Die glücklichsten Kinder sollen in Dänemark leben. Da fragen wir uns natürlich: Was läuft dort anders? Wir verraten euch sechs wunderbare Erziehungprinzipien dänischer Eltern.
Die "glücklichsten Menschen Europas"
Das Glück ist im Norden zu Hause! Der "World Happiness Report" zeigt es immer wieder aufs Neue: Die Dänen gehören zu den glücklichsten Menschen in Europa. Da wollen wir unbedingt wissen: Was machen die Dänen anders als wir? Jessica Joelle Alexander und Iben Dissing Sandahl glauben, dass das Geheimnis des dänischen Glücks in der Kindererziehung liegt. In ihrem Buch "Warum dänische Kinder glücklicher und ausgeglichener sind" verraten sie das Geheimnis der glücklichsten Familien.
Was funktioniert in Dänemark besser als anderswo?
„Es gibt ein paar Dinge bei uns, die gut funktionieren, zum Beispiel das freie Spiel, von dem im Buch die Rede ist. Auch unsere Art, mit negativen Erfahrungen umzugehen und immer auch die andere Seite zu betrachten. Unsere Authentizität. Manche Dänen würden sich wahrscheinlich nicht so beschreiben, trotzdem ist der Ansatz im weitesten Sinne dänisch“, so fasst die dänische Psychotherapeutin Iben Dissing Sandahl das Glücksgeheimnis der Dänen gegenüber dem Tagesspiegel zusammen.
Die sechs grundlegenden Prinzipien dänischer Erziehung
Die beiden Autorinnen (Jessica Joelle Alexander ist amerikanische Kolumnistin und Mutter, sie hat einen dänischen Ehemann; Iben Dissing Sandahl ist Psychotherapeutin und Familienberaterin, sie lebt in der Nähe von Kopenhagen) bringen die Erziehungsgeheimnisse der Dänen in Form von sechs Prinzipien auf den Punkt: G-L-U-E-C-K. Ihre Formel steht für:
- Gutes Spiel
- Lernorientierung
- Umdeuten
- Empathie
- Coolbleiben und
- Kuscheliges Zusammensein.
1. G-utes Spielen
Das bedeutet: Freies Spielen, bei dem die Kinder sich selbst überlassen sind, ist wichtig!
In Deutschland schwingt bei der Erziehung immer auch gleichzeitig eine Portion Ehrgeiz mit: Wir wollen, dass unsere Kinder überall vorne mit dabei sind. Wir freuen uns, wenn sie schon im Kindergarten rechnen können. Wir sorgen gerne dafür, dass sie an den Nachmittagen etwas "Sinnvolles" machen, dass es ein Programm gibt. Schwimmen, Kunstturnen oder Frühes Forschen. Freies Spielen steht oft nicht auf dem Stundenplan, den wir für unsere Kinder planen.
Die Dänen machen es anders: Bei ihnen steht das ganz "altmodische Spielen", bei dem sich Kinder unterschiedlichen Alters zusammentun, um ihrer Fantasie und Kreativität freien Lauf zu lassen, hoch im Kurs. Jessica Joelle Alexander und Iben Dissing Sandahl erklären: „Wir meinen ein 'Spielen', bei dem die Kinder – allein oder mit einem Freund – sich selbst überlassen sind und genau so spielen, wie sie es wollen und solange sie wollen." Dänische Eltern mischen sich weniger ein und drängen ihre Kinder nicht, bestimmte Dinge zu lernen. Kinder dürfen und sollen selbst ihre Erfahrungen machen.
Für uns Nicht-Dänen bedeutet das, dass wir uns von dem schlechten Gewissen, das wir haben, wenn wir unsere Kinder nicht bespaßen und ihnen keinen Input liefern, schleunigst verabschieden sollten. Wenn wir uns dann noch so wenig wie möglich einmischen und unseren Kindern vertrauen, sind wir auf einem guten Weg, dem Glück ein bisschen näher zu kommen.
Was bringt "G-utes Spielen"? Je mehr Kinder frei spielen, desto besser können sie später mit Stress umgehen, das haben Studien gezeigt. Diese Kinder sind weniger ängstlich und sie lernen früh, mit Frustrationen umzugehen. „Wir wissen inzwischen, dass Resilienz Ängste und Depressionen verhindert, und die Dänen fördern diese Fähigkeit schon seit langem bei ihren Kindern, indem sie sie häufig frei spielen lassen", so die beiden Autorinnen in ihrem Buch.
2 . L-ernorientierung
Das bedeutet: Kinder brauchen von ihren Eltern emotionale Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit.
Dieser Punkt basiert auf der Authentizität der Eltern, so Alexander und Sandahl: „Durch die Authentizität der Erwachsenen lernen Kinder, mutig sich selbst und anderen treu zu bleiben." Je früher Kinder lernen, ihre eigenen Gefühle wahrzunehmen, umso besser. Bei den Dänen fällt auf, dass sie mit Lob eher zurückhaltend sind. Wo bei uns permanent und alles gelobt wird, sind Eltern in Dänemark sehr bemüht, richtig zu loben: Bei guten Schulnoten loben sie das Kind nicht für seine Intelligenz, sondern dafür, wie sehr es sich bemüht hat, erfolgreich zu sein. Denn das ist der Punkt, den das Kind selbst beeinflussen kann und der es dann auch motiviert, sich weiterhin anzustrengen. Standard-Lob macht keinen Sinn.
Die Autorinnen empfehlen Eltern, häufiger Geschichten aus der eigenen Kindheit oder auch aus ihrem Alltag zu erzählen und zu berichten, wie sie sich in der Situation gefühlt haben. Ihr zweiter Tipp: Emotionale Geschichten vorlesen, und zwar nicht nur welche mit Happy End. Wählen Sie ruhig auch mal ein schwieriges Thema, eine traurige Geschichte als Vorleselektüre, Kinder lernen daraus mehr als aus seichten Geschichten mit vorhersehbarem Happy End.
Was bringt "L-ernorientierung"? Durch Authentizität in der Erziehung wird die innere Sicherheit und Resilienz gefördert.
3. U-mdeuten
Das meint eine Art realistischen Optimismus.
Situationen sollen nach Bedarf umgedeutet werden, der Fokus soll auf das Positive gelenkt werden. Paradebeispiel: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung. Und das Glas ist bei den Dänen halb voll – und nicht halb leer.
Ob etwas schlecht oder gut ist, hängt nicht selten von der Perspektive ab. Die Dänen sind Meister darin, das Positive in den Mittelpunkt zu stellen - und zwar ohne die Dinge schön zu reden. Sie behalten gleichzeitig auch die andere (weniger schöne) Seite im Blick, thematisieren diese aber nicht als erstes. Für die Kindererziehung bedeutet das: Wir zeigen unseren Kindern, was sie schon alles können – und reden nicht über das, was sie noch lernen müssen. Den Dänen ist dabei eine unterstützende Sprache wichtig, „die den Kindern hilft, die Gründe für ihre Gefühle und Verhaltensweisen zu verstehen, statt ihnen vorzuschreiben, wie sie sich fühlen oder nicht fühlen sollten".
Der erste Schritt für uns Eltern lautet: Wagen wir doch mal den Versuch, weniger negativ zu denken und weniger Negatives auszusprechen!
Was bringt "U-mdeuten"? Wenn wir selbst weniger negativ denken und sprechen, geben wir das direkt an unsere Kinder weiter und helfen ihnen, besser mit den Höhen und Tiefen des Lebens klarzukommen.
4. E-mpathie
Das bedeutet, dass Eltern die Gefühle ihrer Kinder und anderer Menschen anerkennen und sie nicht werten.
Jeder hat das Wort schon mal gehört, was sich dahinter verbirgt, ist aber nicht jedem klar. Empathie meint die Fähigkeit, die Gefühle anderer zu erkennen und zu verstehen, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen und mit ihm zu fühlen.
In Dänemark hat es die Empathie sogar auf die Stundenpläne der Kindergärten und Schulen geschafft: Für jede Altersstufe gibt es diverse Programme, die den Kindern zeigen, wie man die eigenen Gefühle und die anderer Menschen erkennt und in Worte fasst. Ein ganz wichtiges Learning ist hier: Wir beurteilen die Gefühle nicht, sondern akzeptieren sie wie sie sind. „Kinder, denen ständig gesagt wird, was sie zu fühlen und wie sie sich zu verhalten haben, entwickeln sich nicht auf dieselbe Weise wie diejenigen, die ihr gesamtes Gefühlsspektrum ausdrücken dürfen."
Im Alltag bedeutet das: Eltern sind für ihre Kinder die Hauptvorbilder. Ihre Aufgabe ist es, ihnen vorzuleben, wie man Gefühle bei anderen wahrnimmt, wie man die eigenen erkennt und in Worte fasst und wie man Gefühle akzeptiert. Kinder ahmen ihre Eltern nach – das sollten Eltern unbedingt nutzen und mit gutem Beispiel vorangehen und viel über Gefühle sprechen. Dazu zählt, regelmäßig auf die guten Seiten andere Kinder hinzuweisen ("Das war sehr nett von Anton, findest du nicht?") und sich mit negativen Äußerungen zurückzuhalten. Besser ist hier immer der Versuch, das Verhalten anderer zu erklären.
Ein Tipp, der sich leicht umsetzen lässt: Vorlesen erhöht das Empathie-Vermögen – dabei dürfen auch ruhig weniger fröhliche Bücher zur Hand genommen werden.
Was bringt "E-mpathie"? Wer mit Empathie durchs Leben geht, kann andere Menschen besser verstehen. „Das fördert unsere Verbundenheit mit anderen, lässt uns leichter verzeihen und macht uns glücklicher“, fassen die Autorinnen zusammen.
Übrigens: Durch Überbehütung kann die Empathie-Entwicklung von Kindern beeinträchtigt werden, das en wissenschaftliche Studien.
5. C-ool bleiben
Das bedeutet, sich nicht auf Machtkämpfe mit den Kindern einzulassen, sondern cool zu bleiben und seine Kinder respektvoll zu erziehen.
Das Geheimnis der Dänen: Sie haben einen sehr demokratischen und respektvollen Erziehungsstil. „Ein Haushalt, in dem viel herumgebrüllt wird, ist in Dänemark in der Tat sehr selten", weiß Sandahl aus eigener Erfahrung. Ein autoritärer Erziehungsstil, bei dem Vertrauen und Nähe durch Angst ersetzt werden, ist hier relativ unbekannt. „Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Bestimmtheit und Angst: Wenn Angst herrscht, kennt das Kind nicht immer den eigentlichen Grund dafür, dass es etwas nicht tun sollte; es will einfach nur vermeiden, verletzt oder angeschrien zu werden. Dadurch wird das Kern-Selbst nicht gefördert. Ein starkes Kern-Selbst basiert auf der Möglichkeit, zu fragen und zu verstehen, was Regeln sind und warum sie existieren, und sie dann zu verinnerlichen und wertzuschätzen."
Im Schulalltag in Dänemark heißt dass, dass mehr Zeit und Energie darauf verwendet wird, sich zu überlegen, wie man Probleme vermeiden kann, statt darauf, wie man Kinder bestrafen kann. Ein Grundsatz, der sich auch leicht auf den Familienalltag in den eigenen vier Wänden übertragen lässt. Hilfreich ist hier die dänische Annahme, dass Kinder von Natur aus gut sind, es liegt in ihrem Naturell, Grenzen und Regeln auszutesten, um sich weiter zu entwickeln.
Was bring „C-ool bleiben“? Ein demokratischer Erziehungsstil fördert Vertrauen und Resilienz.
6. K-uscheliges Zusammensein (hygge)
Das bedeutet: Die ganze Familie ist ein Team, mit dem man viel schöne Zeit verbringt.
Für die Dänen gehört Hygge zu ihrem Lebenstil dazu. Hygge meint so viel wie gemütliches Beisammensein mit der Familie und Freunden, zusammen kuscheln, gemeinsam essen, etwas unternehmen und enge Beziehungen pflegen. Und die Wissenschaft gibt den Nordeuropäern Recht: Etliche Studien zeigen, dass die Zeit, die man mit Freunden und der Familie in angenehmer Atmosphäre verbringt, äußerst wertvoll ist.
Wenn man das Hygge-Prinzip in den Familienalltag integrieren möchte, bedeutet das im ersten Schritt: Viel Zeit für gemeinsame Aktivitäten einplanen – und die Momente des Zusammenseins genießen! Es heißt aber auch, persönliche Bedürfnisse hinten an zu stellen und das Wohl der Gruppe zu priorisieren. Ganz wichtig dabei ist, dass schon ganz kleine Kinder Teamarbeit lernen. Wie wäre es mal mit einer gemeinsamen Putz- oder Koch-Aktion?
Hygge wird in Dänemark aber auch über den engen Familienkreis hinaus gelebt: So ist es hier beispielsweise Aufgabe der Hebamme, frisch gebackene Mütter nach der Geburt zu vernetzen, damit sich die Neu-Mamas austauschen und gegenseitig unterstützen können.
"Warum dänische Kinder glücklicher und ausgeglichener sind"
Eines vorneweg: Die Autorin dieses Artikels ist kein großer Fan von Erziehungsratgebern ... Diesen hat sie aber regelrecht verschlungen. Denn der auf der G-L-U-E-C-K-Formel basierende Ansatz sorgt nicht nur für glückliche Kinder, sondern auch für entspanntere Eltern. Die Beispiele stammen allesamt aus dem wahren Leben, und es ist leicht nachvollziehbar, wie man sie daheim selbst umsetzen und ihn den eigenen Familienalltag integrieren kann. Beim Lesen wird klar: Ganz viele Dinge machen wir intuitiv schon ziemlich richtig. Aber das Wissen um die Richtigkeit ermuntert uns, diese Prinzipien noch viel öfter umzusetzen. Dazu muss man gar nicht alles von heute auf morgen anders machen – man muss nur einfach den Fokus ein bisschen verschieben.
Prädikat: Unbedingt lesen – und auch dem Partner weiter geben!
Website der beiden Autorinnen: https://thedanishway.com