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Mit Expertenwissen

Wie ihr Depressionen bei euren Kindern erkennen könnt und wann ihr handeln solltet

Depressionen bei Kindern

Schwere Depressionen bei Kindern sind eher selten. Wie können wir Eltern besser verstehen, ob unser Kind einfach mal nur sehr traurig ist und eine dunkle Phase hat oder das eine klinische Depression sein könnte? Wir haben eine Psychotherapeutin befragt, wie wir eine beginnende Depression erkennen und was wir dann tun sollten.

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Wie die Coronapandemie psychische Erkrankungen bei Kindern förderte

Die Coronakrise hat 2020 das Leben von uns allen verändert. Durch die Kontaktbeschränkungen, Schul- und Kitaschließungen und gleichzeitiges Homeoffice waren die meisten Familien am Limit. Nicht nur wir Eltern waren mit der Situation vollkommen überfordert, vor allem unsere Kinder litten darunter mitunter am meisten. Schlaf- und Angststörungen, Essstörungen und depressive Verstimmungen stiegen damals unter Kindern und Jugendlichen rasant an, wie man in einer Copsy-Langzeitstudie der Uniklinik Hamburg nachlesen konnte. Viele Familien wussten nicht, wie sie ihren Kindern in der Situation helfen können und waren einfach überfordert.

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"Bei der Entstehung von psychischen Erkrankungen treffen akute oder chronische Stressoren auf eine sich im Menschen befindliche Veranlagung. Die Corona-Pandemie entwickelte sich zu solch chronischem Stressfaktor. Dazu immer wieder akute Ereignisse, die in den Kindern Hilflosigkeit hervorriefen. So freute sich ein Junge beispielsweise, dass seine Geburtstagsparty nach dem Lockdownende stattfinden würde und lud schon seine Freunde ein. Doch dann wurden die Lockdownmaßnahmen verlängert und er musste die Party kurzfristig absagen, was ihn verzweifeln ließ. Das Erleben von Hilflosigkeit gilt als ein wichtiger Auslöser von Depressionen."
Ulrike Schneider-Schmid, Psychotherapeutin in Berlin

Nicht jedes Kind muss in so einer Krisensituation eine Depression oder Angststörung entwickeln. Viele können mit Krisen auch gut umgehen, so die praktizierende Psychotherapeutin Ulrike Schneider-Schmid. Es kommt immer auf die familiäre Situation an und wie resilient die Kinder und Eltern sind. Sie berichtet, dass vor allem während des Lockdowns 2020 ihr Postfach explodierte und sie sich vor Anfragen kaum retten konnte:

"So eine Welle an Hilferufen habe ich bis dato noch nicht erlebt. Wenn die Anfragen für Jungs kamen, berichteten die Eltern häufig von Selbstmordgedanken, z.B. wegen der Überforderung durch die sich immer weiter auftürmenden Arbeitsblätter für das Homeschooling und einen durcheinander gekommenen Tag-Nacht-Rhythmus. Eltern von Mädchen erzählten meist, dass ihre Töchter Essstörungen bekommen hätten, meist Magersucht (Anorexia nervosa). Viele Mädels kompensierten die fehlende Schule mit Diäten, so konnten sie ihren gewohnten Leistungsanspruch weiterführen und sich in dieser Zeit voller kollektiver Hilflosigkeit wenigstens ein bisschen in Kontrolle fühlen."

Ulrike Schneider-Schmid ist selbst dreifache Mutter und behandelt in ihrer Berliner Praxis verhaltenstherapeutisch vor allem Patient*innen bei Angststörungen, Depressionen und Essstörungen mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. Sie verrät uns, dass in so einer Ausnahmesituation häufig psychische Erkrankungen ans Licht treten. Das ist jedoch nicht immer so. Eine solche Erkrankung verläuft sehr individuell. Damals waren die äußeren Ereignisse häufig der Auslöser oder Verstärker psychischer Erkrankungen, es gibt jedoch viele weitere Ursachen und Faktoren.

Depressive Verstimmungen und ihre typischen Symptome

Als Eltern möchte man, dass es dem eigenen Kind gut geht und es fröhlich ist. Das hängt aber auch mit dem Charakter zusammen, manche Kinder sind stiller, introvertierter und ernster als andere – vielleicht sogar hochsensibel. Noch dazu ist es ganz normal, dass ein Kind nicht jeden Tag immer nur ausgelassen ist. Die Psychotherapeutin bestätigt, dass es nicht leicht ist, Depressionen bei Kindern eindeutig von einer normalen vorübergehenden traurigen Phase zu unterscheiden. Doch es gäbe definitiv bestimmte Kriterien, die die Psychologie da unterscheidet.

Von einer depressiven Episode spricht man, wenn folgende Hauptsymptome länger als zwei Wochen anhalten:

  • gedrückte Stimmung
  • Freudlosigkeit
  • Interessenverlust
  • reduzierte Aktivität
  • erhöhte Ermüdbarkeit

Häufige begleitende Nebensymptome:

  • Konzentrationsstörungen
  • vermindertes Selbstwertgefühl
  • Schuldgefühle
  • Denkstörungen
  • negative Sicht auf die Zukunft
  • Schlafstörungen
  • Appetitveränderungen
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Je nachdem, wie viele der Symptome vorhanden sind, teilt der behandelnde Arzt oder die Ärztin die Erkrankung dann in eine leichte, mittelgradige oder schwere Depression ein. Eine erste Einschätzung könnt ihr in einem Selbsttest der Deutschen Depressionshilfe bekommen. Das ersetzt jedoch keinesfalls die Diagnose eines Arztes. Ob euer Kind im klinischen Sinne depressiv ist, kann nur eine Psychotherapeutin oder ein Psychiater nach einer persönlichen Anamnese diagnostizieren.

Wie häufig sind Depressionen bei Kindern?

"Eine Depression kann man ab dem Alter von 3 Jahren diagnostizieren. Dennoch gibt es auch Kinder, die vorher schon Symptome zeigen. Sie sind jedoch sehr schwer einzuordnen, oft weiß man erst im Nachhinein was los war. Etwa 2-4 % aller Kinder zeigen klinisch relevante Depressionssymptome, bei Jugendlichen sind es 6-8 % (für Deutschalnd). Es zeigt sich ein sprunghafter Anstieg mit 13 Jahren. Bei Kindern sind es mehr Jungs, bei Jugendlichen dann mehr Mädchen, die sich mit Depressionen bei den Psychotherapeuten melden."
Ulrike Schneider-Schmid

Depressionen bei Kindern erkennen

Auch Kitakinder können schon Depressionen entwickeln. Das ist wie gesagt selten, aber möglich. Die Anzeichen sind hier noch schwieriger zu deuten. Sie variieren stark je nach Alter. Die Psychotherapeutin nennt beispielhaft einige typische Verhaltensweisen, auf die ihr achten könnt, wenn sie gehäuft über mehrere Wochen auftreten.

Bei Kleinkindern (1-3 Jahre)

Die Unterscheidung zwischen einer körperlichen oder seelischen Erkrankung ist in diesem frühen Alter sehr schwierig. Kinder, die so früh schon depressiv sind, schreien häufig viel, sind unruhig und eher passiv und weinen häufig unvermittelt. Sie sind spielerisch eher weniger kreativ und fantasielos als andere Kleinkinder. Auch plötzliche Essverweigerung oder verändertes Essverhalten wie auch Schlafstörungen können Anzeichen sein.

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Bei Kitakindern (3-6 Jahre)

Kinder in dem Alter sind häufig sehr traurig und eher zurückgezogen oder passiv. Sie können starke Stimmungsschwankungen haben, sehr reizbar und irritierbar sein und haben häufig eine geringere Frustrationstoleranz. Es kann dazu kommen, dass sie wieder Windeln brauchen, obwohl sie schon trocken sind und andere Entwicklungsrückstände in den Bewegungen oder sprachlich zeigen. Auch Einschlafprobleme, Essstörungen oder häufige Albträume können auftreten.

Bei Grundschulkindern (6-12 Jahre)

Schulkinder, die depressiv sind, weinen oft viel und sind sehr trotzig und abwehrend. Sie haben wenig Antrieb und sind eher lustlos, daher ziehen sie sich sozial oft zurück. Sie machen sich viele Sorgen und erste Suizidgedanken oder -anzeichen können in diesem Alter auftreten (Alarmsignal!). Die schulische Leistung fällt vielleicht ab und sie können Konzentrationsstörungen entwickeln. Körperlich zeigen sie oft ebenfalls regressive Verhaltensweisen, d.h. sie verfallen wieder in ein Kleinkindverhalten. Auch psychosomatische Phänomene wie "Bauchschmerzen" werden häufig genannt, um nicht zur Schule zu müssen. Die Symptome sind häufig körperlich sichtbar, werden aber zunächst nicht als psychische wahrgenommen.

Bei Jugendlichen (12- 18 Jahre)

Teenager mit depressiven Verstimmungen sind oft teilnahmslos, wütend oder verzweifelt oder sehr traurig. Die Stimmung kann stark schwanken und sie ziehen sich häufig sehr von allen sozialen Kontakten zurück und verweigern alles. Häufig zeigen sich Leistungseinbrüche in der Schule und es kann auch zu Selbstverletzungen oder Selbstmordgedanken kommen, die ihr unbedingt ernst nehmen müsst. Körperlich können Schlaf- oder Essstörungen wie auch psychosomatische Probleme dazukommen. Typisch ist das Morgentief: Morgens sind all jene Symptome am deutlichsten.

Nur weil euer Kind kurzfristig manche dieser Verhaltensweisen zeigt, heißt es noch nicht, dass es depressiv ist. Ihr solltet jedoch aufmerksam sein, wenn sich vieles davon über einen längeren Zeitraum häuft oder dieses Verhalten stark wechselt.

Die Psychotherapeutin merkt an, dass es sich auch um eine bipolare Störung handeln könnte: "Dann wechseln sich die depressiven Phasen mit manischen Phasen ab. Wie bei einer Wippe schwingt die Stimmung im Verlauf mehrerer Wochen oder Monate komplett um, von z.B. tieftraurig und müde zu euphorisch und hyperaktiv und wieder zurück." Jegliche Äußerungen in Richtung Selbstmord solltet ihr immer ernst nehmen.

Ursachen und Auslöser von Depressionen bei Kindern

Auslöser von Depressionen sind oft mehrere Faktoren. Das können biologische, psychologische und soziale Aspekte sein.

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  • biologische Auslöser: Manche Eltern vererben eine Veranlagung zu psychischen Erkrankungen, genauso wie sie die Augenfarbe vererben. Ein Risikofaktor kann z.B. eine erhöhte Stressempfindlichkeit sein, die sich genetisch weitervererbt. Im Teenageralter kommen die hormonellen Veränderungen der Pubertät hinzu, die laut Ulrike Schneider-Schmid vor allem für Mädchen eine sehr sensible Phase darstellen.
  • psychologische Auslöser: Auf der psychologischen Ebene können auch ungünstige Denk-Angewohnheiten für eine Depression mitverantwortlich sein. Entweder verarbeiten diese Kinder Alltagserlebnisse weniger gut oder bewerten sie ausschließlich negativ. Sie geben sich selbst z.B. immer die Schuld, wenn etwas Doofes passiert und sehen gar nicht all die anderen möglichen Ursachen: "Viele depressive Kinder besitzen auch noch keine günstigen Strategien, um ihre Gefühle zu regulieren oder ihre Probleme zu lösen. Dies kann man aber lernen.", so die Psychotherapeutin.
  • soziale Auslöser: Sozial gesehen haben auch familiäre und freundschaftliche Beziehungen großen Einfluss und können Depressionen triggern. Hier kommen Bindungsprobleme im Kleinkindalter hinzu und die Qualität der Bindung von Eltern und Baby oder Kleinkind. Auch die bekannten Faktoren wie Gewalt, Missbrauch, Armut oder eine psychische Erkrankung eines Familienmitglieds können ursächlich sein. Ebenso kann ein kritisches Lebensereignis wie der Tod eines Familienmitglieds, Scheidung, Umzug, Mobbing in der Schule oder Ähnliches das Kind überfordern und diese Erkrankung auslösen oder verstärken. Die Therapeutin betont hier, dass all diese Ereignisse Faktoren sein können, müssen es aber auch nicht. Natürlich führe nicht jeder Umzug, jede elterliche Trennung oder starke Trauer zu einer Depression. Da spielen viele weitere Faktoren und das soziale Umfeld eine große Rolle.

Wie wir als Eltern am besten reagieren ...

Die ersten Anzeichen zu erkennen, ist schon mal der erste Schritt. Wie reagieren wir dann am besten darauf, um das Kind nicht zu überfordern oder abzustempeln? Ulrike Schneider-Schmid sagt da ganz klar: "Im Alltag Liebe zeigen!" Wir sollten viel sprechen, gut zuhören und Anerkennung geben. Besonders wichtig sei körperliche Zuwendung dort, wo sie akzeptiert wird und offene liebevolle Kommunikation. Selbst für Teenager seien Umarmungen noch wichtig, auch wenn sie dies im ersten Moment oft ablehnen. Das Angebot von Kuscheleinheiten und Gesprächen sollte sichtbar sein. Da Depressionen häufig mit Ängsten einhergehen, können wir versuchen, dem Kind die Ängste zu nehmen und ihm zu helfen, sich sicher und geborgen zu fühlen.

Über unaussprechliche Gefühle könnt ihr z.B. über Bücher in Kontakt kommen. Hier ein paar Tipps von Ulrike-Schneider Schmid:

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... und was nicht hilfreich ist

Die Psychotherapeutin nennt "eine typische Falle", in die Eltern tappen können: Wer mit autoritärer Strenge und Strafe auf depressives Verhalten reagieren würde, wird dem Kind nicht helfen, sondern alles nur verschlimmern. Manche Kinder zeigen ihre depressive Episode zunächst nicht in Trauer, sondern Aggression, entweder gegen sich selbst oder gegen andere. Wer das Kind dann straft, wird nur noch mehr Widerstand ernten. Es ist wichtig, dass wir die Gefühle des Kindes ernst nehmen, wie schockierend oder unpassend sie uns auch erscheinen mögen. Wir dürfen unserem Nachwuchs nicht die eigenen Gefühle absprechen.

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Alarmsignal Selbstmordgedanken

Die erfahrene Therapeutin hat einen Appell an uns Eltern: Wir müssen offen über jegliche Art von Selbstmordgedanken sprechen. Ihrer Erfahrung nach haben Eltern Angst, dass sie das Thema "herbeireden" würden, wenn sie es ansprechen, doch das Gegenteil sei häufig der Fall – die Kinder und Jugendlichen fühlen sich gesehen und sind eher erleichtert, darüber sprechen zu dürfen.

"Meine Bitte an die Eltern: Nehmt euer Kind ernst, wenn es von Selbstmordgedanken spricht! Denkt euch nicht, dass es sich schon nicht umbringen wird, weil es doch noch ein Kind ist. Immer wieder nehmen sich auch schon Kinder das Leben. In Deutschland ist Suizid die zweithäufigste Todesursache bei unter 18-Jährigen. Wir beschützen unsere Kids vor so vielem, setzen ihnen Fahrradhelme auf und legen ihnen Smartwatches mit Ortungsdienst an. Es ist jedoch viel wahrscheinlicher, dass ein Kind Selbstmordgedanken hat, als dass es von einem Sexualstraftäter im Park mitgenommen oder von einem Auto überfahren wird."
Ulrike Schneider-Schmid

Wenn euer Kind Selbstmordgedanken äußert oder sich selbst verletzt, ist das ein akutes Signal. Bei der deutschen Depressionshilfe findet ihr ermutigende Worte und Erste Hilfe, wie ihr mit suizidalen Angehörigen umgehen könnt. Ihr könnt dort völlig anonym anrufen und eure Sorgen schildern. Vertraut euch in jedem Fall jemandem an, denn ihr seid nicht allein mit eurer Überforderung!

Die richtige Behandlung und einen Therapieplatz finden

Je früher desto besser

Laut der Expertin können depressive Erkrankungen, die sehr früh in der Kindheit beginnen, später häufig chronisch werden. Dann können sich immer wieder mal im Leben depressive Phasen zeigen. Daher ist es wichtig, dass die Kinder früh behandelt werden und es zu einer therapeutischen Intervention kommt. Ulrike Schneider-Schmid empfiehlt uns Eltern das 2-Wochen-Kriterium als Orientierung: Wenn eine starke Traurigkeit, Ängste, Wut oder Aggression ohne eindeutige Ursache länger als zwei Wochen andauern, solle man bereits erste Schritte unternehmen. Denn leider ist der Weg bis zu einem Therapieplatz und Therapiebeginn oft mühselig.

Erste Schritte zur Behandlung

  1. Den Kinderarzt bzw. die Kinderärztin aufsuchen und die Symptome schildern: Er wird schauen, ob es auch körperliche Ursachen gibt und ein Vitamin-D-Mangel oder eine Schilddrüsenerkrankung vorliegt. Das ist häufig Voraussetzung für eine Psychotherapie. Der Arzt kann meist auch Kinder- und/oder Jugendpsychiater empfehlen, mit denen er zusammenarbeitet. Fragt direkt danach und recherchiert parallel selber. Die Wartezeiten sind unglaublich lang und akute Hilfe ist knapp.
  2. Kinder- und Jugendpsychotherapeuten finden: Entweder ihr ruft den Terminservice der 116117 an und fragt nach einem Erstgesprächstermin bei einem entsprechenden Facharzt. Oder ihr nutzt die Homepage der gesetzlichen Krankenkassen für die Suche nach regionalen Fachärzten und -ärztinnen, wie z.B. die Website für Berlin. Alternativ könnt ihr auch über die DPtV gehen.
  3. Erstgespräch bei Psychiater oder Psychotherapeut: Ihr solltet die Unterschiede der Ärzte kennen: Ein Psychiater kann eine Diagnose erstellen und Medikamente verschreiben, macht aber häufig keine Therapie. Der Psychotherapeut darf keine Medikamente verschreiben, sondern beginnt eine Verhaltenstherapie mit wöchentlichen Sitzungen. Es sollte in jedem Fall ein*e auf Kinder- und Jugendliche spezialisierte*r Fachmann oder Fachfrau sein. Übrigens: Nicht immer hat derjenige, bei dem man das Erstgespräch hat, auch freie Therapieplätze! Er wird einen dann im Zweifel weiterempfehlen oder ihr müsst weiter suchen bzw. euch nochmal bei eurer Krankenkasse melden.
  4. Die Finanzierung: Wenn ihr einen freien Therapieplatz gefunden habt (leider dauert das inzwischen oft mehrere Monate, es sei denn, es ist ein akuter schwerer Fall mit lebensbedrohlichem Verhalten), bleibt die Frage, wer die Therapie bezahlt. Als Kassenpatient bekommt ihr diese nach einer gestellten Diagnose finanziert, wenn derjenige Arzt mit den Krankenkassen zusammen arbeitet. Diese Krankenkassenplätze sind sehr rar, daher erhält man als Privatpatient meist immer schneller einen Platz. Wenn eure Krankenkasse euren Platz erstmal nicht finanzieren kann, könnt ihr diesen zunächst selbst zahlen und dann später eine Kostenerstattung beantragen. Dazu müsst ihr nachweisen, dass ihr keinen Therapieplatz im Kassensystem gefunden habt. Wenn die Finanzierung keine Frage für euch ist, könnt ihr die Therapie auch auf eigene Kosten direkt zahlen und bekommt häufig schneller einen Termin.

Therapiemöglichkeiten für Kinder

Je nach Schwere der Erkrankung und freien Plätzen kann die Therapie ambulant oder stationär erfolgen. Die meisten Gesprächstherapien sind ambulant und ihr besucht gemeinsam mit dem Kind (je nach Alter) wöchentlich einen Psychotherapeuten. Ulrike Schneider-Schmid merkt an, dass die Eltern in jede Therapie mit eingebunden sind und jedes vierte Gespräch nur für die Eltern ist: "Die Elternarbeit empfinde auch ich als den wichtigsten Baustein jeder Psychotherapie, sie sind die Hauptbezugspersonen für die kleinen Patienten."

Eine stationäre Therapie im Krankenhaus wäre dann nötig, wenn das Kind z.B. suizidal wäre, nicht mehr zur Schule gehen oder sich um sich selbst kümmern kann. Bei akuten Fällen kann eine direkte Einweisung nötig sein, vor allem wenn das soziale Umfeld dem Kind keinerlei Unterstützung bieten kann.

"Oft werden Depressionen bei Kindern mit dem Verfahren der kognitiven Verhaltenstherapie behandelt. Dabei lernen die Kinder z.B. wie sie ihre negativen Gedankenverzerrungen erkennen und umdeuten, positive Aktivitäten werden zurück ins Leben gebracht und ihre Umsetzung in einem Wochenplan festgehalten, die Kinder üben soziale Fertigkeiten, auch oft im Rollenspiel. Sie werden Experten für ihre Erkrankung, lernen, sich selbst zu beobachten und zu belohnen, lernen, was wichtig ist, um wieder gut zu schlafen, sich selbst zu beruhigen oder zu aktivieren. Man setzt also beim Verhalten und bei den Gedanken an, um positive Auswirkungen auf die Gefühlswelt zu erlangen. Dies ist sehr gut wirksam."
Ulrike Schneider-Schmid

Bei Erwachsenen klinisch Depressiven werden häufig Antidepressiva verschrieben. Die Psychiater verschreiben diese aber nur sehr selten an Kinder und sehr zögerlich an Jugendliche. Dazu gibt es eine offizielle Leitlinie und der Arzt beobachtet die jungen Patient*innen in einer Eingewöhnungsphase sehr genau.

Welche die beste Behandlung für euer Kind ist, wird jeder behandelnde Arzt neu entscheiden. Ideal wäre es, wenn sich euer Kind gleich mit dem ersten Therapeuten wohlfühlt und gern zu den Gesprächen geht. So einfach ist es jedoch nicht immer. Manchmal bringt auch erst ein Wechsel der Ärztin oder des Arztes den gewünschten Erfolg. Da die freien Plätze aber so rar sind, hat man diese Wahl oft nicht. Sprecht in jedem Fall offen mit eurem Kind, wie es sich fühlt und seid ehrlich zu den Ärzten. Eine Behandlung ist meist dann am erfolgreichsten, wenn alle an einem Strang ziehen und großes Vertrauen herrscht.

Wir danken unserer Expertin für die ausführlichen Tipps zu dem sensiblen Thema. Zum Schluss hat sie noch einige Buchtipps für Eltern und Kinder, die eine erste Annäherung sein können:

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Ulrike Schneider-Schmid
Ulrike Schneider-Schmid

Über Ulrike Schneider-Schmid

Ulrike Schneider-Schmid ist Mutter von drei Kindern. Die studierte Psychologin und ausgebildete Psychotherapeutin hat eine Praxis in Berlin, wo sie Verhaltenstherapie und Coaching in schwierigen Lebenslagen anbietet. Dort behandelt sie hauptsächlich Angststörungen, Depressionen und Essstörungen.

Bücher können manchmal der Schlüssel zu unseren Gefühlen sein. Schaut euch gemeinsam Bücher an und redet darüber. Hier noch ein paar Tipps aus unserer Redaktion:

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Bildquelle: Getty Images/ipolonina

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