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Gute-Nacht-Geschichten

Eine Meerjungfrau im Schwimmbad (ab 4 Jahre)

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Annouk, die Meerjungfrau, sitzt auf einem Felsen im unendlich weiten Meer und schaut aufs Wasser. Von früh bis spät hört sie dem Plätschern der Wellen zu. Das ist ein ziemlich einschläferndes Geräusch. Dauernd fallen Annouk davon die Augen zu. Außerdem ist ihr langweilig. Annouk will unbedingt etwas erleben. Sie überlegt: Was könnte sie nur tun? Mit den Fischen um die Wette tauchen? Am Meeresgrund nach hübschen Muscheln suchen? Annouk gähnt. Das alles hat sie schon tausend Mal gemacht. Plötzlich hat sie eine Idee! An ihrem Felsen fahren doch immer wieder große Schiffe vorüber, und Annouk hat sich schon oft gefragt, wohin die wollen. Das will sie jetzt herausfinden. Sie muss ihnen einfach nur hinterherschwimmen. Annouk ist ganz aufgeregt. In ihrer Unterwasserküche kocht sie ein starkes Gebräu aus Seetang und Algen. Wie das stinkt! Annouk hält sich die Nase zu und trinkt drei große Schlucke. Doch so bleibt sie wach und verpasst kein einziges Schiff. Danach setzt sie sich wieder auf ihren Felsen und hält Ausschau bis zum Horizont.Es dauert drei Tage und drei Nächte, bis ein großes Frachtschiff in ihre Nähe kommt. Annouk springt von ihrem Felsen und schwimmt hinterher. Eine lange Reise beginnt. Das Schiff durchquert das Meer. Es fährt durch Flüsse und Kanäle, bis es seinen Heimathafen erreicht. Dort legt es an. Annouk schaut sich staunend um. Es ist das erste Mal, dass sie in einem Hafen ist. Nie zuvor hat sie so viele Schiffe auf einmal gesehen! Direkt vor ihr wird ein Kreuzfahrtschiff von mehreren Schleppern gezogen. Ruderboote und Segelschiffe fahren dicht an ihr vorbei. Und am Kai liegen riesige Containerschiffe, die von Kränen beladen werden. Was für ein Trubel! Annouk reibt sich verwundert die Augen. „Tuut“, macht da auf einmal ein Schiff, das direkt auf sie zugefahren kommt. „Hier ist Baden verboten“, ruft der Kapitän und wedelt mit dem Arm. „Geh mal lieber ins Schwimmbad.“ Annouk taucht schnell unter. Fast wäre sie umgefahren worden. Als sie wieder auftaucht, sieht sie das Schiff nur noch von hinten. „Was ist das, ein Schwimmbad?“, ruft sie dem Kapitän hinterher. Doch der Kapitän ist schon weit weg. Die Meerjungfrau biegt in einen kleinen Seitenkanal ein. Hier gibt es nur ein paar Enten und Schwäne. Annouk atmet auf.
„Gibt es in der Nähe ein Schwimmbad?“, fragt sie eine Entenmutter, die mit ihren Küken einen Ausflug macht. „Du hast Glück“, sagt die Entenmama. „Am Ende des Kanals ist ein Freibad. Es ist ganz leicht zu finden. Wenn du ein Rohr entdeckst, schwimme einfach hindurch, dann bist du da.“ „Danke“, sagt Annouk. Sie schwimmt durch den Kanal, bis sie das Rohr erblickt. Dann macht sie sich ganz dünn, schlüpft hindurch und landet in einem großen Wasserbecken. Es ist voller Menschen, die darin schwimmen und planschen. Einige haben bunte Gummikappen auf dem Kopf. Das sieht sehr lustig aus. Aber einen so schönen Fischschwanz wie Annouk hat niemand. Selbst unter Wasser glitzern die Schuppen heller als das Sonnenlicht.„Mama, im Schwimmbad ist eine Meerjungfrau“, ruft Max, der mit seiner Mama am Beckenrand steht. „Aber Max, Meerjungfrauen gibt es doch gar nicht“, sagt seine Mama. „Entschuldigung“, sagt Annouk. „Ist dies hier das Schwimmbad?“ Blitzschnell schwimmt sie zum Beckenrand. „Iiiiih“, kreischt die Mutter. „Da ist ein riesiger Fisch im Wasser!“ „Das ist doch kein Fisch“, sagt Annouk und hebt ihre schillernde Flosse aus dem Wasser. „Das ist mein Fischschwanz.“ „Ich sag ja, dass sie eine Meerjungfrau ist!“, sagt der Junge. „Warte, ich hole den Bademeister“, ruft seine Mutter. Max betrachtet die Meerjungfrau. „Du schwimmst richtig schnell“, sagt er. „Selbstverständlich.“ Annouk lächelt. „Alle Meerjungfrauen können gut schwimmen. Wir leben schließlich im Meer.“ „Kannst du mir zeigen, wie das geht?“, fragt Max. „Na klar“, sagt Annouk. „Komm mal ins Wasser!“ Als Max’ Mutter mit dem Bademeister angelaufen kommt, traut sie ihren Augen nicht. Max, der schrecklich wasserscheu ist, hält sich an der Flosse der Meerjungfrau fest und lässt sich vergnügt durch das Wasser ziehen.
„Max hat sich sonst nie ins Wasser getraut“, sagt seine Mama. „Dann will ich die Meerjungfrau mal lieber in Ruhe lassen“, brummt der Bademeister. Er hält ein Netz in der Hand, mit dem er Annouk eigentlich aus dem Wasser holen wollte. Jetzt bringt er es schnell in die Gerätekammer zurück. Auch die anderen Kinder haben die Meerjungfrau entdeckt und wollen mit ihr schwimmen. Annouk zieht alle nacheinander durch das Becken. Nebenbei zeigt sie jedem Kind ein paar Schwimmtricks. Als Annouk eine kurze Pause macht, tippt ihr der Bademeister auf die Schulter. „Du bist eine gute Schwimmlehrerin“, sagt er. „Hättest du Lust, bei uns zu arbeiten?“ „Gern“, sagt Annouk. „Aber nur in den Ferien, denn eigentlich lebe ich im Meer.“ „In Ordnung“, sagt der Bademeister. „Bleib einfach, so lange du willst. Du kannst auch gern im Schwimmbecken wohnen.“ „Super, jetzt habe ich sogar eine Ferienwohnung“, sagt Annouk und lacht.Es sind die schönsten Ferien, die Annouk jemals erlebt hat. Jeden Tag spielt sie mit den Kindern und zeigt ihnen das Schwimmen. Es ist laut, fröhlich und niemals langweilig. Und trotzdem: Nach ein paar Wochen bekommt die Meerjungfrau Sehnsucht. Sehnsucht nach ihrem ruhigen Felsen, mitten im unendlich weiten Meer. Sie spürt, dass ihre Ferien zu Ende gehen. Aber bevor sie sich auf den Heimweg macht, verspricht sie allen Kindern und auch dem Bademeister, im nächsten Jahr wiederzukommen.
➤ Kategorie: Gute-Nacht-Geschichten
➤ Text Maren von Klitzing/Illustrationen Daniela Kunkel aus dem Buch "Zauberhafte Vorlesegeschichten. Prinzessinnen, Feen, Meerjungfrauen", ellermann im Dressler Verlag
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