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Interview

Warum alle Eltern peinlich sind – und was man dagegen tun kann!

Warum alle Eltern peinlich sind

Warum sind alle Eltern peinlich? Für (vor-)pubertierende Kinder gibt es nichts Schlimmeres als vor anderen blamiert zu werden. Ausgerechnet wir Eltern können das besonders gut.

Alle Eltern sind peinlich

So hart es auch klingt: Eltern können tun, was sie wollen, Kinder werden es peinlich finden. Im Auto mitsingen? Bei Besuch ins Zimmer kommen und die Freunde nach der Familie oder nur dem Befinden fragen? Zahnstocher benutzen? Jemand anderen zurechtweisen? Sich beim Lehrer beschweren? An der Kleidung rummäkeln oder beim Shoppen in die Umkleidekabine schauen? Oje!

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Manchen Kindern ist es sogar peinlich, dass Eltern das Handy mit dem Zeigefinger statt mit dem Daumen bedienen. Und als Kind von den Eltern mit dem Auto vor Zeugen abgesetzt zu werden, kann quasi an Rufmord grenzen. Aber da Kinder nun mal nicht vom Himmel fallen und auch nicht Auto fahren dürfen, lässt es sich nun mal nicht vermeiden, sie ab und zu durch die Gegend zu kutschieren. Und das ist genau das Dilemma, von dem wir hier sprechen: Es ist so gut wie unvermeidbar, dass sich Kinder für die Eltern schämen und Eltern peinlich finden.

Es ist so gut wie unvermeidbar, dass sich Kinder für die Eltern schämen und Eltern peinlich finden.

Die Abgrenzung von den Eltern beginnt schon Grundschulalter

Viele Eltern wissen nicht so recht, wie sie sich gegenüber ihren Kindern, die jetzt weder Kleinkind noch jugendlich sind, verhalten sollen, und die meisten sind lieber zu fürsorglich, als dass sie sich zu wenig kümmern. Vielen Kindern ist das lästig, sie sind keine Babys mehr und wollen keinesfalls wie ein kleines Kind behandelt werden. Hinzu kommt: Im Grundschulalter beginnen Kinder einerseits, sich von den Eltern abzugrenzen, haben aber andererseits noch nicht genügend Selbstsicherheit, das elterliche Verhalten aus der Distanz zu betrachten. Und daher sind die Eltern einfach peinlich.

Gelassen bleiben!

Da hilft Eltern nur eines: Bleiben Sie gelassen. Denn selbstverständlich lieben Ihre Kinder Sie weiterhin. Sie bauen in diesem Alter aber eine Fassade auf, um cool und selbstsicher zu wirken, und da kommen ihnen elterliche „Fehltritte“ wie Sabotage am eigenen Image vor. Eine Mutter, die das Schulbrot hinterher bringt, das Kind vorm Schultor absetzt und auch noch ein Küsschen gibt, wird als Zeichen von Unselbstständigkeit gedeutet – und eben das wollen Kinder um jeden Preis vermeiden.

Loslassen und Halt geben

Kinder stoßen vor allem dort auf Schwierigkeiten und finden Eltern peinlich, wo sie versuchen, sich abzugrenzen und selbstständig zu werden. Das kann in der Familie aber einfach überwunden werden, wenn die Eltern die richtige Mischung aus Loslassen und Haltgeben hinbekommen. Das wird besonders dann wichtig, wenn die Pubertät voll zuschlägt: Genau dann brauchen Kinder einerseits Freiraum, um sich entwickeln zu können und ihre Rolle zu finden, und andererseits Grenzen, um nicht über das Ziel hinauszuschießen. Und damit sie das lernen, brauchen sie Verständnis und Respekt von ihren Eltern, die, wenn sie ganz ehrlich sind, sich auch bestimmt noch daran erinnern können, wie viel ihnen selbst in Hinblick auf die Eltern peinlich war.

Küssen verboten! Heute noch Kuscheln vorm Fernseher, morgen ist eine Berührung schon zu viel. Kinder erleben ein Wechselbad der Gefühle.

Kleines Regelwerk für Eltern von pubertierenden Kindern

  1. Klopft an, bevor ihr in mein Zimmer kommt. Immer.
  2. Kümmert euch nicht darum, ob wir vielleicht etwas brauchen – wir wissen uns selbst zu helfen.
  3. Bitte fragt unsere Freunde nichts, das ist am besten.
  4. Benehmt euch einfach ganz normal und seid nett.
  5. Keine Witze, keine Storys, keine schlauen Sprüche.
  6. Nennt weder euch noch uns beim Spitznamen.
  7. Singt im Auto nicht laut mit.
  8. Im Restaurant: Beschwert euch nicht über das Essen oder die Bedienung.
  9. Papa, Hände weg von Zahnstochern!
  10. Fragt bitte nie wieder nach Kindertellern für uns.
  11. Mama, mach bitte nicht an meinen Klamotten herum. Schon gar nicht, wenn andere dabei sind, und lass meine Frisur so, wie sie ist.

Interview mit Ulla Atzert, Autorin* und Mutter von zwei Jungs

* Ulla Atzert: "Homo pubertensis: Tipps zum störungsfreien Umgang mit Heranwachsenden", erschienen im Fischer Verlag

Homo pubertensis: Tipps zum störungsfreien Umgang mit Heranwachsenden

Das Produkt ist nicht mehr verfügbar. Zuletzt geprüft: 20.11.2024 17:33 Uhr

Wann sind Eltern peinlich?

Ulla Atzert: Das ist ganz einfach: Sie müssen in unpassenden Momenten auftauchen. Einfach da zu sein, reicht völlig aus – das ist für pubertierende Kinder schlimm genug. Und da wir uns nun mal nicht in Luft auflösen können, ist es für Eltern unmöglich, nicht peinlich zu sein. Und selbst wenn Sie alles richtig machen, sich an alle Erziehungstipps und Ratschläge halten sollten, dann ist eben genau das peinlich.

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Sie haben ein Buch über den Umgang mit Heranwachsenden geschrieben. Wie kamen Sie darauf?

Ich habe zwei Jungs, die heute 14 und 20 Jahre alt sind. Eines Tages habe ich für meinen Sohn einen Kontrabass ins Auto gehievt. Und dieses Ding ist wirklich schwer, also habe ich beim Anheben gestöhnt. Mein Sohn, die Hände in den Taschen, stand neben mir, sah mir zu und sagte: „Mama, kannst du auch so atmen, dass es nicht peinlich ist?“ Da habe ich gedacht, entweder ich raste jetzt aus oder ich schreibe den ganzen Kram auf. Ich habe mich für Letzteres entschieden.

Was finden Kinder an Eltern peinlich?

Eine Hitliste. Nummer Eins: Mit der Mutter oder dem Vater auf dem Abschlussball tanzen zu müssen. Total schlimm. Ebenfalls auf Nummer Eins: Wenn Besuch da ist, ins Zimmer zu kommen. Genauso unmöglich: Den Nachwuchs „Hase“ rufen oder „Schatz“, wenn andere dabei sind. Nummer Zwei: Beim Shoppen reden. Kommentieren Sie weder Shirt noch Jeans, und öffnen Sie statt des Mundes nur den Geldbeutel. Nummer Drei: Hörbar über die Kinder sprechen, zum Beispiel mit der Oma am Telefon. Ich fasse zusammen: Nicht über sie reden, nicht mit ihnen weggehen, nicht nachfragen, nicht reinkommen und schon gar nicht mit ihnen tanzen.

Was sollen Eltern denn dann tun?

Wenn Sie zum Beispiel Ihr Kind von einer Party abholen: Einfach stumm vor der Tür stehen, bis das Kind auftaucht und es dann schweigend nach Hause fahren. Ein gutes Beispiel sind Klassenfahrten. Die meisten Kinder wollen außer Sichtweite abgesetzt werden und ziehen lieber drei Rollkoffer 200 Meter durch den Schnee, als vor dem Bus aus dem Wagen der Eltern zu steigen. Und niemals darf man dem Kind etwas hinterher bringen und rufen: „Hase, du hast etwas vergessen.“ Damit ruinieren Sie die ganze Klassenfahrt, alle Kinder werden die ganze Zeit rufen: „Hase, du hast etwas vergessen!“ und Ihr Kind versinkt im Boden.

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Eltern sind also immer peinlich?

Ja! Alle Eltern. Immer. Kinder brauchen das, sie müssen sich abgrenzen von uns. Da können Eltern machen, was sie wollen. Ich habe schon mal gehört: „Alleine wie du guckst, ist peinlich.“ Was soll man da noch machen?

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Wie sollen Eltern damit umgehen?

Mit Humor. Der ist wahnsinnig wichtig. Nehmen Sie so etwas nie persönlich und denken Sie daran: Die Kinder meinen nicht uns, sie meinen ihre entwicklungsbedingte Ratlosigkeit. Sie sind jetzt weder Fisch noch Fleisch, weder Kind noch erwachsen und wissen gar nicht, wohin mit sich. Da ist ihnen vieles unangenehm. Ganz wichtig: Sie wollen uns nicht verletzen, wirklich nicht! Sie wissen nur noch nicht, wie man sich „erwachsen“ verhält, nämlich einfühlsam und verantwortungsbewusst.

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