Die Debatte um G8 oder G9 reißt nicht ab. Im Gegenteil: Durch die Rückkehr vieler Bundesländer zum neunjährigen Gymnasium stehen Eltern und Kinder vor der Qual der Wahl. Um euch bei dieser schwierigen Entscheidung zu unterstützen, haben wir mit einem Experten gesprochen und gefragt: Für wen passt das Turbo-Abi eigentlich besonders gut und welche Schüler*innen fahren besser mit 9 Jahren Gymnasium?
Florian Gantner ist Beratungslehrer in Baden-Württemberg und unterstützt unter anderem Kinder und Eltern bei der Frage, wie es nach der Grundschulzeit weitergeht. Auch die Entscheidung zwischen G8 oder G9 ist da immer wieder Thema. Aus seiner langjährigen Erfahrung heraus und als Papa eines Schulkindes hat Florian Gantner diese ersten Empfehlungen für uns formuliert:
Diese 3 Fähigkeiten braucht euer Kind für G8
- Eine hohe intrinsische Motivation, das bedeutet euer Kind möchte alles ganz genau verstehen, ist vielseitig interessiert und sein Wissensdurst lässt sich kaum stoppen.
- Euer Kind hat eine enorm schnelle Auffassungsgabe.
- Euer Kind hat eine weit überdurchschnittliche allgemeine Begabung.
Diese 3 Fähigkeiten eures Kindes sprechen für G9
- Euer Kind hat eine soziale Ader, ist ehrenamtlich und/oder im Verein engagiert (hier stößt man bei G8 an zeitliche Grenzen).
- Euer Kind vertieft gerne Themen und möchte sich umfassend damit auseinandersetzen (auch hier fehlt oft die Zeit bei G8).
- Euer Kind hat eine überdurchschnittliche allgemeine Begabung.
Der Experte weiß aber natürlich auch, dass jedes Kind individuell ist und sich Schulkarrieren nur schwer vorhersagen lassen:
Grundsätzlich ist eine gute schulische Entscheidung mit einem Korridor von etwa 2 Jahren versehen. Alles weitere hängt von vielen, auch äußeren Entwicklungen ab.
Diese Erfahrung musste der Familienvater auch bei seiner eigenen Tochter machen. Sie wird jetzt mit Ende der 10. Klasse im G8-Zug auf ein berufliches Gymnasium wechseln. „Wir machen das, um unserer Tochter mehr Zeit zu geben. Und das, obwohl es am Ende ihrer Grundschulzeit für alle Beteiligten unstrittig war, dass sie für G8 geeignet ist."
Was dieses Beispiel zeigt, ist aber auch, dass keine Entscheidung über die schulische Laufbahn in Stein gemeißelt ist. Beratung und Neuorientierung sind immer möglich und das ist doch auch ein beruhigendes Gefühl für Eltern.
Dazu Florian Gantner: "Eine erste Anlaufstelle bei Schulschwierigkeiten, egal in welcher Schulart, sind wir Beratungslehrkräfte. Die Schullaufbahnberatung ist eines unserer Kernaufgaben. Die Beratung ist kostenfrei, vertraulich und geht ganz individuell von der Ausgangslage des Kindes und der Familie aus. Beratungslehrkräfte beraten ergebnisoffen und begleiten Entscheidungsprozesse der Klient*innen. Auch diagnostische Tests können eine Entscheidungshilfe sein."
Leider gibt es Beratunslehrer*innen nicht in allen Bundesländern. Eine Alternative kann dann die zuständige schulpsychologische Beratungsstelle sein, die weitere Kontakte rund um die Schullaufbahnberatung herstellt.
Was ist G8 und G9?
G8 hat sich als Synonym für eine zwölfjährige Schulzeit bis zum Abitur etabliert. G8-Kinder machen also nach 8 Jahren auf dem Gymnasium ihr Abitur. G9 wiederum steht für eine neunjährige Gymnasialzeit bis zum Abi. Die Lerninhalte bleiben dabei für beide Züge die gleichen.
Das sogenannte Turbo-Abitur war das Ergebnis einer Schulreform an Gymnasien in Deutschland und geht auf ökonomische Überlegungen der OECD, der Bertelsmann-Stiftung und anderen Institutionen zurück.
Welche Bundesländer haben G8 oder G9?
Ganz verkürzt kann man sagen, dass nach der Schulreform an Gymnasien viele westliche Bundesländer wieder zum G9-System zurückgekehrt sind – darunter auch Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Hamburg, Bremen und die ostdeutschen Länder halten (eher) an G8 fest. Es gibt aber fast überall (noch) Mischformen in Form von Modellschulen oder Ausnahmeregelungen.
Egal ob G8 oder G9: Schüler*innen müssen ein enormes Lernpensum absolvieren. Eine willkommene Abwechslung können da Lern-Apps sein. Unsere 5 Favoriten stellen wir euch in diesem Video vor:
