Montag Fußballtraining, Mittwoch Schlagzeug und am Wochenende Turniere. Hobbys sind wichtig, sagen Entwicklungspsychologen. Doch wie viele Hobbys braucht ein Kind? Welches ist das richtige? Und wann wird die Freizeit zum Stress?
Julia ist fünf. Im Kindergarten malt und bastelt sie gern. Wenn ihre Eltern sie abholen, will sie am liebsten noch auf den Spielplatz gegenüber vom Schwimmbad. Da kann man klettern und Trampolinspringen. Ach ja, schwimmen liebt sie natürlich auch. „Das will ich bald lernen. Ohne Flügel“, sagt sie. Dann erzählt sie weiter, dass Paula aus dem Kindergarten immer in die musikalische Früherziehung geht und ihr das doch auch „soooo Spaß“ machen würde.
Kurz und gut: Julia ist fünf und hat einige Dinge, für die sie sich begeistern kann. Doch müssen hier die Eltern bereits zur Tat schreiten und ihrem Sprössling ein regelmäßiges Hobby ermöglichen? Oder ist das für eine Fünfjährige noch zu früh? Ein Blick auf das vielfältige Angebot sagt „nein“. Denn: Da gibt es Ballettkurse ab 3 Jahre, ins Fußball- oder Hockeytraining können die Kids schon ab 4, oder wie wär's mit einem Kletterkurs ab 6 . Kindertanz, Schwimmkurs, sogar Mutter-Kind-Turnen für die ganz Kleinen ist möglich.
Wie findet man das richtige Hobby fürs Kind?
Es geht darum, das Kind zwar zu fördern, es aber nicht zu überfordern, raten Entwicklungspsychologen und Pädagogen. Ein Hobby soll in erster Linie Spaß machen. Die Eltern sollen beobachten, steuern und fördern. Egal, wie alt das Kind ist, die entscheidenden Fragen sind: Womit beschäftigt es sich am liebsten? Was macht es selbstständig und vor allem über eine längere Zeit? Was kann es gut?
Vor allem geht es nicht darum, was die Eltern wollen. Nur weil der Papa gerne Tennis spielt, muss das sein Sohn noch lange nicht mögen. Und ein unmusikalisches Kind wöchentlich zum Klavierunterricht zu schicken, ist auch kein Spaß. Doch hat das Kind noch kein klares Interesse an einer Sache, dann kann es auch mal 'gezwungen' werden, sagt die Entwicklungspsychologin Prof. Dr. Claudia Quaiser-Pohl von der Universität Koblenz-Landau. Wichtig sei aber, das Kind genau zu beobachten, mit ihm zu reden und auch den Trainer miteinzubeziehen. So ein Test, um Interessen zu wecken, kann die nötige Initialzündung liefern. Ist das aber nicht der Fall und hat das Kind keinen Spaß, gilt es, das Hobby rechtzeitig zu beenden. „Im besten Fall lernen die Kinder so, ihre eigenen Interessen besser einzuschätzen“, sagt Heidemarie Arnhold, Vorstandsvorsitzende des Arbeitskreises neue Erziehung (ANE). Sie erkennt, dass vor allem kleinere Kinder vor der Pubertät häufig ihre Hobbys wechseln, sieht darin aber keinen Grund zur Sorge. Das müsse man als natürlichen Entwicklungsprozess sehen. Oftmals geht es den Kindern ja auch gar nicht um das Hobby, sondern vielleicht eher darum, etwas mit der besten Freundin zu machen. Entscheidend ist für Arnhold, dass es keinen Druck oder Zwang gibt.
Mit Hobbys fördern, aber nicht überfordern
Egal welches Hobby, wenn man das richtige gefunden hat, kann das den Kindern nur gut tun, darüber sind sich die Pädagogen einig. Sport- und Musikgruppen, auch außerhalb der Schule, seien durchaus wichtig für die Entwicklung der Kinder. Musik fördere emotionale und kognitive Fähigkeiten. Sport wirke sich positiv auf die Motorik der Kinder aus - ein guter Ausgleich zu Spielkonsole, Computer und Fernsehen. Die Eltern sollten es aber nicht übertreiben. Entwicklungspsychologin Quaiser-Pohl kennt auch die Kinder mit prallvollen Terminkalendern und Freizeitstress. Deshalb gibt sie zu bedenken: „Maximal zwei Nachmittage sollte ein Grundschulkind seinem Hobby nachgehen.“ Alles andere sei „verplante Kindheit“.
Zuviele Hobbys = gestresste Kinder?
Einer aktuellen Umfrage des Marktforschungsinstituts iconkids&youth zufolge klagt jedes dritte Kind im Alter zwischen sechs und zwölf über zu wenig Zeit zum Spielen. Bei den Zehn- bis Zwölfjährigen bemängelt sogar jedes zweite Kind, dass es wegen Sport, Musikunterricht und auch Hausaufgaben zu wenig freie Zeit hat.
Dabei wollen die Eltern doch nur das Beste für ihre Kinder. „Helikopter-Eltern“ heißen sie inzwischen auf Neu-Deutsch. Ob sie wissen, was das Beste ist, bleibt zu bezweifeln. So zeigt eine Studie der Universität Bielefeld im Auftrag der Bepanthen-Kinderstiftung, dass 87 Prozent der Eltern von gestressten Kindern nicht glauben, dass sie ihre Kinder überfordern. 50 Prozent der Eltern meinen demnach sogar, ihre Kinder nicht genug zu fördern. Und sie meinen es nur gut und vergessen dabei sogar sich selbst. Denn die Hobbys der Kinder spannen oft die ganze Familie ein. Der Tag hat aber nur 24 Stunden und die Woche nur sieben Tage. Und die Eltern haben sicherlich einen anstrengenden Job. Wo ist da die Grenze? „Achtung Eltern! Sie tun alles für ihre Kind – und schaden ihm“, titelte das Magazin „Der Spiegel“ bereits im August 2013.
Seitdem geben die Eltern noch immer alles für ihre Kinder. „Frühe Bildung“ ist ein gesellschaftlich anerkannter Wert. Talente früh entdecken, ist solch ein Auftrag. Experten geben zunehmend aber zu bedenken: Kinder brauchen durchaus auch unverplante Zeit, die sie selbst gestalten können und müssen. Freie Zeit - ob draußen auf dem Spielplatz toben oder im Kinderzimmer Musik hören und basteln - fördert durchaus auch die kindliche Entwicklung und Kreativität. „Gerade Langeweile ist hier auch eine wichtige Erfahrung“, sagt Entwicklungspsychologin Quaiser-Pohl. Und auch beim freien Spiel mit anderen lernen Kinder viel fürs soziale Miteinander. Letztendlich muss das Gleichgewicht zwischen Hobby und freier Zeit stimmen, raten Pädagogen. Heidemarie Arnhold vom Arbeitskreises neue Erziehung merkt an, was für manch engagierte Eltern vielleicht wie ein Schlag ins Gesicht ist: „Hobby sind ohnehin ein sehr erwachsenes Konzept – Kinder wollen meist einfach nur spielen."