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Gute-Nacht-Geschichten

Luke, der rasende Reporter (ab 4 Jahre)

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"Ha! Dahinten, da qualmt es!" In Windeseile hatte Luke seine Tasche über die Schultern geworfen, Zettel und Stift zwischen die Pfoten genommen und war losgedüst. Immer dem aufsteigenden Rauch nach, der zwischen den Baumwipfeln des Waldes die Luft schwärzte "Was ist passiert? Wer ist in Not?", fragte Luke, als er auf eine kleine Lichtung kam. Vor ihm saß ein Troll und ruhte sich auf einem alten Baumstumpf aus.
"Nun mal langsam, Kätzchen, langsam, langsam. Mach doch nicht so einen Wind!", beruhigte ihn der Troll. "Was du da qualmen siehst, sind nur meine Socken. Nicht überall, wo Rauch ist, ist auch Feuer." "Nicht?", fragte Luke enttäuscht und verstaute Stift und Zettel wieder in der Tasche. "Ich dachte ja nur ..." "Denk nicht, Kätzchen! Sonst qualmt am Ende noch dein Kopf", sagte der Troll und lachte.
"Ich bin kein Kätzchen!", sagte Luke empört. "Ich bin Luke, der ..." "Rasende Reporter", vollendete der Troll den Satz. "Ich weiß, wer du bist. Aber über meine stinkenden Socken brauchst du wirklich nicht zu berichten. So spannend sind die nicht. Ich bin einfach nur zu lange gelaufen. Ich war zu Besuch bei meinem Vetter am anderen Ende des Waldes. Nach so einem Marsch können einem schon mal die Socken qualmen." Enttäuscht machte sich Luke auf den Rückweg. Schade, wieder keine Aufregung im Wald. Keine Katastrophe und auch sonst keine Nachrichten, über die es sich lohnen würde zu berichten. Wenn nicht bald etwas Spannendes geschieht, kann ich meinen Waldboten einstampfen. Denn klar war: ohne Nachrichten keine Reportagen. Und ohne Reportagen kein Waldbote. So einfach war das. Mit hängenden Schnurrbarthaaren kam Luke zu der alten Eiche, in der sein Freund, der Kauz Jandro, wohnte."Und, wieder nichts zu berichten?", fragte der Kauz mitfühlend und schloss müde die Augen. Doch plötzlich rappelte er sich blitzschnell auf und spitzte die Ohren. "Hörst du das auch?", fragte er den Kater. "Was soll ich hören?«, fragte Luke und drehte seine Ohrmuscheln auf Empfang. Er horchte angestrengt. Irgendwo aus der Ferne drang ein mitleiderregendes Geplärre zu ihnen. "Oh, da ist jemand in Not! Und wo Not ist, gibt es auch etwas zu berichten!", rief Luke aufgeregt. Im Katzen-Eiltempo rannte er los. Das Geheul kam aus dem Bau der Familie Hopps, einer ganz entzückenden Hasenfamilie, die den Kater schon öfter auf ein paar kandierte Möhrchen eingeladen hatte. Ohne zu zögern, riss Luke die Tür auf und fiel kopfüber in den Hasenbau. Er rappelte sich wieder auf und schaute die Familie Hopps verwirrt an. Keine Katastrophe.
Mutter Hopps wusch ihrem Kleinsten gerade die langen Hasenlöffel. Und der quäkte und mäkelte ohne Unterlass. "Aua! Autsch! Nicht so fest", beschwerte er sich. Aber Mama Hopps überhörte den kleinen Racker einfach und schrubbte kräftig weiter, bis die Löffel blütenweiß blitzten. "Hör einfach nicht hin«, riet Papa Hopps, "der Kleine mag nur kein Wasser. Ohren waschen tut nämlich nicht weh, auch nicht dem jungen Hopps da." "'tschuldigung für die Störung", sagte Luke leise und zog die Tür hinter sich zu. Er sah lieber zu, dass er der Wurzelbürste von Mama Hopps nicht zu nahe kam.
Luke lief durch den Wald. Irgendwo musste doch etwas Spannendes passieren! Plötzlich spürte er ein Zittern unter seinen Pfoten. Der Waldboden bebte. Es knackte und knirschte. Es rumste und polterte. Luke wollte gerade auf den nächsten Baum klettern, um zu schauen, was da vor sich ging, als ein ohrenbetäubendes Kawumm! durch den Wald hallte. Erschrocken hielt Luke sich die Ohren zu. Das kommt vom Fluss!, dachte er und rannte los. Dieses Mal war er auf eine Sensation gestoßen, das verrieten ihm seine zitternden Schnurrbarthaare. "Alles okay, Kater?", fragte Biber Benjamin besorgt, als Luke völlig außer Puste beim Fluss ankam. Der Biber war Lukes Freund und hatte seinen Bau direkt am Ufer. "Bei mir ja. Aber was ist hier los?", fragte Luke und warf einen prüfenden Blick auf den dünnen Baumstamm, der über dem Fluss lag. "Wir haben eine Brücke gebaut - für Tinchen", antwortete Benjamin und deutete auf das Entenmädchen neben sich. "Sie traut sich nicht, rüberzuschwimmen. Ihre Mama wartet schon am anderen Ufer auf sie und zetert."Das kleine Entlein hob stolz den Schnabel in die Luft. "Ich kann schon schwimmen! Sogar richtig gut", sagte es und reckte den Schnabel noch ein wenig höher. "Und warum tust du es dann nicht?", wollte Luke wissen. "Das Wasser könnte kalt sein. Vielleicht sogar sehr kalt", schnatterte Tinchen und wackelte über den Stamm. "Sehr, sehr kalt." "Immer dieses junge Gemüse ... äh, Geflügel", murmelte Luke leicht verärgert. Und deshalb so ein Aufstand! Eine Nachricht für seine Zeitung gaben weder der gefällte Baumstamm noch die Entenfamilie her.
Und plötzlich, wie aus dem Nichts, regnete es Federn. Silberne und weiße Federn schwebten durch die Luft. "Hatschi", nieste Luke und schüttelte den Kopf. "Pffhh ... hatschi", prustete er. "Ein Schutzengel in der Mauser", hauchte er andächtig und blickte in den Himmel. Drei silberne Federn landeten auf seiner Schulter. Sie fielen aber nicht aus den Wolken. Sie flogen aus dem Nest des Silberreihers direkt über ihm in der Baumkrone.
"Tschi, tschi, tschi", schnaubte der Silberreiher verärgert. Luke witterte eine aufregende Geschichte über einen Schutzengel, der in einem Reihernest gelandet war. "Das wäre die Sensation des Jahres!", freute er sich und sauste den Baumstamm hinauf. Katzen können nämlich sehr gut klettern. Die Tasche mit seinem Notizblock und den Bleistiften hüpfte auf seiner Schulter munter auf und ab.
"Und, wo ist er? Welcher Engel macht es sich in deinem Nest bequem?", fragte Luke den Reiher, als er die Baumkrone erreicht hatte. "Was? Tschi!", fragte der Silberreiher erstaunt. "Was für ein Engel? Wovon redest du?" "Na, die Federn, die aus deinem Nest rieseln ... die sind doch von einem Engel", sagte Luke und zückte sein Notizheft. "Aach! Es ist zum Federnraufen", stöhnte der Reiher. "Verstehst du das? Ich raufe mir die Federn!" Der Silberreiher schnaubte und pustete sich mächtig auf. "Meine Frau - und die ist nun wirklich kein Engel - lässt hier überall ihre Sachen liegen.Links im Nest ist kein Platz mehr, weil sie Mooskugeln gesammelt hat. Und rechts im Nest ist alles bedeckt von Seerosenblättern. Sie sagt, die duften so schön." Der Reiher klapperte mit seinem langen Schnabel. "Riech mal. Duften die?", fragte er und hielt Luke ein verwelktes Seerosenblatt unter die Nase."Ohhh ... puh ..." Luke zog sein Näschen kraus. "Für eine so feine Nase wie die meine riecht das Blatt ... nun ja, wie soll ich es vorsichtig ausdrücken?Es riecht sonderbar", sagte er schließlich und drehte den Kopf zur Seite. "Genau das finde ich auch", sagte der Silberreiher und übergab das Blatt dem Wind, der es zu Boden trug. Luke seufzte. Er war für nichts auf den Baum geklettert. Wieder gab es keine Geschichte für den Waldboten.
Zu Hause ließ sich Luke in seinen Sessel plumpsen und grübelte. Aber er hatte keine Idee, was er schreiben sollte. Es gab nun mal keine Sensation im Wald. Er sprang auf und lief hinaus. "Du könntest über meine eingewachsene Kralle schreiben", schlug der Kauz vor, um Luke etwas aufzumuntern. "Die tut ganz arg weh!" "Ja, das könnte ich", stimmte Luke ihm zu. "Ich kann es aber auch lassen." Unzufrieden kratzte er sich am Kopf. Verflixt, dachte er. Es muss doch etwas Spannendes im Wald passieren. Aber allen Tieren geht es gut. Die Eichhörnchen sortieren ganz akkurat ihre Nüsse nach Größe und Form. Und die Marienkäfer bringen den Bienen das Rechnen bei. Sogar die jüngsten Honigbienen wissen schon, dass drei Punkte plus zwei Punkte fünf Punkte ergibt. Sie sind alle so fleißig und ...
Plötzlich begannen Lukes Schnurrbarthaare zu zittern. "Jandro", flüsterte er aufgeregt. "Ich habe eine Idee. Ab morgen suche ich gute Nachrichten. Und dann berichte ich nur noch über all die schönen Dinge, die im Wald geschehen! Es wird sicherlich bald Nachwuchs bei den Rehen geben. Das wird eine schöne Geschichte werden. Oder wenn Tinchen endlich schwimmen gelernt hat und sich nicht mehr ziert, ins kalte Wasser zu hüpfen. Ja, das ist doch auch einen Bericht wert, was meinst du, Jandro?" Mit einem zufriedenen Lächeln legte sich Luke in seine Hängematte und lauschte dem Gutenachtlied der Lerchen. "Ich könnte den Waldboten umbenennen in Der fröhliche Waldbote", überlegte er laut. "Aber darüber denke ich morgen nach - den ganzen Tag ... wenn nichts Dramatisches dazwischenkommt", sagte er. "Das wird nicht geschehen", versicherte der Kauz zuversichtlich. Luke gähnte und schlummerte dann im seichten Licht der untergehenden Sonne ein.
➤ Kategorie: Gute-Nacht-Geschichten
➤ Text von Petra Steckelmann/Illustrationen Yayo Kawamura/Hedwig Munck aus dem Buch "Lieblingsgeschichten für kleine Helden", www.ellermann.de
➤ Hier können Sie die Geschichte kostenlos downloaden: Luke, der rasende Reporter