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Die kluge Bauerntochter (6-10 Jahre)

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Es war einmal ein armer Bauer, der hatte kein Land, nur ein kleines Häuschen und eine einzige Tochter, da sprach die Tochter: „Wir sollten den Herrn König um ein Stückchen Rottland bitten.“ Als der König hörte, wie arm sie waren, schenkte er ihnen auch ein Eckchen Rasen, den hackte sie und ihr Vater um, und wollten ein wenig Korn und der Art Frucht darauf säen. Als sie den Acker beinah herum hatten, so fanden sie in der Erde einen Mörser von purem Gold. „Hör“, sagte der Vater zu dem Mädchen, „weil unser Herr König ist so gnädig gewesen und uns diesen Acker geschenkt, so müssen wir ihm den Mörser dafür geben.“

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Die Tochter aber wollte es nicht gut heißen und sagte: „Vater, wenn wir den Mörser haben und haben den Stößel nicht, dann müssen wir auch den Stößel herbei schaffen, darum schweigt lieber still.“ Er wollt ihr aber nicht gehorchen, nahm den Mörser, trug ihn zum Herrn König und sagte, den habe er gefunden in der Heide, ob er ihn als eine Verehrung annehmen wolle. Der König nahm den Mörser und fragte, ob er nichts mehr gefunden hätte. „Nein“, antwortete der Bauer. Da sagte der König, er solle nun auch den Stößel herbeischaffen. Der Bauer sprach, den hätten sie nicht gefunden; aber das half ihm so viel, als hätte er es in den Wind gesagt, er ward ins Gefängnis gesetzt, und sollte so lange da sitzen, bis er den Stößel herbeigeschafft hätte.

Die Diener mussten ihm täglich Wasser und Brot bringen, was man so in dem Gefängnis kriegt, da hörten sie, wie der Mann als fort schrie: „Ach, hätte ich auf meine Tochter gehört! Ach, ach, hätte ich auf meine Tochter gehört!“ Da gingen die Bedienten zum König und erzählten, dass der Gefangene immerfort schreie: „Ach, hätte ich doch auf meine Tochter gehört!“ und dass er nicht essen und nicht trinken wolle. Da befahl er den Dienern, sie sollen den Gefangenen vor ihn bringen, und da fragte ihn der Herr König, warum er fort schreie: „Ach, hätte ich auf meine Tochter gehört!“ – „Was hat Eure Tochter denn gesagt?“ – „Ja, sie hat gesagt, ich sollte den Mörser nicht herbringen, sonst müsse ich auch den Stößel finden.“ – „Habt Ihr so eine kluge Tochter, so lasst sie einmal herkommen.“

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Also musste sie vor den König kommen. Der fragte sie, ob sie denn so klug wäre, und sagte, er wolle ihr ein Rätsel aufgeben. Wenn sie das erraten könne, dann wolle er sie heiraten. Da sprach sie gleich ja, sie wolle es erraten. Da sagte der König: „Komm zu mir, nicht gekleidet, nicht nackt, nicht geritten, nicht gefahren, nicht im Weg, nicht außerhalb des Wegs, und wenn du das kannst, will ich dich heiraten.“ Da ging sie hin, und zog sich splitternackt aus, da war sie nicht gekleidet. Und nahm ein großes Fischernetz, setzte sich hinein und wickelte es ganz um sich herum, da war sie nicht nackt. Und sie borgte sich einen Esel für Geld und band dem Esel das Fischernetz an den Schwanz, darin musste er sie schleppen.

Und war das nicht geritten und nicht gefahren. Der Esel musste sie aber in den Fahrgleisen schleppen, so dass sie nur mit der großen Zehe auf die Erde kam. Und das war nicht im Weg und nicht außerhalb des Weges. Und als sie so daherkam, sagte der König, sie habe das Rätsel erraten, und es sei alles erfüllt. Da ließ er ihren Vater los aus dem Gefängnis, und nahm sie sich als seine Gemahlin und übergab ihr das ganze königliche Gut. Nun waren etliche Jahre herum, als der Herr König einmal auf die Parade zog, da trug es sich zu, dass Bauern mit ihren Wagen vor dem Schloss hielten, die hatten Holz verkauft; etliche hatten Ochsen vorgespannt und etliche Pferde. Da war ein Bauer, der hatte drei Pferde.

Eines gebar ein junges Füllchen, das lief jedoch weg und legte sich mitten zwischen zwei Ochsen, die vor dem Wagen waren. Als nun die Bauern zusammenkamen, fingen sie an sich zu zanken und zu schmeißen und zu lärmen. Und der Ochsenbauer wollte das Füllchen behalten und sagte, die Ochsen hätten es gehabt. Und der andere sagte nein, seine Pferde hätten es gehabt, und es wäre sein. Der Zank kam vor den König, und er sprach das Urteil: Wo das Füllen gelegen habe, da solle es bleiben. Also bekam es der Ochsenbauer, dem es doch nicht gehörte. Da ging der andere weg, weinte und lamentierte über sein Füllchen. Nun hatte er davon gehört, dass die Frau Königin gnädig wäre, weil sie auch von armen Bauersleuten gekommen sei.

Er ging zu ihr hin und bat sie, ob sie ihm nicht helfen könne, dass er sein Füllchen wiederbekäme. Sagte sie: „Ja, wenn Ihr mir versprecht, dass Ihr mich nicht verratet, so will ich es Euch sagen. Morgen früh, wenn der König auf der Wachparade ist, so stellt Euch mitten auf die Straße, wo er vorbeikommen muss. Nehmt ein großes Fischernetz und tut, als fischtet Ihr, und fischt immerfort und schüttet das Netz aus, als wenn es voll wäre.“ Und sie sagte ihm auch, was er antworten solle, wenn er vom König gefragt würde. Also stand der Bauer am nächsten Tag da und fischte auf einem trockenen Platz. Als der König vorbeikam und das sah, schickte er seinen Läufer hin, der sollte fragen, was der närrische Mann vorhätte.

Da gab er zur Antwort: „Ich fische.“ Fragte der Läufer, wie er fischen könne, es sei ja kein Wasser da. Sagte der Bauer „So gut wie zwei Ochsen ein Füllen kriegen können, so gut kann ich auch auf dem trockenen Platz fischen.“ Der Läufer ging und brachte dem König die Antwort, da ließ er den Bauer vor sich kommen und sagte ihm, das habe er wohl sich nicht allein ausgedacht, von wem er das hätte. Und er sollt es gleich bekennen. Der Bauer aber wollt es nicht tun und sagte immer: „Gott bewahr!“ Er habe es von sich allein. Sie legten ihn aber auf ein Bündel Stroh und schlugen und drangsalierten ihn so lange, bis er verriet, dass er es von der Frau Königin habe.

Als der König nach Haus kam, sagte er zu seiner Frau: „Warum bist du so falsch zu mir, ich will dich nicht mehr als Gemahlin. Deine Zeit ist um, geh wieder dort hin, wo du hergekommen bist, in dein Bauernhäuschen.“ Doch erlaubte er ihr eins, sie sollte sich das Liebste und Beste mitnehmen, was sie wüsste, und das sollte ihr Abschied sein. Sie sagte: „Ja, lieber Mann, wenn du es so befiehlst, will ich es auch tun.“ Und fiel über ihn her und küsste ihn und sprach, sie wolle Abschied von ihm nehmen. Dann ließ sie einen starken Schlaftrunk kommen, um Abschied mit ihm zu trinken. Der König nahm einen großen Zug, sie aber trank nur ein wenig. Da geriet er bald in einen tiefen Schlaf, und als sie das sah, rief sie einen Diener und nahm ein schönes weißes Linnentuch und schlug ihn da hinein.

Und die Diener mussten ihn in einen Wagen vor die Türe tragen, und dann fuhr sie ihn heim in ihr Häuschen. Da legte sie ihn in ihr Bettchen, und er schlief Tag und Nacht in einem fort. Und als er aufwachte, sah er sich um und sagte: „Ach Gott, wo bin ich denn?“ Er rief nach seinen Dienern, aber es war keiner da. Endlich kam seine Frau vors Bett und sagte: „Lieber Herr König, Ihr habt mir befohlen, ich sollte das Liebste und Beste aus dem Schloss mitnehmen, nun hab ich nichts Besseres und Lieberes als dich, da hab ich dich mitgenommen.“ Dem König stiegen die Tränen in die Augen, und er sagte: „Liebe Frau, du sollst mein sein und ich dein“, und nahm sie wieder mit ins königliche Schloss und ließ sich aufs neue mit ihr vermählen; und werden sie ja wohl noch auf den heutigen Tag leben.

➤ Kategorie: Grimms Märchen
➤ entnommen aus: Kinder und Hausmärchen. Gesammelt durch die Brüder Grimm.Verlegt bei Eugen Diederichs. Jena 1912.
➤ angepasst an die zeitgemäße deutsche Sprache

Disclaimer

Liebe Leser*innen,

Grimms Märchen gehören zum kulturellen Erbe und deshalb möchten wir sie hier auch so stehen lassen, wie viele Eltern, Großeltern und Urgroßeltern sie noch aus ihrer eigenen Kindheit kennen. Dennoch: Für uns von familie.de gibt es nichts Wichtigeres, als eine vielfältige, offene und gleichberechtigte Gesellschaft. Was ihr hier in Grimms Märchen teilweise lest oder vorlest, passt mit unseren Wertvorstellungen oftmals nicht überein.

Die Märchen wurden im frühen 19. Jahrhundert zusammengetragen und waren auch damals nicht primär für Kinder gedacht. Sie sind voll von Brutalität und diskriminierenden Stereotypen. In den Geschichten finden wir nicht nur gruselige Märchengestalten wie Hexen oder Monster, sondern u.a. auch Gewalt an Kindern oder die Bevormundung von Frauen. Das ist nicht nur heute falsch, sondern war es auch damals schon. Zum Glück wachsen unsere Kinder in Zeiten auf, in denen ein Bewusstsein für diese Missstände herrscht.

Ihr kennt eure Kids am besten und daher ist es euch überlassen, ob ihr diese Erzählweise für euren Nachwuchs als angemessen anseht oder nicht; ob ihr Passagen auslasst oder abgeändert vorlest. In jedem Fall: Sprecht mit euren Kindern über das Gelesene und thematisiert das, was gegebenenfalls Angst macht oder Unrecht ist.