Schmerzen, Schmerzen, Schmerzen - doch kein Arzt hat eine Erklärung dafür. Kommt Ihnen das bekannt vor? Möglicherweise hat Ihr Leiden einen Namen: Fibromyalgie. Wir erklären das Bild dieser rätselhaften Krankheit und geben Tipps, was Ihnen helfen kann.
Schmerzen - einfach überall
Fibromyalgie bedeutet übersetzt Muskelsehnenschmerz - und der Name ist hier Programm: Schmerzen immer und überall, als hätte man Muskelkater, nur viel schlimmer. Fibromyalgie zu erkennen, ist schwierig, da im Gegensatz zu Rheuma keine sichtbaren Entzündungen im Körper sind. Trotzdem wird die Krankheit, die sich vor allem durch Schmerzen an den Gelenken oder sogar als Ganzkörperschmerz bemerkbar macht, oft mit Rheuma in eine Schublade gesteckt. Mediale Aufmerksamkeit und dadurch größere Bekanntheit bekam die Krankheit durch die Sängerin Lady Gaga, die ebenfalls unter Fibromyalgie leidet.
Fibromyalgie ist sehr komplex und von Patient zu Patient unterschiedlich. Die Symptome, die bei den meisten Fibromyalgie-Patienten auftreten, sind folgende:
• Muskelschmerz an Körperstellen, an denen sich viele Gelenke befinden, meist wandernd, daher beschreiben Patienten, ihnen tue der ganze Körper weh
• Der Schmerz ist brennend, drückend, ziehend oder vergleichbar mit einem starken Muskelkater
• Morgensteifigkeit
• Reizdarm und/oder Reizblase
• Depressionen und Angstzustände
• Müdigkeit, schlechter Schlaf, Erschöpfung und Abgeschlagenheit
• Kälte, Stress, seelische Belastungen und schwere körperliche Arbeit verschlimmern die Schmerzen
Fibromyalgie - Die Frauenkrankheit
Von Fibromyalgie sind überwiegend Frauen betroffen. Viele Patientinnen berichten, dass es ihnen in der Schwangerschaft deutlich besser ging, nach der Entbindung die Symptome aber unverändert wiederkamen. Noch immer leiden viele Betroffene daran, nicht ernstgenommen zu werden, da sich nichts im Körper als Ursache der Schmerzen finden lässt. "Stell dich nicht so an!" oder "Du bildest dir das ein!", sind Sätze, die den Leidtragenden weder helfen noch wahr sind, denn der Schmerz ist defintiv real, wie wir heute wissen.
Untersuchungen haben gezeigt, dass Fibromyalgie-Patienten ein überempfindliches Schmerzempfinden haben, da die schmerzleitenden Nervenfasern geschädigt sind. Das bedeutet, dass das Problem also nicht an der Stelle des Schmerzes stattfindet. Vielmehr leiten geschädigte Nervenfasern Schmerzimpluse an das Gehirn weiter. Das Resultat: Es tut ständig woanders weh.
Das erklärt auch, warum keine Entzündung an den Schmerzstellen festgestellt werden kann, denn das Gehirn ist quasi ein Radio, das Schmerz spielt und sich das Programm laufend woanders aus dem Körper holt.
Ursachen und Behandlung von Fibromyalgie
Warum sich der Körper auf dieses Programm einstellt, ist noch nicht klar. Die Wissenschaft geht von verschiedenen Theorien aus. Vererbung ist eine Möglichkeit, da Schmerz oft bei vielen Familienmitgliedern ein Thema ist. Eine vorangegangene Rheumaerkrankung kann ebenfalls der Auslöser sein, genauso wie übermäßig starke seelische Belastungen.
Als Erkrankung des vegetativen Nervensystems schlägt Fibromyalgie die Brücke zwischen Psyche und Körper, denn gereizte Nerven durch Stress oder Sorgen kurbeln die Schmerzen an. Andersherum ist die dauerhafte Schmerzbelastung häufig der Grund für psychische Krankheiten, denn Schmerz beansprucht den Körper und somit die Psyche immens.
Aus diesem Grund sollte bei Fibromyalgie eine ganzheitliche Therapie in Anspruch genommen werden. Denn Patienten sollten sowohl für ihre körperlichen Symptome als auch für ihr seelisches Gleichgewicht sorgen, denn das eine lindert oder verstärkt das andere.
Herkömmliche Schmerzmittel helfen leider meist nicht. Durch die Verbindung Nerven - Psyche werden vielen Patienten Antidepressiva verschrieben, welche durchaus unterstützend wirken können. Das Antiepileptikum Lyrica/Pregabalin hat ebenfalls positive Resultate in der Schmerzbehandlung gezeigt.
Medikamente sind eine Möglichkeit, doch sollten Sie langfristig eine natürlichere Lösung für sich finden, da Nebenwirkungen nicht zu unterschätzen sind. Eine Kombination aus Bewegung und guter Ernährung macht Ihren Körper stärker als jede Pille. Vielen Patienten helfen Stangerbäder im Rahmen einer Physio- und Schmerztherapie. Manche Patienten schwören auf vegane Ernährung oder haben mit basischer oder glutenfreie Ernährung gute Erfahrungen gemacht. Unbedingt sollten Sie durch ein Blutbild beim Arzt abklären lassen, ob Sie - wie viele andere Fibromyalgie-Patienten - unter Nährstoffmangel leiden (z.B. Vitamin D, Magnesium) und Ihre Speicher entsprechend auffüllen.
Außerdem gehören zur ganzheitlichen Therapie auch therapeutische Maßnahmen. In einer Psychotherapie lernen Sie, mit dem Schmerz zu leben. Wichtig ist, im Denken und Handeln gut zu sich zu sein. Lassen Sie sich von Zweiflern nicht verunsichern, es ist Ihr Körper, der gehört werden will. Eine Therapie hilft ebenso dabei, nicht zu sehr in den Schmerz zu gehen.
Vielen helfen Meditation oder Spaziergänge in der Natur. Aufgrund des immerwährenden Schmerzes nicht zu verzweifeln ist schwer, doch auch das lässt sich trainieren. Es gilt, ein Gleichgewicht zwischen gut-auf-sich-achten und trotzdem den Schmerz nicht zu groß werden lassen zu finden.
Schmerz beansprucht unsere Aufmerksamkeit von Natur aus
Den Schmerz nicht zu wichtig werden zu lassen - das ist für uns Menschen deshalb schwierig, weil wir es anders gelernt haben, denn Schmerz bedeutet Krankheit, Verletzung und Gefahr. Um uns zu schützen, geht der Körper instinktiv in Schonhaltung. Doch gerade das verschlimmert die Beschwerden auf Dauer und gibt dem Schmerz auch gedanklich zu viel Raum, bis man sich nur noch auf den Schmerz konzentriert. Die Folge: der Schmerz wird schlimmer, man bewegt sich noch weniger usw.
Finden Sie heraus, wie viel Bewegung Ihnen gut tut, auch wenn Ihnen anfangs überhaupt nicht danach ist. Steuern Sie dem negativen Schmerzbild mit positiven Gedanken, erfüllenden Aktivitäten und schlichtweg Ablenkung entgegen. Wärme wie eine Badewanne oder Sauna kann schlimmen Schmerzen Linderung verschaffen. Kämpfen Sie nicht gegen die Schmerzen, sondern leben Sie mit Ihrem Körper, denn er gehört zu Ihnen.
Wo finde ich Hilfe?
Informationen und Hilfe finden Sie in zahlreichen Fibromyalgie-Ambulanzen und -kliniken. Fragen Sie Ihren Hausarzt oder Neurologen nach Spezialisten in Ihrer Nähe. Zudem gibt es in der Literatur viele gute Werke zum Thema. Auch im Internet tummeln sich zahlreiche Informationsseiten oder Foren, wo Sie sich mit anderen austauschen können.
➤ Zur Deutschen Fibromyalgie Vereinigung (DFV) e.V.
➤ Kursbuch Fibromyalgie von Dr. med. Thomas Weiss
➤ Der Fibromyalgie-Ratgeber der DFV
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