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Übergriffig

Hört auf, meinem Kind ungefragt Süßigkeiten in die Hand zu drücken

Kind isst Lolli
© Getty Images / Dobrila Vignjevic

Der Zuckerkonsum bei Kindern ist ein schwieriges Thema. Immer mehr Eltern würden gerne auf einen bewussteren Umgang ihres Kindes mit Süßigkeiten achten, doch es gibt oft Momente im Alltag, die uns daran hindern. Und ich muss zugeben, dass ich ein wenig wütend werde, wenn andere Menschen davon ausgehen, sie könnten meinem Sohn einfach so einen Lolli in die Hand stecken.

Es ist doch nur nett gemeint …

Viele Mütter und Väter kennen sicher folgende Situation: Es gab ein Familienessen in einem Lokal, das eigene Kind ist natürlich auch mit dabei. Beim Verlassen des Restaurants kommt dann plötzlich ein Angestellter oder eine Angestellte und drückt dem Kleinkind, in Erwartung eines Lächelns zum Austausch, einfach einen Lutscher oder ein paar Bonbons in die Hand. Die Freude beim Kind ist natürlich groß, doch ich würde am liebsten sofort das Zuckergedöns an mich nehmen und der schenkenden Person sagen: „Das können Sie doch nicht einfach so machen!“ Dabei sollte es sich dabei eigentlich um eine unbedachte, nette Geste handeln, schließlich lieben Kinder Süßigkeiten und wer genießt nicht das Strahlen in ihren Augen, wenn sie welche geschenkt bekommen? Doch bei aller Nettigkeit, ich finde solche Gesten leider irgendwie übergriffig.

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Die meisten Kinder essen viel zu viel Zucker

Einige von euch werden jetzt vielleicht denken, dass ich übertreibe oder meinem Sohn etwas Schönes vorenthalten will. Für mich ist das Thema Zucker aber ein sehr wichtiges und ich weiß, dass die Meinungen dazu sehr weit auseinander gehen. Allerdings muss man kein Ernährungsexperte oder Medizinerin sein, um zu wissen, dass zu viel Zucker in jungen Jahren nicht nur Übergewicht, Diabetes und Karies, sondern auch Darm- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen kann. Übrigens sind bereits 15 % der deutschen Kinder ab 3 Jahren übergewichtig.

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, dass Erwachsene und Kinder täglich höchstens 10 % ihres Energiebedarfs mit freiem Zucker decken. Das umfasst zum einen puren, aber auch verarbeiteten Zucker und – von vielen Menschen oft vergessen – Fruchtzucker. Das wären bei Kleinkindern maximal 30 Gramm Zucker am Tag, also 3 Esslöffel. Bei Kindern zwischen 4 und 6 Jahren sind es 35 Gramm Zucker, bei jüngeren Schulkindern bis 10 Jahren 42 Gramm.

Doch allein eine Banane enthält im Schnitt 15 bis 20 Gramm Zucker, kommt dann noch ein gesüßter Joghurt, ein paar Schlucke Saft oder ein Schokoriegel am Tag dazu, wird dieses Limit ganz schnell überschritten. Viele Eltern blenden auch aus, dass in den meisten industriell hergestellten Lebensmitteln ebenfalls Zucker enthalten ist. Zu den offensichtlich süß schmeckenden Naschereien und Getränken kommen also noch Kinderlieblinge wie Tiefkühlpizza, Nuggets oder fertiges Müsli dazu.

Auch in vielen Kitas und Kindergärten werden als Nachtisch Obst, Pudding, gezuckerter Joghurt oder mal ein Muffin gereicht. Möchte ich also verhindern, dass mein 3-jähriger Sohn die maximal empfohlene Zuckermenge nicht überschreitet, dürfte ich ihm nach der Kita überhaupt nichts Gesüßtes mehr zum Essen geben.

Naschen sollte etwas Besonderes sein

Aus all diesen Gründen möchte ich bei der Ernährung meines Sohnes auf einen bewussten Umgang mit Zucker achten. Ich muss zugeben, dass ich selbst in meiner Kindheit extrem viel genascht habe und daher auch Stammgast beim Zahnarzt war. Selbst als Erwachsene habe ich mich lange Zeit nicht mit der Höhe meines Zuckerkonsums beschäftigt. Doch spätestens durch die Schwangerschaft, den ersten Brei, die ersten Babysnacks und auch den Blick auf den Kita-Speiseplan ist bei mir und meinem Partner ein großes Bewusstsein für das Thema entstanden.

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Auch, wenn wir selbst kein perfektes Vorbild in Sachen Ernährung sind, wünschen wir uns, dass unser Sohn anders aufwächst. Daher erklären wir ihm, welche Lebensmittel gesund sind, welche eher nicht, welche viel Zucker enthalten und dass man davon nicht zu viel essen sollte. Mittlerweile fragt er sogar oft „Ist da Zucker drin?“ und akzeptiert auch, dass es Marmelade aufs Brötchen nur am Wochenende gibt oder Schokolade und Gummibärchen nur, wenn ein Geburtstag oder etwas anderes gefeiert wird.

„Naschen“ bedeutet bei ihm, dass er sich aus verschiedenen Knabbereien für Kinder aus der Drogerie, ohne Zuckerzusatz, etwas aussuchen kann. Uns ist natürlich bewusst, dass wir ihm nicht für immer klassische Süßigkeiten vorenthalten können. Mittlerweile sind wir in diesem Punkt auch ein wenig nachsichtiger geworden: Im Sommer gehört natürlich auch mal ein Eis dazu, wenn wir auf einer Kaffeerunde sind, darf auch Kuchen genascht werden und im Urlaub herrschen sowieso lockere Regeln. Das sind aber eben auch besondere Anlässe und nicht der Alltag.

Nur ich entscheide, wann mein Kind naschen darf

Wir selbst können auch jetzt noch ganz gut beeinflussen bzw. bestimmen, was unser Sohn isst, und auch die Großeltern halten sich meistens daran. Den Speiseplan aus der Kita müssen wir so mehr oder weniger hinnehmen. Doch wenn eine außenstehende Person auf unser Kind zugeht und ihm ohne unsere Erlaubnis eine Süßigkeit in die Hand drückt, werden unsere Entscheidungen und Regeln in diesem Moment, wenn vielleicht auch unbewusst, einfach übergangen.

Es fing schon an, als unser Sohn gerade ein Jahr alt war, dass irgendwelche Fremden ihm auf einem Bootsausflug Kekse reichen wollten, als er ein wenig herumlief. Oder dass man in einem Restaurant davon ausging, dass der Kleine ja als Nachtisch ein paar Zuckerbonbons haben könne und sie ihm einfach auf den Teller gelegt wurden. Nicht nur, dass Bonbons und Lutscher der pure Zucker sind, sie können aufgrund der Erstickungsgefahr auch sehr gefährlich für kleine Kinder sein.

Richtig wachsam werde ich, sobald ihm jemand Knabberzeug oder Schokoriegel geben möchte, da er allergisch auf eine Zutat ist, die darin öfter vorkommt. Situationen wie diese häufen sich, je älter mein Sohn wird. Doch dass es nicht in Ordnung ist, einem Kind „einfach nur aus Nettigkeit“ etwas Süßes zu geben, oder dass eine Allergie bestehen könnte, kommt den meisten Menschen in diesem Moment nicht in den Sinn.

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Am Ende ist Mama die Böse

Hier ist auch das Problem der ganzen Sache: Es gibt keinen besonderen Anlass oder Grund, warum mein Kind von diesen Leuten etwas Süßes bekommen sollte. Ich möchte aber, dass Süßigkeiten etwas Besonderes für meinen Sohn sind, er sie genießt, glücklich darüber ist, aber eben auch weiß, dass sie nicht zur normalen Ernährung dazugehören. Die Schenkenden glauben in diesem Moment, dass sie ihm eine Freude damit machen, was ohne Zweifel auch so ist.

Aber mich als Mutter bringt das in eine unangenehme Situation: Ich muss ihm den Lutscher oder was auch immer dann erstmal wegnehmen oder darauf achten, dass der Rest des Tages aus zuckerarmem Essen für ihn besteht. Mein Kind ist dann traurig und sauer, war doch der Mann oder die Frau eben so nett zu ihm und jetzt ist Mama so gemein. Die wenigsten Eltern haben Lust auf solch eine Diskussion.

Mein einziger Wunsch: Fragt mich doch einfach vorher

Der gesamte Konflikt ließe sich sooo einfach lösen: einfach vorher die Eltern fragen, ob es okay ist, wenn man ihrem Kind etwas schenkt! Glücklicherweise haben wir auch das schon ein paar Mal erlebt. „Darf Ihr Sohn schon Schokolade essen?“ oder „Darf ich ihm eine kleine Tüte Gummibärchen schenken?“ wurden wir schon ein paar Mal gefragt. In solchen Momenten bin ich einerseits erfreut, dass die Person so weitsichtig und rücksichtsvoll agiert, auf der anderen Seite kann ich dann auch gut abschätzen, ob eine Nascherei für meinen Sohn gerade okay ist.

Je nachdem lehne ich dankend ab, mein Sohn bekommt nicht mit, was ihm entgangen ist und er wird nicht wütend und traurig. Oder ich stimme freudig zu und er darf das kleine Geschenk sofort genießen oder zumindest für später einpacken. Dieses Vorgehen würde ich mir immer wünschen, denn es zeigt auch Respekt gegenüber den Erziehungs-Entscheidungen der Eltern und Bewusstsein darüber, dass es sich hier um ein Thema handelt, das für manche vielleicht etwas sensibler als für andere ist.

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Mir ist klar, dass jeder Mensch, der ein Kind aufzieht, nach eigenen Regeln und Maßstäben handelt. Viele Eltern sind in Punkto Ernährung recht locker eingestellt, es wäre jedoch schön, wenn wir hier über unseren eigenen Tellerrand hinausblicken und die Grenzen von anderen Müttern und Vätern akzeptieren, auch wenn sie vielleicht nicht unseren eigenen entsprechen.

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