Jedes Kind kann malen. Und jedes Kind sollte malen. Denn Malen ist so viel mehr als nur ein Mittel gegen Langeweile. Es fördert die motorischen Fähigkeiten, beflügelt die Vorstellungskraft und stärkt das Selbstbewusstsein. Kurz: Malen macht schlau. Und auch Eltern können von den Bildern ihrer Kinder noch einiges lernen. Diplom-Psychologe Michael Thiel gibt Tipps, wie ihr den Malspaß fördern könnt.
- 1.Aller Anfang ist schwer: Den Stift richtig halten
- 2.Ab drei Jahren: Konkrete Formen
- 3.Ab vier Jahren: Details und Kompositionen
- 4.Warum ist Malen wichtig für die Entwicklung?
- 4.1.1. Malen macht schlau
- 4.2.2. Malen stärkt das Selbstvertrauen
- 5.Warum gemeinsames Malen wichtig ist
- 6.5 Tipps: So könnt ihr den Malspaß fördern
- 7.Das könnt ihr mit euren Kindern malen
Aller Anfang ist schwer: Den Stift richtig halten
Die erste Hürde ist es, einen Stift zu halten. Zunächst halten Kinder die Stifte einfach in der Faust. Ihre Bewegungen führen sie mit dem ganzen Oberkörper aus.
Bestärkt durch den Erfolg, dass sie auf dem Blatt Papier selbst etwas „geschaffen“ haben, entwickelt sich eine immer bessere Technik. Die Feinmotorik wird trainiert. Doch erst mit ungefähr viereinhalb Jahren können Kinder einen Stift richtig halten. Natürlich gilt auch hier wieder: Jedes Kind ist anders und manche sind schneller als andere. Alles kein Problem.
Spätestens bei der Einschulungsuntersuchung wird die Motorik eurer Kinder einmal genauer unter die Lupe genommen.
Ab drei Jahren: Konkrete Formen
Aus den ersten Kritzeleien werden nach und nach wirklich erkennbare Formen und Gestalten.
In der Pädagogik spricht man von den sogenannten Kopffüßlern: große Gesichter mit Armen und Beinen. Die meisten Kinder beginnen um den dritten Geburtstag diese ersten Menschenabbildungen zu zeichnen.
Mancher mag sich jetzt fragen, warum die Kritzelphase (beginnt schon ab dem 12. Monat) verhältnismäßig lange anhält. Aber auch ein für uns so simples Mondgesicht ist für das Gehirn unserer Kinder eine Höchstleistung. Es setzt ein hohes Maß an Abstraktionsvermögen voraus.
Ab vier Jahren: Details und Kompositionen
Um den vierten Geburtstag herum, bekommen die Figuren und die Umgebung immer mehr Details. Haare, Wimpern, Kleidung, Himmel und Wiese entstehen.
Im Vorschulalter entwickeln die Bilder die sogenannte Werkreife - die Objekte auf einem Bild gehören zusammen, nehmen Bezug zueinander, kleine Kompositionen entstehen.
Ab der Grundschule wird euer Kind immer besser und besser malen lernen. Sogenannte Röntgenbilder werden entstehen. Das sind Bilder, bei denen auch Objekte und Linien sichtbar sind, die eigentlich von anderen verdeckt werden. Hauswände werden transparent und einzelne Zimmer gezeigt.
Warum ist Malen wichtig für die Entwicklung?
Kinder müssen erst lernen, dass aus den Elementen Punkt, Komma und Strich nur dann ein Gesicht entstehen kann, wenn sie richtig angeordnet werden. Das setzt voraus, dass sie wissen, was die Hauptmerkmale eines Gesichts sind: Augen, Nase und Mund.
1. Malen macht schlau
„Je mehr ein Kind zeichnet, umso genauer wird es sich ein Bild von der Welt machen können, die es umgibt. Malen und Zeichnen schärfen die Wahrnehmungsfähigkeit und das analytische Denken. Denn um etwas abzubilden, muss sich ein Kind diese Sache ja nicht nur genau anschauen, sondern auch analysieren, was die charakteristischen Merkmale sind und altersgemäß begreifen, wie es funktioniert.“, erklärt Diplom-Psychologe Michael Thiel in einem Interview mit Schreibwarenhersteller Staedtler.
Es ist daher nur logisch, dass parallel dazu auch die Sprachentwicklung des Kindes fortschreitet. Das Gemalte ist mit einer sprachlichen Bezeichnung verbunden. Und so entstehen im Gehirn immer neue Verknüpfungen.
„Zeichnen und Malen sind Trainingsfelder für das Gehirn", sagt Thiel. "Je öfter ein Kind mit Stiften und mit Pinseln zeichnet und malt, umso mehr werden im Gehirn die Verknüpfungen zwischen Nervenzellen verstärkt.“
Verschiedene Studien behaupten daher, dass Kinder, die schon im Kindergartenalter gut malen konnten, auch in der Grundschule bei Intelligenztests besser abschneiden. Mit solchen Daten sollte man aber vorsichtig umgehen. Allerdings ist es Fakt, dass Malen viele verschiedene kognitive Fähigkeiten trainiert, die maßgeblich für unsere Intelligenz verantwortlich sind.
2. Malen stärkt das Selbstvertrauen
„Durch das Gehirn-Training beim Malen und Zeichnen hat man das Gefühl, etwas im Leben und der Umgebung bewirken zu können, und die Angst vor kleineren Herausforderungen oder komplizierten Angelegenheiten verschwindet", sagt Michael Thiel. "Dieses Gefühl der Selbstwirksamkeit macht das Leben für Kinder positiver und überschaubarer.“
Darum sind Kinder so stolz auf jedes ihrer Kunstwerke. Dieses positive Gefühl könnt ihr stärken, indem ihr euch mit den Zeichnungen eurer Kinder aufmerksam auseinandersetzt. Ihr müsst nicht jedes Kritzelmännchen über den grünen Klee loben, aber beschäftigt euch mit dem Bildchen. Die Frage „Erzählst du mir etwas über das Bild?“ halten Pädagogen dabei allerdings für besser als „Was hast du denn da gemalt?“.
Warum gemeinsames Malen wichtig ist
Bewertungen und Belehrungen haben beim Malen nichts verloren. Kinder dürfen auf dem Blatt Papier ihrer Phantasie freien Lauf lassen und machen das auch richtig gerne. Sie erforschen die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Vorstellung und regen so ihre eigene Kreativität an. Und selbst wenn die darstellerischen Fähigkeiten noch ihre Grenzen haben, tut das dem kreativen Prozess keinen Abbruch.
Oft malen Kinder aber schlicht das, was sie täglich erleben. Sie drücken mit den Bildern aus, was sie beschäftigt. Daher kann man Kinderzeichnungen betrachten wie Tagebucheinträge. Es lohnt sich also, die Kunstwerke eurer Kinder genauer anzuschauen. So könnt ihr viel über euer Kind lernen.
Aus diesem Grund rät Diplom-Psychologe Thile dazu, regelmäßig Eltern-Kind-Mal-Stunden zu veranstalten: „Wenn Eltern mit Kindern zusammen kreativ sind, vermitteln sie ihren Kindern, dass sie Spaß daran haben, mit ihnen zusammen zu sein – und dass man gemeinsam ganz tolle Sachen machen kann. Das wiederum stärkt die Eltern-Kind-Bindung, die für die psychische Entwicklung und psychische Gesundheit von Kindern extrem wichtig ist.“
5 Tipps: So könnt ihr den Malspaß fördern
So viele gute Gründe, öfter zu Farbe und Papier zu greifen. Aber was helfen die, wenn die Minis einfach keine Lust haben? Natürlich sollt ihr eure Kinder nicht zum Malen zwingen. Aber oft helfen schon ein paar einfache Tricks, um den Künstler in jedem Kind aufzuwecken. Thiel gibt zum Beispiel diese fünf Tipps:
- Früh übt sich
Lasst schon die Kleinsten mit Farben herumexperimentieren. Spezielle Fingerfarbe für Babys eignet sich dafür besonders. Durch das Herumschmieren bekommen Babys ein Gefühl dafür, dass sie durch gezielte Bewegungen Spuren hinterlassen können. So kann schon früh die Begeisterung für das Malen geweckt werden. - Altersgerechte Utensilien
Es klingt simpel, aber gerade für kleine Kinder ist das wichtig. Gröbere Stifte lassen sich am Anfang leicht halten und so entsteht kein unnötiger Frust. Schnell werden eure Kleinen geschickter im Umgang mit den Stiften werden. - Genug Material auf Vorrat
Damit Kinder jederzeit die Möglichkeit haben, sich kreativ auszutoben, solltet immer genügend Material zu Hause haben. Stifte, Farben und verschiedenes Papier gehören zur Grundausstattung. - Gutes Vorbild sein
Kinder lernen durch Beobachten. Das heißt, wenn auch ihr regelmäßig zu Stift und Zettel greift um etwas zu skizzieren, werden eure Kinder das Verhalten adaptieren. - Gemeinsam malen
Weckt selbst wieder das Kind in euch und malt gemeinsam mit eurem Kind. Malen ist für Kinder keine Einzelbeschäftigung. Es lässt sich schön beobachten, dass Kinder dabei ständig im Austausch miteinander sind oder auch gemeinsam an einem Bild malen können. Werdet Teil davon und schafft gemeinsame Kreativ-Momente.
Das könnt ihr mit euren Kindern malen
Wie immer gilt: Steckt die Ziele nicht zu hoch. Auch wenn ihr selbst nicht mal ein halbwegs proportioniertes Strichmännchen aufs Papier bekommt, ist es doch wichtig, den Kindern zu vermitteln, dass Malen Spaß macht. Gleichzeitig ist es auch eine tolle Chance zu zeigen, dass Scheitern nicht schlimm ist. Es geht um die Sache an sich und nicht darum, was am Ende dabei herauskommt.
Wird schon...
Mein Sohn hat großes Interesse am Malen. Er liebt es, mir zu sagen, was ich malen soll. Er selbst ist immernoch in der Krickelkrackel-Phase. Er ist jetzt vier und hat noch nie einen Kopffüßler gemalt. Oder ein Gesicht. Auch ausmalen lässt er lieber andere, er bestimmt dafür, welche Farbe genommen werden soll...
Letzte Woche hat er dann plötzlich ein Raumschiff gezeichnet und ich muss sagen, es war nicht das schlechteste Raumschiff, das ich je gesehen habe. Und wer weiß, vielleicht überspringt er einfach die Kopffüßler und geht direkt zu technischen Zeichnungen über. Nur kein Druck bitte!
Bildquelle: Getty Images / SerrNovik