An einem Sonntagmorgen, als ich gerade eine Banane aß, kam meine Schwester Klara zu mir und fragte: »Weißt du, was ich heute Nachtgeträumthabe?« Ich wollte es gar nicht wissen,aber sie fragte schon wieder: »Weißt du,was ich heute Nacht geträumt habe?« »Was denn?« »Onkel Toni hat sich einen Papagei gekauft. Einen großen bunten Papagei, der auch noch sprechen kann. «Ich wollte meiner Schwester zeigen, dass ich auch schöne Träume habe. Darum sagte ich: »Ich habe heute Nacht auch was geträumt.« »Was denn?« »Ich hatte einen Löwen. Einen schönen, kleinen, zahmen Löwen. Ich habe die ganze Nacht mit ihm gespielt.« Ich dachte, sie wird mich jetzt beneiden und sich ein bisschen ärgern. Aber sie fragte nur: »Hast du das zum ersten Mal geträumt?« »Zum ersten Mal«, nickte ich eifrig.
»Dann gilt das nicht!«, schrie sie, nur um mich zu ärgern. »Ich habe schon dreimal hintereinander von dem Papagei geträumt. Und wenn man dreimal hintereinander dasselbe träumt, dann wird es wahr. Onkel Toni muss den Papagei schon haben. Es ist sicher so!«
Das wollte ich meiner Schwester Klara nicht glauben. »Stimmt nicht!«, rief ich. »Stimmt nicht!« »Doch!«, beharrte sie. »Doch! Wenn man dreimal hintereinander dasselbe träumt, wird es wahr. Das weiß doch jeder.« »Stimmt nicht! Stimmt nicht!« »Doch! Doch!« »Wollen wir wetten?«, schlug ich vor. »Um was?« »Wenn Onkel Toni keinen Papagei hat, dann musst du eine Woche lang alles tun, was ich will.« »Und wenn er einen hat?«, fragte sie listig. »Was dann?« »Dann werde ich eine Woche lang alles tun, was du willst.« »Abgemacht!« Wir gaben uns die Hände, um die Wette zu besiegeln, und liefen die Treppe nach oben in den fünften Stock, wo Onkel Toni wohnt. Ich klingelte. Endlich eine Wette mit Klara, die ich gewinnen werde!, dachte ich. Bis jetzt hatte sie immer alle Wetten gewonnen.»Onkel Toni! Onkel Toni!« Ich klopfte ungeduldig gegen die Tür. Er kam, öffnete und fragte: »Was gibt es denn?« »Onkel Toni, hast du einen Papagei?«, fragte ich. »Ja!«, lachte er. »Willst du ihn sehen?« Ich blieb mit offenem Munde in der Tür stehen. Das gab’s doch nicht! »Ich habe ihn heute Morgen mit nach Hause gebracht. Komm herein. Klara hat ihn schon gesehen.« Also so war das! Jetzt musste ich eine Woche lang alles machen, was sie wollte. Sie hatte mich schon wieder reingelegt. Sie hatte den Papagei vorher schon gesehen, und darum wusste sie, dass sie die Wette gewinnen wird. Und das mit dem Traum hatte sie sich ganz bestimmt ausgedacht. Aber Klara schwor, dass alles stimmte. Sie hätte sich nichts ausgedacht. »Dreimal hintereinander habe ich von dem Papagei geträumt, und als ich am Sonntagmorgen aus dem Fenster schaute, sah ich Onkel Toni mit dem Papagei«, erklärte sie. »Glaub es mir!«
Ich glaubte ihr das alles nicht so richtig. Aber seitdem versuche ich, dreimal hintereinander von einem zahmen Löwen zu träumen Von einem kleinen, zahmen Löwen, der mir gehört. Bis jetzt habe ich es noch nichtgeschafft. Aber vielleichtschaffe ich es noch. Wenn ich dann einen kleinen, zahmen Löwen habe, wird sich meine Schwester Klara bestimmt wundern!
➤ Kategorie: Gute-Nacht-Geschichten
➤ Text von Dimiter Inkiow/Illustrationen von Traudl Reiner und Walter Reiner aus "Ich und Klara und die Tiere. Die lustigsten Tiergeschichten zum Vorlesen.", ellermann im Dressler Verlag
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