Bin ich zu dick? Mit dieser eigentlich harmlosen Überlegung geht es oft los. Doch der Wunsch, das Gewicht zu reduzieren und Kontrolle über das Leben zu erlangen, führt bei manchen Jugendlichen direkt zur Magersucht.
Essstörungen wie Magersucht und Bulimie kommen häufiger vor, als viele vielleicht denken: Rund ein Fünftel der Jugendlichen zwischen elf und 17 Jahren weist Symptome einer Essstörung auf, warnt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Jugendliche und junge Erwachsene sind besonders häufig von Magersucht betroffen. Mädchen erkranken deutlich häufiger als Jungen: von 1000 Mädchen trifft es drei bis sechs, von 1000 Jungen einen.
Abnehmen um jeden Preis: Was ist Magersucht?
Viele junge Mädchen und Frauen fühlen sich einem enormen Druck ausgesetzt: Sie sollen in Schule, Ausbildung und Beruf Leistung bringen, gleichzeitig plagen sie sich mit Zukunftsängsten herum. Unerreichbare Schönheitsideale, die ihnen in Fernsehen, Internet und sozialen Medien präsentiert werden, sorgen zusätzlich für Druck und Unsicherheit. Manchmal ist ein Schicksalsschlag wie der Verlust eines geliebten Menschen, Liebeskummer oder die Scheidung der Eltern auch der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Bei Magersucht geht es in hohem Maße um Kontrolle: Wer das Gefühl hat, sein Leben nicht selbst lenken zu können, sucht sich eher ein Instrument, um einen bestimmten Lebensbereich komplett unter Kontrolle zu bringen. “Wenn ich weniger esse und öfter faste, nehme ich ab – ich habe diesen Prozess unter Kontrolle – ich bin damit erfolgreich – ich werde dünner, und das bedeutet schöner!”
Wenn Mädchen dann Komplimente für ihre schlanke Figur bekommen, spornt sie das oft noch an. Doch vermeintliche Anfangserfolge werden jedoch schnell zu einer Sucht. Doch kann man noch weniger als wenig essen? Manche Mädchen werden im schlimmsten Fall zu Essensverweigerinnen.
Können TV-Shows wie 'Germany's Next Topmodel' Essstörungen auslösen oder verstärken? Hier liest du mehr darüber:
Warnsignale und Symptome: Magersucht erkennen
Wenn Mädchen jammern, dass sie abnehmen möchten, ist dies nicht unbedingt etwas Ungewöhnliches. Warnsignale, die auf eine mögliche Magersucht oder eine beginnende Essstörung hindeuten können, sind:
- extreme Beschäftigung mit dem Thema Essen, Kalorien, Abnehmen
- bestimmte Lebensmittel sind “nicht erlaubt”
- Mahlzeiten insgesamt oder immer mehr Lebensmittel werden als eklig empfunden
- regelmäßig deutlich weniger essen, Mahlzeiten ausfallen lassen
- starke Fixierung auf Schönheitsideale, Vorbilder sind extrem dünne Mädchen und Frauen
- eine gestörte Selbstwahrnehmung: trotz schlanker Figur abnehmen wollen und über Fettpolster klagen
- körperliche Hyperaktivität: Sport oder ständiges Umherlaufen soll das Abnehmen beschleunigen
- Rückzug, Isolation, depressive Verstimmungen
Wie kann man bei drohender Magersucht helfen?
Die Wurzeln des Übels sind häufig eine tiefe Unsicherheit und eine Sehnsucht nach Bestätigung und Anerkennung. Liebe und Zuwendung von der Familie können am Anfang einer leichten Essstörung möglicherweise sogar noch verhindern, dass sich das veränderte Essverhalten zur Magersucht entwickelt.
In einfühlsamen Gesprächen kannst du versuchen herauszufinden, was deine Tochter belastet. Gib ihr emotionale Unterstützung und versuche, sie aufzubauen. Wenn sie unsicher in Bezug auf Pubertät oder ihre Identität als Frau ist, sprich mit ihr über diese Themen. Gib deiner Tochter positive Impulse, beispielsweise:
- gemeinsame Unternehmungen, die Freude machen
- Erfolgserlebnisse, die ihr Bestätigung geben
- starke Vorbilder, jenseits von Schlankheits- und Schönheitswahn
Nicht hilfreich sind hingegen Wut, Ablehnung, Kritik und Vorwürfe. Wenn du deine Tochter oder eine andere Betroffene von dieser Klippe zurückholen möchtest, braucht sie Unterstützung, Zuneigung und Verständnis.
Ist die Magersucht jedoch bereits da, kommt man alleine meist nicht weiter. Ein Problem: Magersüchtige können sich oft verstellen, vorgeben, einsichtig zu sein, und Besserung geloben. Sie essen einen Hauch mehr, wenn du dabei bist, aber insgesamt ändert sich nichts. Du wirst hingehalten, während sich die Magersucht verschlimmert. Manche Betroffene werden an dieser Stelle auch zu Bulimikern, sind scheinbar kuriert, weil sie wieder zunehmen – sie leben ihre Essstörung aber tatsächlich auf andere Weise aus.
Magersucht: Ohne professionelle Hilfe geht’s meist nicht
Magersucht darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Erkrankte leiden daran oft jahrelang oder werden immer wieder rückfällig. Die Mangelerscheinungen machen krank und schwach, das niedrige Körpergewicht führt zum Ausbleiben der Regel. Nach langer Magersucht ist der Ekel vor Essen oft eine schier unüberwindbare Hürde. Und auch die Fähigkeit, sich selbst im Spiegel zu betrachten und ein realistisches Bild von sich selbst zu haben, ist nur schwer zurückzuerlangen. Immer wieder kommt es vor, dass junge Frauen buchstäblich verhungern und an ihrer Magersucht sterben.
Damit es nicht soweit kommt, sollte rechtzeitig ärztlicher Rat eingeholt werden. Weitere Informationen, Beratungsangebote und Kontaktadressen findest du auch über den Bundesverband Essstörungen und bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
Psychologische und medizinische Betreuung, oft in Form einer stationären Behandlung in einer Spezialklinik, ist besser als allzu lange im Familienkreis an der schweren Erkrankung herumzudoktern. Je schneller die Behandlung beginnt, desto besser sind die Chancen, dass die Magersucht doch noch überwinden werden kann.
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