar sind. Je früher damit begonnen wird, umso erfolgreicher ist es. Bei längerfristigen Sprachproblemen sollte das Kind zusätzlich eine Sprachtherapie erhalten.
Wann ist die Sprachentwicklung bei Kindern in etwa abgeschlossen?
Dr. Anke Buschmann: "Im Grunde genommen ist die Sprachentwicklung ja nie ganz abgeschlossen. Das ist ja auch das Schöne. Auch Erwachsene lernen ständig neue Wörter hinzu. Bis vor kurzem hatten nur wenige Menschen das Wort Pandemie im aktiven Sprachgebrauch. Heute ist das Wort in aller Munde. Im Wesentlichen ist die Sprachentwicklung jedoch tatsächlich bereits mit vier bis fünf Jahren abgeschlossen. Die Kinder kennen alle für ihren konkreten Alltag notwendigen Begriffe. Sie können alle Laute korrekt aussprechen, und sie bilden grammatisch korrekte Sätze und erste Nebensätze."
"Selbstverständlich machen die Vorschul- und auch Schulkinder noch Fehler, gerade bei schwierigen grammatischen Formen wie "Paul ist heute früh zuhause geseid (statt gewesen)" . Am meisten hilft es den Kindern, wenn Sie den Satz noch einmal in richtiger Form wiederholen. Explizites Verbessern im Sinne von "Nein, das heißt nicht geseid sondern gewesen" ist dagegen ungünstig. Denn zum einen hat sich das Kind ja angestrengt und zum anderen hört es so das fehlerhafte Wort noch einmal."
Das Heidelberger Elterntraining
Das Heidelberger Elterntraining zur frühen Sprachförderung (HET) wurde von Dr. Anke
Buschmann entwickelt und in einer wissenschaftlichen Studie auf Wirksamkeit geprüft. Eltern von ein- oder mehrsprachigen Late Talkers erfahren, wie sie ihrem Kind beim Lernen von Wörtern und Sätzen helfen können. Anhand von Videoclips lernen die Eltern konkrete Strategien und Techniken kennen, die sich hervorragend in Alltagssituationen wie Essen, Anziehen, Spielen, Aufräumen, Bücheranschauen anwenden lassen. Das HET findet in Elterngruppen oder individuell an fünf bis sieben Terminen zu je zwei Stunden statt. Es wird regelmäßig im ZEL–Heidelberg, in Sozialpädiatrischen Zentren, Frühförderstellen und logopädischen Praxen durchgeführt.
Eine Liste zertifizierter Fachkräfte in Deutschland, Österreich und in der Schweiz findet ihr hier: www.heidelberger-elterntraining.eu
Unserer Interviewpartnerin Dr. Anke Buschmann
Dr. Anke Buschmann ist Psychologin, Autorin und Referentin. Sie gründete und leitet das ZEL–Zentrum für Entwicklung und Lernen in Heidelberg. Gemeinsam mit ihrem Team ist sie Ansprechpartnerin für Eltern, die sich um die Entwicklung, insbesondere die Sprachentwicklung ihres Kindes sorgen. Pädagogische und therapeutische Fachkräfte finden ein umfassendes Fortbildungsangebot im ZEL.
Quellen: Praxis für Sprachtherapie Birgit Lange, Deutscher Bundesverband für Logopädie e.V.