Völlig erledigt sitzen Yannik und Karla auf den Gartenstühlen und warten darauf, dass Oma und Opa mit dem Abendessen auf die Terrasse kommen. Ein toller Ferientag mit Wasserschlachten, Eiscreme und Sandburgenbauen liegt hinter ihnen. Lächelnd denkt Yannik daran, wie er Karla beim Baden einen Eimer Glibschquallen über den Kopf gekippt hat. Den Eimer vollzukriegen hatte zwar ganz schön gedauert. Dafür aber war Karlas Gekreische der Knaller gewesen. Grinsend schielt er zu seiner älteren Schwester hinüber. Aber die grinst ihn ebenfalls an. »Was grinst du?«, fragt Yannik, obwohl er schon eine Ahnung hat. »Ach, nur so«, sagt Karla und kichert. »Kribbelt’s denn noch?« »Hä, hä, witzig«, brummt Yannik. Die Erinnerung an Karlas Racheaktion hat ihm schlagartig die Laune verdorben. Seine Schwester hatte ihm nämlich heimlich das Badetuch weggezogen, als er sich darauflegen wollte. Gerade nachdem Oma ihn überall mit reichlich Sonnencreme eingeschmiert hatte. Yannik war zwar blitzschnell aufgesprungen, aber da war sein Rücken schon mit einer ekligen Sandschicht überzogen. Während Karla lachte und Herr Schulz, Omas und Opas Labradorrüde, begeistert bellte, war Yannik zum Wasser gerannt. Aber leider war er schon nach zwei Schritten über die Hundeleine gestolpert, mit der Herr Schulz am Strandkorb angebunden war. Vornüber war Yannik mit dem Gesicht im Sand gelandet. Sogar beim großen Versöhnungs-Eisessen hatten die Sandkörner noch zwischen Yanniks Zähnen geknirscht. Yannik überlegt gerade, wo er wohl schöne Krabbelkrebse herkriegen könnte, um sie Karla beim Sonnenbaden auf den Rücken zu setzen, als Oma und Opa endlich mit Abendessen und Geschirr herauskommen. Dicht gefolgt von Herrn Schulz, der begeistert schnuppert. Das können Yannik und Karla gut verstehen. Bei dem Duft, der aus Omas Lasagne-Form aufsteigt, läuft auch ihnen das Wasser im Mund zusammen. Beim Essen schmieden sie gemeinsam Pläne für den nächsten Tag. »Morgen soll es wieder schön werden«, sagt Oma. »Wie wär’s, wenn wir noch mal an den Strand fahren?« Das finden alle gut. »Du, Opa?«, platzt es da aus Yannik heraus. »Können wir dann zusammen Krebse suchen?« »Klar, aber was willst du damit?«, fragt Opa. »Och, ich …«, beginnt Yannik und versucht verzweifelt, sich was auszudenken. Doch da ertönt ein lautes Rascheln im Gebüsch. Gefolgt von einem unheimlichen »FFT! ÜCH! PFÜCH! FCHR! FFT! ÖCH!«. »Was war das?«, flüstert Karla. Yannik schaut in den Garten. Aber mittlerweile ist es ziemlich dunkel geworden. Außer den dunklen Umrissen von Büschen und Bäumen ist kaum etwas zu erkennen. »Das ist bestimmt ein Monster«, sagt Yannik und grinst Karla an, wofür er einen strengen Blick von Oma kassiert. Doch da raschelt es erneut im Gebüsch, und Herr Schulz fängt an zu knurren. »FFT! ÜCH! PFÜCH! FCHR! FFT! ÖCH!« Jetzt hat Herr Schulz genug. Bellend rennt er über den Rasen davon und stürzt sich ins Gebüsch. Sie hören ein Rascheln. Scharren. Fauchen. Knurren. Dann ein lautes Jaulen, und plötzlich kommt Herr Schulz wieder aus dem Gebüsch – winselnd und humpelnd. Während sich Oma, Yannik und Karla um Herrn Schulz kümmern, holt Opa schnell eine Taschenlampe aus dem Haus. »Mal sehen, was sich da rumtreibt«, brummt er und marschiert auf das Gebüsch zu. »Pass bloß auf, Opa!«, ruft Yannik. Ihm ist ganz schön mulmig zumute. Aber er kann Opa ja nicht einfach so im Stich zu lassen. Also saust Yannik ins Haus, um sich mit seiner Strandschaufel zu bewaffnen. Doch als er zurückkommt, hat Opa den Übeltäter bereits entdeckt. »Guck mal«, sagt Opa. »Das habe ich mir fast gedacht. Kein Wunder, dass Herr Schulz den Kürzeren gezogen hat. Er hat sich mit einem Igel angelegt.« Im Schein von Opas Taschenlampe ist ein Stachelball auf dem Boden zu sehen. »Mit einem Igel?«, fragt Yannik verblüfft. Natürlich hat er Igel schon einmal auf Fotos gesehen. Aber noch nie in echt, und so komisch zusammengerollt schon gar nicht. »Genau«, erwidert Opa. »Wenn sich Igel nämlich bedroht fühlen, rollen sie sich blitzschnell zusammen. Dabei spannt sich ihre Rückenhaut so, dass sich die Stacheln aufstellen. Im Inneren dieser Stachelkugel ist er dann super vor Feinden geschützt. Denn so ein erwachsener Igel hat immerhin 6000 bis 8000 Stacheln.« »Und die sind verflixt spitz«, sagt Oma, die inzwischen mit Karla nachgekommen ist. »Kaum zu glauben, dass das eigentlich seine Haare sind, oder?« »Echt? So harte Haare?«, fragt Karla. Ebenso wie Yannik kann sie sich das kaum vorstellen. »Doch, echt«, bestätigt Oma lächelnd. »Genauer gesagt bestehen sie aus Horn, also dem gleichen Material wie unsere Haare und Fingernägel. Als Babys im Mutterleib haben Igel erst noch viel, viel weichere Stacheln, die noch in die Haut eingebettet sind, um ihre Mutter nicht zu verletzen. Aber nach der Geburt ändert sich das.«
»Woher wisst ihr eigentlich so viel über Igel?«, fragt Yannik neugierig. »Vor ein paar Jahren haben wir im Winter mal einen entkräfteten Igel in Pflege genommen. Eigentlich lassen sich Igel im Winter nicht blicken, weil sie Winterschlaf halten. Aber der hat verzweifelt im Garten nach Nahrung gesucht. Wahrscheinlich weil er im Herbst nicht genug zu fressen gefunden hat. Wir haben ihn erst zum Tierarzt gebracht und ihm dann im Haus ein kleines Gehege gebaut. Und ihn mit Hundefutter aus der Dose aufgepäppelt«, erzählt Opa. »Mit Hundefutter?«, fragt Karla verdutzt. »Nee, das stimmt doch nicht«, meint Yannik, der sich das auch kaum vorstellen kann. Doch Oma nickt. »In der Natur fressen Igel Würmer, Insekten oder Früchte. Aber in solchen Fällen kann man ihnen auch gut Hundefutter geben.« »Tja, und was noch mal die spitzen Stacheln anbelangt: Beim Füttern haben wir uns den einen oder anderen schmerzhaften Pikser eingefangen «, sagt Opa. »Genau wie unser Herr Schulz eben.« Ach ja, Herr Schulz. Den hätte Yannik in der Aufregung fast vergessen. »Geht’s ihm wieder besser?«, fragt er besorgt. »Keine Bange«, sagt Oma. »Karla und ich haben die Pfote schnell mit Desinfektionsspray eingesprüht und ihm zum Trost noch eine Bockwurst spendiert.« »So, dann lasst uns mal langsam den Tisch abräumen und wieder reingehen «, sagt Opa. »Der arme Igel hat sicherlich Angst.« Als sie gemeinsam den Tisch abräumen, hören sie wieder die unheimlichen Geräusche. »FFT! ÜCH! PFÜCH! FCHR! FFT! ÖCH!« »Ach, ist das etwa vorhin der Igel gewesen?«, fragt Karla. »Genau«, erwidert Opa. »Wenn Igel den Boden nach Nahrung durchwühlen, können sie manchmal ganz schön laut schnaufen – und schmatzen, wenn sie auf was Leckeres gestoßen sind.« Immer wieder hallt am Abend das emsige »FFT! ÜCH! PFÜCH! FCHR! FFT! ÖCH!« des Igels durch die Nacht, worüber sich alle nun richtig freuen – mit Ausnahme vielleicht von Herrn Schulz ...
➤ Kategorie: Gute-Nacht-Geschichten
➤ Text Maren von Christian Dreller/Illustrationen von Heike Vogel aus dem Buch "Wo geht der Astronaut aufs Klo? Vorlesegeschichten für neugierige Kinder", ellermann im Dressler Verlag
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