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Meister Pfriem (4-10 Jahre)

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Meister Pfriem war ein kleiner hagerer, aber lebhafter Mann, der keinen Augenblick Ruhe hatte. Sein Gesicht, aus dem nur die aufgestülpte Nase vorragte, war pockennarbig und leichenblass, sein Haar grau und struppig, seine Augen klein, aber sie blitzten unaufhörlich rechts und links hin. Er bemerkte alles, tadelte alles, wusste alles besser und hatte in allem Recht. Ging er auf der Straße, so ruderte er heftig mit beiden Armen, und einmal schlug er einem Mädchen, das Wasser trug, den Eimer so hoch in die Luft, dass er selbst davon begossen ward. „Schafskopf“, rief er ihr zu, indem er sich schüttelte, „konntest du nicht sehen, dass ich hinter dir herkam?“ Seines Handwerks war er ein Schuster, und wenn er arbeitete, so fuhr er mit dem Draht so gewaltig aus, dass er jedem, der sich nicht weit genug in der Ferne hielt, die Faust in den Leib stieß.

Kein Geselle blieb länger als einen Monat bei ihm, denn er hatte an der besten Arbeit immer etwas auszusetzen. Bald waren die Stiche nicht gleich, bald war ein Schuh länger, bald ein Absatz höher als der andere, bald war das Leder nicht hinlänglich geschlagen. „Warte“, sagte er zu dem Lehrjungen, „ich will dir schon zeigen, wie man die Haut weich schlägt“, holte den Riemen und gab ihm ein paar Hiebe über den Rücken. Faulenzer nannte er sie alle. Er selber brachte aber doch nicht viel fertig, weil er keine Viertelstunde ruhig sitzen blieb. War seine Frau frühmorgens aufgestanden und hatte Feuer angezündet, so sprang er aus dem Bett und lief mit bloßen Füßen in die Küche. „Wollt ihr mir das Haus anzünden?“ schrie er, „das ist ja ein Feuer, dass man einen Ochsen dabei braten könnte!

Oder kostet das Holz etwa kein Geld?“ Standen die Mägde am Waschfass, lachten und erzählten sich, was sie wussten, so schalt er sie aus: „Da stehen die Gänse und schnattern und vergessen über dem Geschwätz ihre Arbeit. Und wozu die frische Seife? Heillose Verschwendung und obendrein eine schändliche Faulheit: Sie wollen die Hände schonen und das Zeug nicht ordentlich reiben.“ Er sprang fort, stieß aber einen Eimer voll Lauge um, so dass die ganze Küche überschwemmt ward. Richtete man ein neues Haus auf, so lief er ans Fenster und sah zu. „Da vermauern sie wieder den roten Sandstein“, rief er, „der niemals austrocknet; in dem Haus bleibt kein Mensch gesund.

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Und seht einmal, wie schlecht die Gesellen die Steine aufsetzen. Der Mörtel taugt auch nichts: Kies muss hinein, nicht Sand. Ich erlebe noch, dass den Leuten das Haus über dem Kopf zusammenfällt.“ Er setzte sich und tat ein paar Stiche, dann sprang er wieder auf, hakte sein Schurzfell los und rief: „Ich will nur hinaus und den Menschen ins Gewissen reden.“ Er geriet aber an die Zimmerleute. „Was ist das?“ rief er, „ihr haut ja nicht nach der Schnur. Meint ihr, die Balken würden gerade stehen? Es weicht einmal alles aus den Fugen.“ Er riss einem Zimmermann die Axt aus der Hand und wollte ihm zeigen, wie er hauen müsste. Als aber ein mit Lehm beladener Wagen herangefahren kam, warf er die Axt weg und sprang zu dem Bauern, der nebenher ging. „Ihr seid nicht recht bei Trost“, rief er, „wer spannt junge Pferde vor einen schwer beladenen Wagen?

Die armen Tiere werden Euch auf dem Platz umfallen.“ Der Bauer gab ihm keine Antwort, und Pfriem lief vor Ärger in seine Werkstätte zurück. Als er sich wieder zur Arbeit setzen wollte, reichte ihm der Lehrjunge einen Schuh. „Was ist das wieder?“ schrie er ihn an, „habe ich euch nicht gesagt, ihr solltet die Schuhe nicht so weit ausschneiden? Wer wird einen solchen Schuh kaufen, an dem fast nichts ist außer der Sohle? Ich verlange, dass meine Befehle unmangelhaft befolgt werden.“ – „Meister“, antwortete der Lehrjunge, „Ihr mögt wohl recht haben, dass der Schuh nichts taugt, aber es ist derselbe, den Ihr zugeschnitten und selbst in Arbeit genommen habt. Als Ihr vorhin aufgesprungen seid, habt Ihr ihn vom Tisch herab geworfen, und ich habe ihn nur aufgehoben. Euch könnte es aber ein Engel vom Himmel nicht recht machen.“

Meister Pfriem träumte in einer Nacht, er wäre gestorben und befände sich auf dem Weg nach dem Himmel. Als er anlangte, klopfte er heftig an die Pforte: „Es wundert mich“, sprach er, „dass sie nicht einen Ring am Tor haben, man klopft sich die Knöchel wund.“ Der Apostel Petrus öffnete und wollte sehen, wer so ungestüm Einlass begehre. „Ach, Ihr seid es, Meister Pfriem“, sagte er, „ich will Euch wohl einlassen, aber ich rate Euch, dass Ihr von Eurer Gewohnheit ablasst und nichts tadelt, was Ihr im Himmel seht: Es könnte Euch übel bekommen.“ – „Ihr hättet Euch die Ermahnung sparen können“, erwiderte Pfriem, „ich weiß schon, was sich ziemt, und hier ist, Gott sei Dank, alles vollkommen und nichts zu tadeln wie auf Erden.“ Er trat also ein und ging in den weiten Räumen des Himmels auf und ab. Er sah sich um, rechts und links, schüttelte aber zuweilen mit dem Kopf oder brummte etwas vor sich hin.

Da erblickte er zwei Engel, die einen Balken wegtrugen. Es war der Balken, den einer im Auge gehabt hatte, während er den Splitter in den Augen anderer suchte. Sie trugen aber den Balken nicht der Länge nach, sondern quer. „Hat man je einen solchen Unverstand gesehen?“ dachte Meister Pfriem; doch schwieg er und gab sich zufrieden: „Es ist im Grunde einerlei, wie man den Balken trägt, geradeaus oder quer, wenn man nur damit durchkommt, und wahrhaftig, ich sehe, sie stoßen nirgends an.“ Bald danach erblickte er zwei Engel, welche Wasser aus einem Brunnen in ein Fass schöpften, zugleich bemerkte er, dass das Fass durchlöchert war und das Wasser von allen Seiten herauslief. Sie tränkten die Erde mit Regen. „Alle Hagel!“ platzte er heraus, besann sich aber glücklicherweise und dachte: „Vielleicht ist es bloßer Zeitvertreib; macht es einem Spaß, so kann man dergleichen unnütze Dinge tun, zumal hier im Himmel, wo man, wie ich schon bemerkt habe, doch nur faulenzt.“

Er ging weiter und sah einen Wagen, der in einem tiefen Loch stecken geblieben war. „Kein Wunder“, sprach er zu dem Mann, der dabeistand, „wer wird so unvernünftig aufladen? Was habt Ihr da?“ – „Fromme Wünsche“, antwortete der Mann, „ich konnte damit nicht auf den rechten Weg kommen, aber ich habe den Wagen noch glücklich herauf geschoben, und hier werden sie mich nicht stecken lassen.“ Wirklich kam ein Engel und spannte zwei Pferde vor. „Ganz gut“, meinte Pfriem, '“aber zwei Pferde bringen den Wagen nicht heraus, viere müssen wenigstens davor.“ Ein anderer Engel kam und führte noch zwei Pferde herbei, spannte sie aber nicht vorn, sondern hinten an. Das war dem Meister Pfriem zu viel. „Tolpatsch“, brach er los, „was machst du da? Hat man je, solange die Welt steht, auf diese Weise einen Wagen herausgezogen? Da meinen sie aber in ihrem dünkelhaften Übermut alles besser zu wissen.“

Er wollte weiterreden, aber einer von den Himmelsbewohnern hatte ihn am Kragen gepackt und schob ihn mit unwiderstehlicher Gewalt hinaus. Unter der Pforte drehte der Meister noch einmal den Kopf nach dem Wagen und sah, wie er von vier Flügelpferden in die Höhe gehoben ward. In diesem Augenblick erwachte Meister Pfriem. „Es geht freilich im Himmel etwas anders her als auf Erden“, sprach er zu sich selbst, „und da lässt sich manches entschuldigen, aber wer kann geduldig mit ansehen, dass man die Pferde zugleich hinten und vorn anspannt? Freilich, sie hatten Flügel, aber wer kann das wissen? Es ist übrigens eine gewaltige Dummheit, Pferden, die vier Beine zum Laufen haben, noch ein paar Flügel anzuheften. Aber ich muss aufstehen, sonst machen sie mir im Haus lauter verkehrtes Zeug. Es ist nur ein Glück, dass ich nicht wirklich gestorben bin.“

➤ Kategorie: Grimms Märchen
➤ entnommen aus: Kinder und Hausmärchen. Gesammelt durch die Brüder Grimm.Verlegt bei Eugen Diederichs. Jena 1912.
➤ angepasst an die zeitgemäße deutsche Sprache