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Ganz schön heiß – Finnische Sauna (5-7 Jahre)

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»Yksi-kaksi«, krächzt der Papagei und legt seinen blau-grünen Kopf schief. Seine schwarzen Knopfaugen und sein Gefieder glänzen. Selma schiebt vorsichtig ein Apfelstückchen durch die Gitterstäbe des Käfigs. »Terve«, krächzt der Papagei und pickt Selma in den Finger. »Autsch!« Selma steckt schnell den Finger in ihren Mund. »Wehgetan?«, will Mari wissen. Selma schüttelt den Kopf. »Tseki ist der einzige Papagei, der auf Finnisch zählen und Guten Tag sagen kann. Aber er kann auch richtig gemein sein«, erklärt Mari. »Komm, ich zeig dir, wo wir im Sommer waren.« Selma folgt Mari zum kleinen Kiosk gegenüber. Da gibt es Zimtgebäck, das Finnische Ohrfeigen heißt, und Postkarten zu kaufen. »Das ist der Saimaa-See. Unser Haus sieht genauso aus wie das auf dem Bild.« Mari zeigt auf das einsame Holzhaus am Ufer des tiefblauen Sees. Der See ist riesengroß und liegt mitten im Wald. »Leben da auch Bären?«, fragt Selma. »Klar!« Mari grinst. »Aber zum Glück nur Blaubeeren. Weiter im Norden gibt es aber auch Braunbären, Elche und Rentiere.« Selma zieht eine andere Bildkarte aus dem Ständer. »Und was ist das?« Ein Restaurant mit Tischen aus durchsichtigen Eisblöcken und Bänken aus Schnee ist darauf zu sehen.
»Das ist das Schneehotel in Kemi. Es ist nur aus Eis und Schnee gebaut.« »Brrr!«, macht Selma. »Aber es sieht toll aus. Wie der Palast der Eiskönigin. Schade, dass es bei uns im Winter nicht so viel Schnee gibt …« »So, wir haben alles!« Maris Mama raschelt mit einer Tüte aus dem Tiefkühlfach. »Frische Birkenzweige – die brauchen wir in der Sauna.« Selma, Mari und ihre Mama gehen zum Umkleideraum. Selma ist etwas mulmig zumute, weil sie noch nie in einer Sauna war. »Das ist nichts für Kinder«, hat Papa gesagt. »Da ist es viel zu heiß für dich.« Aber Maris Mama hat darüber gelacht. »Bei uns in Finnland gehen alle Kinder in die Sauna. Früher sind sogar die Babys in der Sauna zu Welt gekommen. Selma kann ruhig mitkommen. Wenn es ihr zu heiß wird, geht sie einfach wieder raus.« Im Umkleideraum ziehen sich Selma, Mari und ihre Mama nackt aus. Nur ihre Handtücher, Seife und die Birkenzweige nehmen sie mit. »Wir duschen, bevor wir in die Sauna gehen«, sagt Mari. »Dann kann man besser schwitzen.« Selma dreht sich unter der warmen Dusche hin und her und guckt hinüber zur Sauna. Eine merkwürdige kleine Kammer aus Holz ist das, mit einem dicken Glasfenster in der Tür. Sauna ist Finnisch, hat Mari erklärt, und es bedeutet Schwitzstube. In der Sauna brennt schummriges Licht, und es gibt breite Holztreppen, auf denen man sitzen kann. »Habt ihr euch gut abgetrocknet? Dann kommt …« Maris Mama zieht die Tür zur Sauna auf. »Du musst dich auf dein Handtuch setzen, sonst verbrennst du dir deinen Popo!«, sagt Mari kichernd. Selma befühlt das Holz der Pritsche. Heiß wie der Bürgersteig im Sommer. Da kann Selma auch nicht barfuß drüberlaufen.
Mari legt die frischen Birkenzweige neben den Metallofen in der Ecke. »Wenn es im Winter keine Birkenzweige mit Blättern dran gibt, nehmen wir welche aus der Tiefkühltruhe.« »Wozu brauchen wir die denn?«, wundert sich Selma. »Wir warten, bis sie am Ofen weich und duftend werden. Dann schlagen wir uns damit auf Beine, Arme und auf den Rücken.« Selma verzieht ängstlich die Nase. »Davon hast du mir gar nichts gesagt!« »Keine Angst«, beruhigt Maris Mama. »Man schlägt sich die Birkenzweige nur ganz leicht auf die Haut. Das ist wie eine Massage, und man kann dadurch besser schwitzen.« »Noch mehr schwitzen?«, flüstert Selma. »Mir ist jetzt schon ganz heiß!« Selmas Knie und Oberarme sind rot, und ihre Haut kribbelt und prickelt. »Willst du das Löyly machen?« Maris Mama hält Mari den Holzbottich mit der langen Schöpfkelle hin. »Löyly ist Finnisch und bedeutet angenehme Wärme.« Mari schöpft mit der Kelle etwas Wasser aus dem Bottich und lässt es über die heißen Steine auf dem Saunaofen tröpfeln. Es zischt und dampft, dass Selma ganz unheimlich wird. Mari schüttet mehr und mehr Wasser auf die Steine, und da spürt Selma, wie es an ihrem Körper überall zu kitzeln beginnt. Rund um ihren Bauchnabel bilden sich Schweißtröpfchen und dann auch in ihren Armbeugen und Handflächen. Uff, was für eine Hitze. Aber eigentlich ist sie nicht unangenehm oder schlimm, doch eben fremd und neu. Noch nie zuvor hat Selma so geschwitzt, dass es aus ihren Haaren und von der Nase tropfte. Selmas Arme und Beine sind so nass, als hätte sie gerade geduscht.
»Der Schweiß spült Schmutz aus deinem Körper nach draußen«, erklärt Maris Mama. »Danach bist du innen und außen ganz sauber.« »Außerdem macht die Hitze die Grippeviren platt. Deshalb sind wir im Winter nicht so oft krank.« Mari nimmt eines der Birkenbüschel und schlägt ihrer Mama damit auf dem Rücken. »Aua, nicht so fest!« Mari kichert. Die Birkenblätter verströmen einen frischen, angenehmen Duft. Wie Frühling riecht das. Selma nimmt sich auch ein Bündel Birkenzweige und schlägt damit leicht auf ihre Waden. Rot und kribbelnd wird die Haut davon. »In Finnland hat jedes Haus eine Sauna«, erzählt Maris Mama. »Die Familie und Freunde treffen sich dort mindestens einmal in der Woche. Alle schwitzen zusammen und baden und essen und plaudern. Das ist toll!« Mari gibt ihrer Mama das Birkenreisig und macht die Augen zu. Jetzt ist Mama dran mit der Schlagmassage. »Wenn wir in Finnland in unserem Ferienhaus in die Sauna gehen«, erzählt Mari, »springen wird hinterher zur Abkühlung nackt in den See.« »Super!«, findet Selma. »Und was macht ihr im Winter, wenn man im See nicht baden kann?« Mari grinst. Ihr Gesicht ist von der Hitze ganz rot, und ihre hellen Locken kleben an ihren Wangen. »Wer sagt denn, dass wir im Winter nicht im See baden können? Dann hackt Mama ein Loch ins Eis.« »So ein Quatsch, das glaub ich dir nie«, ruft Selma verärgert. Nur weil Mari aus Finnland kommt, braucht sie nicht zu glauben, sie könne anderen einen Bären aufbinden. Mari legt den Kopf schief und blinkert mit den Augen. »Natürlich können wir nur ein Loch ins Eis machen, wenn es nicht zu dick ist. Wenn es im Winter richtig friert, dann geht das nicht. Dann machen wir zur Abkühlung was ganz anderes. Stimmt’s, Mama?« Maris Mama grinst über beide Ohren. »Stimmt. Das hätte ich beinahe vergessen. Sollen wir Selma das mal zeigen? Ich finde ohnehin, fürs Erste reicht es mit Schwitzen. Selma ist zum ersten Mal in der Sauna und muss sich erst an alles gewöhnen.« Schade, findet Selma. Denn gerade war es richtig gemütlich geworden bei all den Geschichten über Finnland und das Haus am See. Im Vorraum duscht Selma und zieht ihren Bademantel an. Dann geht es über eine Treppe hinauf bis zu einer Glastür. Die führt direkt auf die Dachterrasse vom Finnischen Zentrum. Draußen ist es dunkel, und es hat wieder angefangen zu schneien. Der Schnee auf der Terrasse glitzert, und aus einem kleinen Wasserbecken dampft es. »Bist du bereit?« Mari zieht ihren Bademantel aus und hängt ihn an den schwarzen Plastikhaken. »Bin ich.« Maris Mama hängt ihren Mantel neben den von Mari. Dann stürmen beide Hand in Hand nach draußen. Selma reißt den Mund auf. Die spinnen, die Finnen! Sie können doch nicht einfach nackt im Schnee rumlaufen! Aber Mari und ihrer Mama scheint es gar nichts auszumachen. Sie formen Schneebälle und bewerfen sich damit. Selma zieht ihren Bademantel aus und rennt hinaus. Herrlich ist das und überhaupt nicht kalt. Ganz still ist es hier oben auf dem Dach über der Stadt. Still wie am Ufer eines finnischen Sees. Selma greift in den Schnee und wirft ihn auf Mari. Die quietscht und wirft welchen zurück. Selma und Mari wälzen sich im Schnee. Prickelnd wie eine rasende Schlittenfahrt fühlt sich das an. »Das reicht«, ruft Maris Mama. »Kommt rein, warm duschen.« Als Selma zurückläuft, sieht sie sich im Spiegel der Glastür. Ihr ganzer Körper dampft, weil er immer noch ganz heiß von der Sauna ist.
Später, nach der dritten Saunarunde und nach einer Finnischen Ohrfeige mit Limo, kuschelt sich Selma auf dem Rücksitz des Autos dicht an Mari. So ruhig und angenehm schläfrig hat sie sich noch nie gefühlt. Von ihr aus könnten sie jetzt endlos so durch die verschneite Lichterstadt fahren. »Wenn wir das nächste Mal in die Sauna gehen, macht Selma für uns das Löyly«, sagt Maris Mama. »Stimmt’s?« »He, Selma?« Mari rüttelt sachte an Selmas Schulter. Aber da ist Selma schon eingeschlafen.
➤ Kategorie: Gute-Nacht-Geschichten
➤ Text von Susanne Orosz/Illustrationen von Stefanie Scharnberg aus dem Buch "Die Welt bei uns zu Hause", ellermann im Dressler Verlag
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