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Meins!!!

Kinder wollen haben: Warum das Habenwollen so wichtig ist

Kinder haben wollen
Kinder haben wollen (© Getty Images/ Dejan_Dundjerski)

Warum das Habenwollen für die frühkindliche Entwicklung so wichtig ist. Wie Kinder teilen lernen und Eltern bei Konflikten entspannt vermitteln.

Nach Dingen greifen von Anfang an

Sobald Kinderhändchen zugreifen können, schnappen sie sich spannende Alltagsgegenstände in ihrer Reichweite. Ob Papas Brille, Mamas tolle Ohrgehänge oder ein schmuddeliges Tempotaschentuch – nichts ist vor ihrem Zugriff sicher. Mit Besitzansprüchen oder gar Raffgier habe das aber absolut nichts zu tun, betonen Psychologen wie Dr. Angelika Faas: „Am Anfang geht es nur darum, die Welt durch das Er-Greifen von Dingen besser zu be-greifen.“ Kleiner Haken dabei: Bevor Kinder ihre aktuelle Beute nicht ausgiebig untersucht haben, geben sie ihren Schatz nur unter Protest wieder ab. Und das kann – auch ohne Besitzanspruch der Kinder – zu Konflikten führen, denn Papa sieht schließlich ohne Brille nichts.

Beim Habenwollen erfüllen sich Kinder den Wunsch, dasselbe erleben zu wollen.

Ist haben wollen bloß Besitz ergreifen?

Verzwickt wird die Sache auch, wenn Kinder aufeinandertreffen und sich gegenseitig ihre Spielsachen mopsen. Wie in der Krabbelgruppe: Mal robbt Anton zu Mia und schnappt sich ihre coole Rassel. Mal pirscht sich Smilla an Johann heran, um seinen Hasen zu ergattern. Die Reaktionen der Beraubten sind höchst unterschiedlich: Mal gibt es Gegenwehr und Geheule, mal reichen die Kinder ihre Besitztümer freiwillig weiter. Ein weiterer Beleg dafür, dass es hier nicht automatisch um Besitz-Verteidigung geht. Aber worum geht es dann?
Kinder wollen mit dem Habenwollen auch nachahmen
Unter anderem darum, freundlich 'Hallo' zu sagen, erklärt der Verhaltensbiologe Dr. Joachim Bensel: „Bereits ab zehn Monaten setzen Babys das Geben und Nehmen von Objekten als freundliche Kontaktaufnahme ein.“

Das Anbieten des eigenen Spielzeuges sowie das Greifen nach dem Spielzeug eines anderen Kindes zeige außerdem, dass kleine Kinder es lieben, andere Kinder nachzuahmen. Eltern, die diese Handlungen der Kleinen als 'bösen Willen' interpretieren, liegen nach Meinung der Experten falsch. „Wenn Kinder unter 22 Monaten einem anderen Kind etwas wegnehmen, dann aus Interesse an dessen spannendem Spiel. Und wenn sie mit Aggression darauf reagieren, wenn ihnen ein Spielzeug weggenommen wird, dann steckt dahinter meist die Verteidigung einer interessanten Aktivität“, sagt Dr. Bensel. Schimpfen und moralische Wertungen wie „das war jetzt aber nicht nett von dir“ können Kinder in dieser Altersgruppe noch nicht verstehen. „Besser sind tröstende Worte und geschickte Ablenkungsmanöver“, rät die Psychologin Dr. Faas.

Kinder wissen, wer zuerst haben wollte darf auch erstmal haben

Obwohl Kategorien wie 'meins' und 'deins' noch keinerlei Bedeutung für Kinder bis 18 Monate haben, handeln übrigens schon die Kleinsten nach gewissen Regeln, fanden Forscher heraus. Kinder verstehen zum Beispiel die Regel der Priorität. Das bedeutet: Wer sich zuerst mit einem Gegenstand beschäftigt, erwirbt damit automatisch einen vorübergehenden Anspruch, mit ihm zu spielen. Nehmen Kinder dem Erstbesitzer diesen Gegenstand weg, spüren sie, dass sie damit gegen eine Regel verstößt. Das zeigt sich den Experten zufolge in ihrem gestressten, unsicheren Verhalten. Fordert der Erstbesitzer den Gegenstand zurück, gibt die überwältigende Mehrheit der Kinder ihn darum sofort wieder ab.

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Erst ab ungefähr zwei Jahren wollen Kinder besitzen statt haben

Erst mit wachsender Ich-Entwicklung zwischen dem 18. und 24. Monat erwacht in allen Kindern der Wunsch, Dinge wirklich zu besitzen, zu erobern und zu verteidigen. „Meins!!“ – dieser Ausruf ist typisch für diese Altersgruppe. Laut einer Studie aus Kanada agieren viele Kinder dabei kämpferisch: 43 Prozent der männlichen Zweijährigen und 34 Prozent der weiblichen benutzen körperliche Mittel wie Schlagen, Schubsen, Kneifen und Reißen, um das zu bekommen, was sie unbedingt haben wollen. Eltern und Erzieherinnen sind darum von nun an als Schiedsrichter und Vermittler dringend gefragt.

Eltern zeigen Kindern, wie haben wollen funktioniert

Zu Hause, bei den Großeltern oder in der Kita sollten Kinder jetzt erleben, dass sie mit Gewalt nichts erreichen können. „Kinder brauchen Erwachsene, die ihnen ruhig und ohne Schuldzuweisungen Grenzen setzen“, sagt Angelika Faas. Beispiel: Wer beißt, muss seine Beute sofort wieder abgeben und eine Spiel-Runde aussetzen.

Kinder brauchen zudem Vorbilder, von denen sie sich abschauen können, wie Teilen und Abgeben funktioniert. „Beobachten Sie darum ganz genau, wie Sie selbst mit persönlichem Besitz sowie dem Besitz anderer umgehen und welches Verhalten Sie bei Ihrem Kind begrüßen bzw. ablehnen“, rät die Familienberaterin.
Erfreulicherweise sind Kinder nun immer mehr in der Lage, Verhaltensweisen einzuüben, die ihnen friedliche Kompromisse erleichtern. „Die Entwicklung der Sprache erlaubt es ihnen, zu fragen, bevor sie sich etwas nehmen. Die Entwicklung eines gewissen Zeitgefühls macht es möglich, sich beim Spielen mit einem Spielzeug abzuwechseln bzw. mal eine Zeitlang zu warten“, erklärt Faas.
Wichtiger Abschluss solcher Übungen: Loben Sie Ihr Kleinkind, wenn es sich kompromissbereit zeigt! Freuen Sie sich schon über ganz kleine Schrittchen!

Balance finden zwischen haben wollen und teilen

Geiz und Egoismus können ganz schön unbeliebt und einsam machen. Geteilte Freude ist dagegen oft doppelte Freude und schafft eine Atmosphäre, in der sich alle wohlfühlen – diese Erfahrung sollten Kinder täglich machen. Besonders leicht fällt Kindern das Teilenlernen übrigens, wenn ihre eigenen Bedürfnisse von klein auf respektiert und befriedigt wurden. „Wer selbst satt ist, kann besser abgeben“, bestätigt Dr. Faas. 'Füttern' Sie Ihren Nachwuchs darum gerade in den ersten Lebensjahren liebevoll und erwarten Sie nicht zu früh zu viel von ihm. Großzügigkeit und Selbstlosigkeit sind hohe Tugenden – an denen selbst mancher Erwachsene regelmäßig scheitert.

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Interview mit Dr. Joachim Bensel und Tipps

Interview mit dem Verhaltensbiologen Dr. Joachim Bensel, Mitinhaber der Forschungsgruppe Verhaltensbiologie der Menschen (FVM).

Sind kleine Kinder habgierig?

baby&co: Ist es falsch, Babys Habgier zu unterstellen?

Wem's gehört, der darf auch bestimmen.

Dr. Joachim Bensel: Ja. Denn der Hauptgrund, warum ein Kleinstkind einem anderen sein Spielzeug wegnimmt, ist sein Wunsch, dasselbe zu erleben, was das andere Kind gerade mit diesem Gegenstand erlebt. Ein Beispiel: Ein 18 Monate altes Kind beobachtet, wie ein anderes Kind mit einem Becher und Wäscheklammern spielt und dabei auf interessante Spiel-Ideen kommt, die dem Beobachter noch gar nicht eingefallen sind. Genau diese Varianten möchte das beobachtende Kind nun auch ausprobieren. Darum holt es sich den Klammer-Becher. Es möchte selbst Neues lernen. Es geht ihm nicht darum, den Becher zu besitzen.
Trotzdem entsteht ein Konflikt. Wie können Erwachsene das vermeiden?
Indem sie zum Beispiel zwei oder mehrere identische Spielzeuge anbieten, mit denen sich die Babys gleichzeitig beschäftigen können. In Kleinstkindgruppen haben Erzieher damit gute Erfahrungen gesammelt. Auch zu Hause können Eltern Konflikte so oft vermeiden.
Wann ändert sich diese spielerische Einstellung zu Dingen?
Gegen Ende des zweiten Lebensjahres bekommt der Besitz von Gegenständen eine völlig neue Dimension. Von nun an hat Besitz auch eine wichtige Funktion bei der Auslotung der Rangordnung in der Gruppe. Die Kinder erkennen, dass sie durch den Besitz von Spielzeugen andere Kinder dominieren können. Darum kommt es jetzt auch zu Situationen, in denen ein Kind etwa einem anderen Kind den Bagger wegnimmt, obwohl es gar kein Interesse hat, selbst damit zu spielen. Mit Bösartigkeit hat dieses Verhalten aber immer noch nichts zu tun. Kinder müssen in diesem Alter herausfinden, wie weit sie gehen können und wie viel Einfluss sie haben. Und das regeln sie eben nicht mit Worten, sondern mit Handlungen.

Tipps bei Konflikten zwischen Kindern

Bei Konflikten zwischen kleinen Kindern müssen Eltern oft Schlichter und Vermittler sein. So verhindern Sie, dass allzu viele Tränchen fließen:
➤ Beobachten Sie Besitz-Konflikte so neutral wie möglich und greifen Sie nicht zu früh ein. Denn: Kleinkinder finden häufig selbst Lösungen und können vieles, was Erwachsene 'gerecht' finden, noch nicht nachvollziehen.
➤ Handeln Sie bei Kleinkindern vorausschauend: Wenn Sie sehen, dass sich Kind A für das Spielzeug von Kind B interessiert, bieten Sie Kind A ein ähnliches attraktives Spielzeug an, bevor es Kind B 'beklauen' muss.
➤ Schützen Sie Ihr Kind und andere vor Aggressionen: Trennen Sie Zankhähne, die schlagen, schubsen, zerren, und gönnen Sie ihnen eine Auszeit. Akzeptieren Sie aber, dass körperliche Auseinandersetzungen völlig normal sind.
➤ Üben Sie mit Ihrem Kind Schritt für Schritt das Teilen: Man kann viele Dinge zum Beispiel aufteilen oder abwechselnd benutzen. Wichtige Lern- Aufgabe: Vor dem Nehmen den aktuellen 'Besitzer' eines Spielzeuges um Erlaubnis fragen.
Die gerechte Aufteilung von Besitz ist eine hohe Kunst, die sich erst im Alter von sieben, acht Jahren entfaltet. Zu diesem Ergebnis kamen Schweizer Forscher:
Das Experiment:
An der Universität Zürich beobachteten Wissenschaftler um Studienleiter Ernst Fehr dazu 229 nicht miteinander verwandte Drei- bis Achtjährige. 127 Mädchen und 102 Jungen mussten in verschiedenen spielerischen Situationen entscheiden, ob sie Süßigkeiten mit anderen teilen oder lieber für sich behalten wollten. Das Besondere dabei: Jedes Kind wurde allein (andere Kinder wurden ihm nur per Foto gezeigt) und nur ein Mal getestet. Den Kleinen war also bewusst, dass sie durch großzügiges Verhalten nicht auf eine „Gegenleistung“ hoffen konnten.
Die Ergebnisse:
Die Drei- bis Vierjährigen verhielten sich durchgängig egoistisch. Weniger als zehn Prozent waren zum Abgeben bereit – selbst an enge Kindergartenfreunde nicht. Bei den Fünf- bis Sechsjährigen waren bereits knapp zwanzig Prozent willig, etwas abzugeben. Bei den sieben- bis achtjährigen Schulkindern teilten fast die Hälfte die Leckereien absolut gerecht auf. Wenn es sich bei dem potenziellen Partner um einen Freund handelte, waren sogar annähernd achtzig Prozent der Kinder zum Teilen bereit. Einzelkinder zeigten übrigens generell mehr Freigiebigkeit als Geschwisterkinder.

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Bildquelle: st-fotograf - Fotolia.com,Thinkstock