1. familie.de
  2. Kleinkind
  3. Märchen
  4. Der gestohlene Heller (6-12 Jahre)

Märchen

Der gestohlene Heller (6-12 Jahre)

GettyImages-597973328

Es saß einmal ein Vater mit seiner Frau und seinen Kindern mittags am Tisch, und ein guter Freund, der zum Besuch gekommen war, aß mit ihnen. Und wie sie so saßen, und es zwölf Uhr schlug, da sah der Fremde die Tür aufgehen und ein schneeweiß gekleidetes, ganz blasses Kindlein hereinkommen. Es blickte sich nicht um und sprach auch nichts, sondern ging geradezu in die Kammer nebenan.

Erfahre mehr zu unseren Affiliate-Links
Wenn du über diese Links einkaufst, erhalten wir eine Provision, die unsere redaktionelle Arbeit unterstützt. Der Preis für dich bleibt dabei unverändert. Diese Affiliate-Links sind durch ein Symbol gekennzeichnet.  Mehr erfahren.

Bald darauf kam es zurück und ging ebenso still wieder zur Türe hinaus. Am zweiten und dritten Tag kam es auf eben diese Weise. Da fragte endlich der Fremde den Vater, wem das schöne Kind gehörte, das alle Mittag in die Kammer ginge. „Ich habe es nicht gesehen“ antwortete er, „und wüsste auch nicht, wem es gehören könnte.“

Am anderen Tage, wie es wiederkam, zeigte es der Fremde dem Vater, der sah es aber nicht, und die Mutter und die Kinder alle sahen auch nichts. Nun stand der Fremde auf, ging zur Kammertüre, öffnete sie ein wenig und schaute hinein. Da sah er das Kind auf der Erde sitzen und emsig mit den Fingern in den Dielenritzen graben und wühlen; als es aber den Fremden bemerkte, verschwand es.

Anzeige

Nun erzählte er, was er gesehen hatte, und beschrieb das Kind genau, da erkannte es die Mutter und sagte: „Ach, das ist mein liebes Kind, das vor vier Wochen gestorben ist.“ Sie brachen die Dielen auf und fanden zwei Heller, die das Kind einmal von der Mutter erhalten hatte, um sie einem armen Manne zu geben. Das Kind hatte aber gedacht: „Dafür kannst du dir einen Zwieback kaufen“ und hatte die Heller behalten und sie in den Dielenritzen versteckt. Und da hatte es im Grabe keine Ruhe gehabt, und war alle Mittage gekommen, um nach den Hellern zu suchen. Die Eltern gaben darauf das Geld einem Armen, und nachher ist das Kind nicht wieder gesehen worden.

➤ Kategorie: Grimms Märchen
➤ entnommen aus: Kinder und Hausmärchen. Gesammelt durch die Brüder Grimm.Verlegt bei Eugen Diederichs. Jena 1912.
➤ angepasst an die zeitgemäße deutsche Sprache