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Nach Montessori: Warum Kids beim freien Spiel am besten lernen

Freies Spiel: Kleinkind spielt mit Zug
© Getty Images/ galina-kovalenko

Freies Spiel, also das ganz unabhängige Beschäftigen mit dem, was man gerade machen möchte, hat in der Montessori-Pädagogik einen großen Stellenwert. Trotzdem fühlen wir Eltern im Alltag oft den Druck von Außen, unsere Kids mehr zu fördern, sie mehr zu beschäftigen. Wir haben oft ein schlechtes Gewissen und fragen uns, ob wir genug machen, um sie zu empowern, fit zu machen für die Schule, für die Gesellschaft, für ihre Zukunft ... Aber: Tatsächlich ist eine der besten Methoden – und das bestätigt die Wissenschaft – unsere Kids einfach mehr alleine spielen zu lassen.

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Während ich hier sitze und diesen Artikel schreibe, bin ich umgeben von Kissenbergen und Decken. Unser Flur ist mit Stöcken ausgelegt (Eisenbahnschienen, klar) und an der Kinderzimmertür begrüßt mich eine Sammlung aus Dinofiguren, die mit furchterregenden Knete-Stacheln verziert wurden. Ja, wir hatten ein paar Tage zu Hause. Und meine Kids lieben freies Spiel (Aufräumen nicht so). Wer mit seinen Kindern Bluey schaut, kann es mir vielleicht noch besser nachfühlen (die Serie ist berühmt für die ausgefallenen Spielideen, die Kinder zum Nachahmen inspirieren).

Das freie Spielen fördert Kinder in ihrer Entwicklung und sie erlernen wichtige Zukunftsfähigkeiten wie Kreativität, Lösungsfindung und Selbstvertrauen.
Professorin Dr. Wiebke Waburg, Professorin für Pädagogik der Universität Koblenz
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Tatsächlich ist es nicht nur meine private Erfahrung, dass das freie Spielen meinen Kindern guttut. Und sie nach Tagen, an denen sie besonders viel davon hatten, ausgeglichener, glücklicher und emotional gestärkt sind. Eine aktuelle Studie der Uni Koblenz im Auftrag von Schleich zeigt, dass es auch 97 % der Eltern so geht: Der Großteil der über 4.000 Befragten meinten außerdem, sie hätten den Eindruck, dass ihre Kinder durchs alleine Spielen lernten, sich selbst zu vertrauen und mehr Empathie zu entwickeln.

Übrigens: Wir haben noch mehr Tipps, wie sich Selbstliebe, Selbstwert, Selbstreflexion und Geduld unserer Kinder stärken lassen.

Heißt das, freies Spiel ist besser als Lernen?

Wir Eltern haben oft das Gefühl, Spielen und Lernen schließen sich aus. Schließlich stehen sich in den meisten Familien jeden Nachmittag Spielen und Hausaufgaben hart gegenüber. Aber auf keinen Fall heißt das, dass unsere Kids nichts machen, wenn sie frei spielen, oder dass sie dabei Zeit verschwenden, die sie besser in andere Aktivitäten stecken sollten.

Denn: Kinder lernen am allerbesten, wenn sie sich im freien Spiel ausprobieren. Sie lernen, wie sie Probleme lösen, wie sie mit sozialen Situationen und Schmerzen umgehen; sie können Dinge nachstellen, die sie nicht verstehen und sie dadurch besser verarbeiten.

Der Psychologe Peter Gray beschreibt in einem Interview mit Harvard University, dass Spielen auch für die geistige Gesundheit von Kindern am allerwichtigsten ist, denn das freie Spiel und andere Aktivitäten, in denen Kinder Sachen selbstständig tun, sind Situationen in denen "Kinder lernen, Verantwortung für ihr eigenes Leben zu nehmen."

Kinder lernen sozial-emotionale Kompetenzen, indem sie spielen.
Dr. Peter Gray, Psychologe
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Er erklärt, dass unsere Kinder fürs Spielen biologisch programmiert sind  – und ganz besonders für das Spielen, das ohne uns Erwachsene stattfindet.

Es gab einen berühmten Spiel-Wissenschaftler, Brian Sutton-Smith, der vor ein paar Jahren gestorben ist, der in seinen Vorträgen immer sagte: Das Gegenteil von Spielen ist nicht Arbeiten. Das Gegenteil von Spielen ist die Depression. Das sollte uns nicht verwundern. Was ist das Leben ohne Spielen? - Dr. Peter Gray, Psychologe
Jennifer Kober

Bewusst ausklinken

Finde ich es schwierig, wenn ich durch Kartons klettern, unter gespannten Decken durch krabbeln und über (bzw. auf – Aua!) Scharen von Plastikfiguren und Legosteinen zu treten, um ins Bad zu kommen?

Klar. Geht freies Spiel auch ohne Chaos? Bestimmt. Hier kommt es auch darauf an, was eure Kinder gerne spielen und was ihr zur Verfügung stellt. Oft bedeutet freies Spielen auch einfach, in Ruhe Sachen auszuprobieren, sich mit sich selbst zu beschäftigen und Zeit für sich zu haben.

Aber manchmal gehören einfach verrückte Fantasiewelten, Kostüme oder ein Großaufgebot an Spielsachen oder Materialien (Stichwort Matsch oder Malfarbe ...) dazu. Und ich übe mich darin, cool zu bleiben und mich öfters bewusst auszuklinken.

Jennifer Kober

Warum spielen Kinder weniger als sonst?

Als wir Eltern aufgewachsen sind, gehörte freies Spiel oft zur Hauptbeschäftigung am Nachmittag, denn wir waren häufig uns selbst überlassen. Wie viele Eltern aus Gen-X und Gen-Y erinnern sich an endlose Spieleinheiten in nahegelegenen Feldern, Wäldern oder in der Wohnung ihrer Freund*innen? 65 % der Eltern in der Studie gaben an, mehr Zeit zum Spielen gehabt zu haben als ihre Kinder heute. Denn unsere Kinder heute haben oft nicht nur einen anderen Tagesablauf, sondern auch unterschiedliche Bedürfnisse, denen wir Eltern oft auch stärker nachgehen.

Jennifer Kober

Alltag voller Möglichkeiten

Neben Kita, Schule und Hort nehmen viele Kinder (tolle!) Nachmittagsangebote wie Sport oder Musikschule in Anspruch. Wenn ihr wie wir in der Großstadt lebt oder eure Bildungseinrichtungen in der Nachbarstadt liegen, kommen lange Fahrtwege und auch größere Distanzen zu befreundeten Kindern dazu. Mehr Kinder als je zuvor nehmen (und das ist wundervoll) Hilfs- und Therapieangebote wahr — und auch ganz normale Arzttermine gibt es heutzutage einfach öfter. Das ist auch bei uns so.

Jennifer Kober

Dreiviertel der Kinder haben laut der Studie weniger als drei Stunden am Tag Zeit zum Spielen. Und seien wir ehrlich – von dieser Spielzeit fällt bei vielen von uns auch Zeit fürs emotionale Entladen nach einem langen Tag (Stichwort Herunterkommen und Wutanfälle) und Bildschirmzeit weg, die noch gar nicht eingeplant ist. Hier helfen übrigens unsere Tipps fürs Begleiten von Wutanfällen und das Auffüllen der emotionalen Becher unserer Kinder.

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Das heißt nicht, dass nicht vieles für unsere Kinder besser ist als damals, wo "freies Spiel" manchmal ein Synonym dafür war, Kinder ohne (emotionale) Begleitung sich selbst zu überlassen. Aber es zeigt auch, dass wir das selbstständige Spielen als wichtige Aktivität am besten im Familienalltag mitdenken und unseren Kids öfter die Chance dazu geben.

Also: Kein schlechtes Gewissen, wenn:

  • Eure Kids das nächste Mal "nur spielen", statt sich mit der Lern-App zu beschäftigen, die ihr seit Ewigkeiten ausprobieren wollt oder die Bastelei zu Ende zu bringen, die verstaubt im Küchenregal liegt.
  • Wenn euer Kind mehr Lust auf Monster Trucks, als auf Schwungübungen hat.
  • Auch dann nicht, wenn der Familienausflug ins Wasser fällt.
  • Wenn ihr zu Hause bleibt, weil jemand krank geworden oder einfach zu blödes Wetter ist.
  • Oder wenn bei euch mal – so wie bei mir – komplettes Chaos ausgebrochen ist, weil die Kinder frei gespielt haben.

Denn manchmal können wir Eltern einfach nichts Besseres machen, als unsere Kinder spielen zu lassen.

Spielen schön und gut, aber eure Kids zoffen sich dabei immer wieder? Kennen wir. Im Video gibt's Tipps, die bei Geschwisterstreitigkeiten helfen:

Geschwisterstreit: 3 Tipps, wie du ihn schlichten kannst Abonniere uns
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Quellen: Harvard Graduate School of Education, Studie freies Spiel (Schleich)

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