Ohrenschmerzen, Fieber, Tränen: Fast jedes Kind macht im Lauf seiner Kindheit die ein oder andere Mittelohrentzündung mit. Betroffen sind hauptsächlich Kinder im Kleinkind- und Kindergartenalter. Welche Hausmittel gut helfen und wann ein Antibiotikum unumgänglich ist, erfahrt ihr hier.
Aua, mein Ohr tut weh!
Mittelohrentzündungen sind äußerst schmerzhaft! Und kaum ein Kind kommt an ihr vorbei: In den ersten drei Lebensjahren müssen die allermeisten Kinder (90%) ein oder mehrmals eine Entzündung des Mittelohrs durchmachen. So unangenehm die Krankheit vor allem für Babys und Kleinkinder ist, gefährlich ist sie nur in den seltensten Fällen. Meist heilt sie auch ohne Antibiotika innerhalb weniger Tage wieder ab.
Woran erkennt man eine Mittelohrentzündung?
Der erste Hinweis sind starke Ohrenschmerzen. Babys können die Schmerzen noch nicht lokalisieren, sie weinen viel, sind unruhig und unzufrieden. Bei Berührung des schmerzenden Ohres schreien sie lauthals. Etwas größere Kinder reiben sich das Ohr.
Eine Mittelohrentzündung ist teilweise mit hohem Fieber verbunden, bei Säuglingen verläuft die Krankheit oft aber auch ohne nennenswerte Temperatur. In schweren Fällen bildet sich Eiter, der im Extremfall das Trommelfell zum Platzen bringen kann. Einen Riss des Trommelfells erkennt ihr daran, dass eitrige, manchmal auch blutige Flüssigkeit aus dem Ohr des Kindes läuft. Die Schmerzen sind dann schlagartig besser. Dieser kleine Riss des Trommelfells klingt dramatischer als er ist: Meist heilt er innerhalb von zwei Wochen wieder zu.
Begleiterscheinung einer Mittelohrentzündung (Otitis media) können auch Durchfall und Erbrechen sein.
Auslöser von Mittelohrentzündungen
Ein Grund für die lästigen Mittelohrentzündungen ist die im Vergleich zu Erwachsenen kurze und enge Ohrtrompete. Schnupfensekret kann nicht so gut abfließen, damit entsteht ein kleines Paradies für Bakterien und Viren: Sie gelangen leichter ins Mittelohr und können dort eine Entzündung auslösen. Übrigens: Ungefähr die Hälfte der Mittelohrentzündungen wird durch Viren verursacht, die andere Hälfte durch Bakterien.
Eine Mittelohrentzündung entwickelt sich häufig nach einem Schnupfen oder einer Mandelentzündung, wenn die Erreger vom Nasen-Rachen-Raum ins Mittelohr steigen.
Behandlung einer Mittelohrentzündung bei Kindern
Ganz wichtig: Eine Mittelohrentzündung ist keine Erkrankung, bei der zwingend ein Antibiotikum eingenommen werden muss! Wenn Viren die Auslöser sind, hat sich die Frage, "Antibiotikum ja oder nein?" von vornherein erübrigt, es ist bei Viren schlichtweg unwirksam.
Hilfreich bei einer Mittelohrentzündung sind:
- Abschwellende Nasensprays (besser sind Nasentropfen!)
- Schmerzmittel (z. B. Ibuprofen, das auch entzündungshemmend wirkt)
- Wärme auf die Ohren (Rotlicht oder Kirschkernkissen)
- Zwiebelsäckchen (klein geschnittene Zwiebeln kurz überbrühen und in einem Taschentuch aufs Ohr legen. Unter einer Mütze kann das Säckchen nicht verrutschen.)
- Viel trinken!
- Beim Duschen darauf achten, dass kein Wasser ins Ohr gelangt.
- Kaum wirksam sind Ohrentropfen, das sie das Mittelohr meist gar nicht erreichen.
Bei einer bakteriellen Infektion kann der Arzt ein Antibiotikum verordnen. Wenn es sich um eine eitrige Infektion handelt und das Trommelfell vielleicht durch den Druck des Eiters sogar schon gerissen ist, macht ein Antibiotikum nach der Meinung der meisten Kinderärzte durchaus Sinn. War früher der Einsatz von Antibiotikum die Standardtherapie, ist der Ansatz der meisten Ärzte inzwischen aber ein anderer: Erstmal mit Schmerzmitteln und abschwellenden Nasensprays versuchen, die Entzündung in den Griff zu bekommen (was häufig wunderbar funktioniert!). Und erst wenn beim Kontrolltermin nach zwei Tagen noch keine Besserung eingetreten ist, kann über eine Antibiotikumgabe nachgedacht werden.
Interessante Ergebnisse haben in diesem Zusammenhang Wissenschaftler des internationalen Forschungsnetzwerks Cochrane Collaboration präsentiert: Die Auswertung zahlreicher Studien zeigte, dass Antibiotika häufig unwirksam sind. "Mit Antibiotika konnte die Anzahl der Kinder mit Schmerzen nach 24 Stunden nicht verringert werden. … Nur die Anzahl der Kinder mit Schmerzen ging in den darauffolgenden Tagen leicht zurück". (Quelle: www.cochrane.org)
Solltet ihr euch zusammen mit eurem Kinderarzt für ein Antibiotikum entscheiden:
Gebt eurem Kind das Medikament wie vom Arzt verschrieben und setzt es nicht eigenmächtig vorzeitig ab. Sonst geht ihr das Risiko ein, dass der Infekt wieder aufflammt und dass sich Resistenzen gegen das Antibiotikum bilden.
Achtet nach einer schweren Mittelohrentzündung darauf, ob euer Kind gut hört und gehet im Zweifel zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt.
Viral oder bakteriell?
Bei der Frage nach der richtigen Behandlung ist erstmal zu klären, welche Art von Entzündung vorliegt: Wie lässt sich eine virale Mittelohrentzündung von einer bakteriell verursachten unterscheiden? Diese Frage kann nur der Kinderarzt beantworten. Bei der Untersuchung der Ohren kann er erkennen, ob das Trommelfell gerötet und eitrig ist - ein Hinweis auf eine bakterielle Infektion.
Wann muss das Kind zum Kinderarzt?
Ohrenschmerzen bei Kindern müssen nicht sofort ärztlich untersucht und behandelt werden. Ihr dürft als Eltern ruhig die Wirkung von abschwellenden Nasensprays und Hausmitteln wie Wärme und Zwiebelsäckchen ausprobieren. Wenn ein Säugling Fieber hat und viel weint, solltet ihr aber in jedem Fall den Kinderarzt um Rat fragen. Und auch bei größeren Kindern gilt: Wenn das Fieber nicht sinkt, die Ohrenschmerzen nicht zurück gehen und vielleicht sogar Flüssigkeit aus dem Ohr läuft, ist es auf jeden Fall Zeit für den Termin bei Ihrem Kinderarzt!
Paukenröhrchen
Bei einer Anhäufung von Infekten des Mittelohres kann der Arzt kleine Röhrchen (sogenannte Paukenröhrchen) in das Trommelfell einsetzen. Die kleinen Röhrchen aus Kunststoff oder Titan sorgen für eine gute Belüftung des Innenohres, Sekret kann ungehindert ablaufen. Die unter Vollnarkose eingesetzten Röhrchen werden nach sechs bis zwölf Monaten vom Körper wieder abgestoßen. Aufgrund der begrenzten Wirkung der Paukenröhrchen sollte ein Einsatz mit dem Arzt genau besprochen werden.
Parazentese
Helfen weder abschwellende Nasentropfen noch das Antibiotikum, kann der HNO-Arzt das Trommelfell mit einem kleinen Messer oder mit Laserstraheln operativ öffnen. Dank der ambulant durchgeführten Mini-OP (Parazentese genannt) kann der Eiter wieder abfließen, die Ohrenschmerzen sind beendet. Der kleine Schnitt heilt schnell ab.
Spätschäden von Mittelohrentzündung
Es gibt Kinder, die machen eine Mittelohrentzündung nach der anderen durch. Hier kann es nach zahlreichen Infekten zu einer Vernarbung des Trommelfells kommen. Eventuell hören diese Kinder dann nicht mehr so gut, was eine Sprachentwickungsstörung mit sich ziehen kann. Wenn euer Kind häufiger unter einer Mittelohrentzündung leidet, solltet ihr einen Termin beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt vereinbaren und abklären lassen, ob euer Kind unter vergrößerten Rachenmandeln (Polypen) leidet.
Vorbeugung einer Mittelohrentzündung bei Kindern
Studien haben gezeigt: Gestillte Kinder leiden seltener unter Mittelohrentzündungen. "Die Muttermilch enthält eine Reihe von Abwehrstoffen und beim Saugen entsteht ein Drainage-Effekt im Ohr des Babys, was die Durchlüftung der Ohrtrompete erleichtert", so der Kinder- und Jugendarzt Professor Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit*. Wichtig – nicht nur in Bezug auf Mittelohrentzündungen: Euer Kind sollte in einer rauchfreien Umgebung aufwachsen. Laut der Ärztezeitung erkranken Kinder, die passiv rauchen dreimal häufiger an einer Mittelohrentzündung.
* Quelle: Aerztezeitung.de
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