Wenn Kinder immer wieder etwas verlieren oder wichtige Dinge vergessen werden die Nerven der Eltern strapaziert - was man dagegen tun kann.
Vergesslichkeit und Schusseligkeit: Ursachen
Das teure Geburtstagsgeschenk, die neue Armabnduhr oder die tollen Fußballschuhe. Gerade haben sich die Kleinen noch wie wild darüber gefreut, doch ein paar Tage später dann die schlechte Nachricht - "Mama ich hab` etwas verloren". In solch einer Situation ist es besser das Kind zu trösten, als den Frust beim Kind durch eine Standpredigt zum Thema Ordnung noch größer zu machen. Eine gute Reaktion, findet auch Psychologe Michael Thiel. Denn: „Etwas zu verlieren, liegen zu lassen oder zu vergessen, ist gerade für Kinder ziemlich normal“, betont der Familie&Co-Experte - und bestätigt damit die Erfahrungen der meisten Mütter und Väter. Allerdings gilt es, genauer hinzuschauen, wenn Sachen wie Handschuhe, Turnbeutel, ein Federmäppchen oder gar der neue Tretroller verbumfiedelt werden. „Kleine Kinder zum Beispiel haben noch gar kein Bewusstsein dafür, dass Dinge, die sie irgendwo stehen oder liegen lassen, auf Nimmerwiedersehen verschwinden könnten“, sagt Thiel. Und: „Kinder müssen erst lernen, zwischen wichtig und unwichtig zu unterscheiden, sich auf etwas zu konzentrieren, aufmerksam zu sein und bestimmte Dinge eben nicht zu vergessen oder aus den Augen zu verlieren.“
Vergesslichkeit als Zeichen von Unlust
Erst wenn sie ins Kindergarten- bzw. Schulalter kommen, sind die Kleinen in ihrer Entwicklung so weit, dass sie auf ihr Zeug achten können. Verlieren sie dann etwas, ist das oft ein Zeichen dafür, dass ihnen der Gegenstand nicht wichtig ist. „Haben sie keine Lust auf Sport oder Hausaufgaben, verlieren sie den Turnbeutel oder lassen das Hausaufgabenheft liegen“, erklärt der Psychologe den Zusammenhang zwischen persönlichen Vorlieben und dem Verschwinden bestimmter Dinge.
Dann gilt es, den Ursachen nachzugehen und zu fragen, warum das Kind so ungern Hausaufgaben macht oder den Turnunterricht nicht mag. Schusseligkeit ist ein weiterer Grund, warum Sachen wie das Pausenbrot einfach vergessen werden. Thiels Erklärung: „Kinder in diesem Alter lassen sich noch schnell ablenken und können noch nicht an so viele Dinge gleichzeitig denken.“ Das sollte aber kein Grund sein, ihnen alles hinterherzutragen oder das verlorene Matchboxauto sofort zu ersetzen: „Kinder dafür zu bestrafen, dass sie etwas vergessen oder verloren haben, ist sinnlos. Vielmehr sollte man sie die Folgen ihrer Unachtsamkeit spüren lassen“, schlägt der Psychologe vor.
Taucht ein Kind zum Beispiel wiederholt ohne Federmäppchen im Unterricht auf und wird dafür von seinem Lehrer ermahnt, ist ihm das irgendwann so peinlich, dass es sein Schulzeug beieinander behält.
Vergesslichkeit durch Probleme im Alltag
Vergesslichkeit als Anzeichen für Probleme
Manchmal, so Thiel, ist Verlieren auch ein Zeichen für Überforderung. Dann sollten die Eltern den Terminplan ihres Kindes durchforsten und in Absprache mit ihm Aktivitäten streichen, die unnötig Stress verursachen. Nimmt man nämlich Tempo aus dem Tagesablauf, bleibt dem Kind mehr Zeit, sich auf einzelne Dinge zu konzentrieren - also wird auch weniger vergessen oder verloren. Auch Reizüberflutung, Unordnung und dauernde Ablenkung können dazu beitragen, dass Kinder Sachen vergessen oder verlieren. So kann ein unaufgeräumter Schreibtisch dazu führen, dass das Kind sein Matheheft nicht findet oder einen Teil der Hausaufgaben einfach vergisst. Michael Thiel appelliert an Eltern, dafür zu sorgen, dass sich ihr Kind möglichst oft mit nur einer Sache beschäftigt: „Wenn es Lego spielt, sollte der Fernseher eben Sendepause haben“, sagt der Psychologe. Auch die Möglichkeit, sich mal ohne das nervende Geschwisterkind in ein Zimmer zurückziehen zu können, beugt Schusseligkeit und Zerstreutheit vor. Wenn Kinder ständig etwas verlieren und sich nicht oder nur sehr kurze Zeit konzentrieren können, kann das ein Hinweis auf eine Aufmerksamkeitsstörung (ADS) sein. In diesem Fall, so Thiel, sollten die Eltern einen Test, z.B. beim Kinderarzt, ins Auge fassen. Auf jeden Fall sollten sie mit dem Kind über das Problem reden: „Mir fällt auf, dass du so viel verlierst. Wo bist du mit deinen Gedanken?“ So könnte ein vertrauensvolles Gespräch beginnen, in dessen Verlauf sich dann vielleich herausstellt, dass das Kind ernste Sorgen hat. „Leidet ein Kind z.B. unter Mobbing oder hat es Angst, die Eltern könnten sich trennen, dann erscheinen ihm Dinge, die es normalerweise sehr ernst nimmt, als nebensächlich - und es verliert oder vergisst sie“, sagt Thiel.
Kinder: Wenn sie sich selbst verlieren
Verlieren können Kinder auch sich selbst - und machen dann die vielleicht schönste und beglückendste Erfahrung ihres Lebens. Diese kostbaren Augenblicke höchster Konzentration und Anstrengung stellen sich ein, wenn sich Kinder intensiv mit etwas beschäftigen. In der spontanen Hingabe an eine Sache - das kann beim Lesen des neuesten Harry-Potter-Bandes oder beim genauen Abzirkeln einer bestimmten Menge Mehl beim Kuchenbacken passieren - erfahren die Kleinen, was es heißt, übend und lernend seinen ureigensten und tiefsten Interessen nachzugehen. Psychologen nennen diesen Moment des sich Verlierens an eine Sache „Flow“. „Dann kommt das Gehirn in einen optimalen Spannungszustand, erreicht sein höchstes Aufmerksamkeitniveau - und erzeugt Glücksgefühle ungeahnten Ausmaßes“, sagt Michael Thiel. Sein Rat: „Jetzt bloß nicht ,Komm zum Essen!´ rufen.
Vergesslichkeit: 7 Tipps, die helfen
Vergesslichkeit abgewöhnen: 7 Tipps
1. Fordern Sie Ihr Kind auf, seine Spielsachen, z.B. den Roller oder das Skateboard, im Auge zu behalten und nicht achtlos längere Zeit irgendwo herumliegen zu lassen - Gelegenheit macht Diebe! 2. Gewöhnen Sie Ihrem Kind an, bestimmte Dinge, z.B. sein Portemonnaie oder den Hausschlüssel, immer in derselben Schublade, Jackentasche oder demselben Schulranzenfach aufzubewahren. So bemerkt es schnell, wenn etwas nicht mehr da ist. 3. Versehen Sie Sportbekleidung, Jacken, Mäntel, Handschuhe, Schals und Mützen mit Namensschildern. Auf die Akkus von Handy, Walkman und Gameboy sollten Sie Schildchen mit Adresse und Festnetznummer kleben. 4. Achten Sie darauf, dass Ihr Kind sein Fahrrad oder seinen Roller abschließt bzw. nur dort unterstellt, wo die Fahrzeuge vor dem Zugriff Fremder sicher sind. 5. Sorgen Sie dafür, dass die Jacken- und Hosentaschen Ihres Kindes mit Knöpfen, Reiß- oder Klettverschlüssen versehen sind, sodass nichts herausfallen kann. 6. Geben Sie Ihrem Kind nur mit, was es unbedingt braucht. 7. Beziehen Sie Ihr Kind in die Suche nach verlorenen Gegenständen mit ein, indem Sie es zu Hause, in der Schule oder im Kindergarten nachforschen lassen oder gemeinsam mit ihm zum Fundbüro gehen.