Für manche ist es ein neuer alter Hype, für andere die nachhaltigste Alternative zu Periodenprodukten: Free Bleeding ist definitiv die preisgünstigste Methode, Periodenblut aufzufangen. Du hast schon oft davon gehört, aber fragst dich, wie das eigentlich funktionieren soll? Wir haben mit Britta Wiebe von Vulvani gesprochen, die freies Menstruieren praktiziert und verständlich erklärt, wie es geht.
Was genau ist Free Bleeding?
Freies Menstruieren? Hört sich für viele erstmal seltsam an. Dabei ist es eigentlich historisch gesehen uralt. Denn unsere Vorfahrinnen haben vor vielen tausenden Jahren meist genau das gemacht, bevor dazu übergegangen wurde, die Blutung mit Einlagen aus Naturmaterialien aufzusaugen: Free Bleeding heißt, das Periodenblut frei laufen zu lassen. Natürlich gehen wir heutzutage dafür in der modernen Gesellschaft nicht in die Natur, sondern auf die Toilette.
Frauen, die frei Menstruieren praktizieren, gehen immer dann zum Klo, wenn sie merken, dass ihr Körper Blut ausstößt. Die Praxis basiert also darauf, den eigenen Körper und Zyklus sehr gut zu beobachten, denn das Blut fließt nicht permanent, wenn man seine Tage hat. Die Gebärmutter zieht sich in bestimmten Abständen zusammen, um das Blut und die Schleimhaut abzustoßen. Das passiert an den ersten beiden starken Tagen meist alle halbe Stunde und an den schwächeren alle paar Stunden. Diesen Rhythmus lernt man kennen und begibt sich jedes Mal direkt zur Toilette.
Der Vorteil von Free Bleeding ist dabei vor allem, dass es extrem nachhaltig ist. Angesichts der hohen Kosten von Periodenprodukten und der Unmengen an Müll, die wir dadurch produzieren, liegt das genau im Nachhaltigkeitstrend. Das freie Bluten ist also nichts anderes als die Periode ohne Tampon oder Binden aufzufangen.
Free Bleeding Hype als politischer Aktivismus
Auch wenn es historisch gesehen nichts wirklich Neues ist: Das freie Menstruieren wurde durch demonstrative "Free-Bleeder" wie Musikerin Kiran Ghandi ins Rampenlicht gerückt. Sie entschied sich zum London Marathon 2015 ihrer Periode freien Lauf zu lassen und wurde von anderen Vertreterinnen des 4. Welle-Feminismus über Social-Media-Kanäle gefeiert. Das Weglassen von Tampons hatte für sie zunächst praktische Gründe: Sie wären beim Laufen einfach zu unangenehm gewesen.
In ihrem Blog Madame Ghandi schreibt sie, sie wolle zumindest die Laufbahn zu einem Ort machen, an dem das Wohlgefühl einer Frau wichtiger sei als das ihres Betrachters.
“Ich rannte mit tropfendem Blut zwischen meinen Beinen für alle, die keinen Zugriff auf Tampons haben und alle die, die ihre Krämpfe und Schmerzen verstecken und so tun, als würden sie nicht existieren.”
Kiran Gandhi
Dabei hat das freie Bluten nicht immer etwas mit Aktivismus zu tun: Viele Mädchen und Frauen weltweit haben aus politischen oder finanziellen Gründen gar keine Alternative, als frei zu bluten. Denn der Zugang zu Periodenprodukten ist in Entwicklungsländern einfach oft nicht gegeben. Period Poverty und politischer Aktivismus sind gesellschaftliche Gründe, warum Frauen Free Bleeding praktizieren.
Ein anderer ist auch die Nachhaltigkeit: Wer keine Binden oder Tampons kaufen muss, spart sehr viel Geld und schont die Umwelt. Außerdem betonen einige Free Bleederinnen, dass sie dadurch das Gefühl haben, die Autonomie und Freiheit über ihren Körper wiederzugewinnen. Man ist dann nicht mehr abhängig von einem Produkt oder einer ganzen Industrie. Klingt das alles gut für dich? Dann willst du jetzt sicher, wissen, wie man Free Bleeding lernen kann. Und ja, das geht, sagt Britta Wiebe von der Periodenaufklärungsplattform Vulvani.
So geht Free Bleeding
Britta Wiebe ist eine Art Expertin für die freie Menstruation. Sie lebt und arbeitet laut eigenen Angaben selbst sehr zyklusbewusst und gestaltet ihren Alltag entsprechend. Free Bleeding funktioniert bei ihr sogar im Beruflichen und auf Reisen so gut, dass sie Online-Kurse dazu gibt, die man auf Vulvani buchen kann. Die Voraussetzung dafür ist, Mut zu haben, sich auf eine neue Herausforderung einzulassen und den eigenen Körper wirklich gut zu kennen und sich nach ihm zu richten: "Je besser du deine eigene Menstruation kennst, desto besser kannst du auch Free Bleeding praktizieren." Und so geht's:
Den Zyklus beobachten und die Periode kennen
Bevor du in die Periode ohne Tampon und Binden startest, solltest du deinen Zyklus genau beobachten. Mithilfe einer Zyklusapp kannst du Schwankungen beobachten und dokumentieren, weißt genau, wann es wieder soweit sein müsste und wie lang und stark deine Periode häufig ist. Fürs Free Bleeding kann es hilfreich sein, dass du auch einmal ein Periodentagebuch führst und dir notierst, in welchen Abständen an welchen Tagen Blut ausgestoßen wird. Dann bist du optimal vorbereitet, denn bei den meisten Frauen wiederholt sich dies monatlich in ähnlicher Weise.
Beginne am schwachen Tag deiner Periode
Wenn du weißt, dass sich deine Periode ankündigt, dann verzichte auf die Hygieneprodukte. Am besten startet man immer an einem schwachen Tag, um sich langsam daran zu gewöhnen. Trage während dieser Zeit am besten dunkle Kleidung. Britta gibt auch den Tipp, dass du anfangs noch einen Periodenslip tragen kannst, dann geht nichts daneben und du kannst beruhigt auf deinen Körper hören. Das alles geht natürlich am entspanntesten, wenn du dabei zu Hause bist. Doch das lässt sich natürlich nicht erzwingen. Schau einfach, wann und wo du dich wohl und sicher dabei fühlst, es auszuprobieren.
So merkst du, dass du bald blutest
Die Periode ist sehr individuell, daher gibt es hier nicht DAS eine Signal. Es kann ein Ziehen oder Krampfen im Unterleib sein. Manche Frauen spüren sogar, dass sich der Muttermund öffnet und manche fühlen eine Art Vibration im Unterleib. Es kann laut Britta sogar mit einem leichten Kribbeln in der Vagina beginnen. Achte darauf, was bei dir passiert und wie sich dein Unterleib dabei anfühlt.
Auch ein leichter Druck im unteren Bauch oder ein allgemeines Völlegefühl sind Signale. Bei mir persönlich ist es meist ein Mix aus dem Gefühl einer vollen Blase und leichtem Druck im Unterleib - so in dieser Region.
Britta Wiebe
Dann solltest du zur Toilette gehen
Wie oft und wann du das Klo aufsuchen musst, hängt ganz von deiner Periode ab. Sobald die du die ersten Symptome bemerkst, gehst du direkt aufs Klo und guckst, ob dabei das Blut abfließt. Du kannst dabei deinen Beckenboden weiten, nach hinten kippen und die Bauchmuskeln anspannen. Zu anfangs kann es helfen, wenn man öfter zur Toilette geht. Später wirst du selber einen Rhythmus finden und genau merken, wann es wieder soweit sein wird. Beim Free Bleeding brauchst du also immer eine Toilette in Reichweite. Wer es länger praktiziert, kommt damit auch auf Reisen und im Büro gut klar.
Es wird Momente geben, da musst du eigentlich gar nicht auf Toilette - aber du weißt, dass du gleich für längere Zeit unterwegs sein wirst. Geh also lieber noch einmal auf die Toilette und lass zusammen mit deinem Urin auch das Periodenblut ab. Am Anfang kann es auch sinnvoll sein, alle 30 bis 60 Minuten auf die Toilette zu gehen, um zu schauen, was passiert. Auf der Toilette ist es dann wichtig, sich zu entspannen, um das Periodenblut laufen zu lassen.
Britta Wiebe
Free Bleeding in den Alltag integrieren
Es ist ganz normal, wenn du dich im ersten Zyklus noch unsicher damit fühlst und nicht immer rechtzeitig die Toilette aufsuchst. Daher sind invasive Periodenprodukte wie Menstruationsunterwäsche eben die beste Unterstützung und du brauchst keine Angst vor unerwünschten Flecken zu haben. Ob und wie gut sich Free Bleeding bei dir im Alltag ausüben lässt, hängt von sehr vielen individuellen Faktoren zusammen. Wichtig ist, dass du dich mit deiner Routine wohlfühlst und es keinen Zusatzstress erzeugt. Die Free-Bleeding-Expertin betont: "Zeit, Ruhe und Übung sind hier wichtig. Es ist ok, wenn es nicht direkt beim ersten Versuch klappt. Wahrscheinlich brauchst du ein paar Zyklen, um Free Bleeding zu erlernen."
Vorteile und Nachteile der freien Menstruation
Ob Free Bleeding dauerhaft etwas für dich ist, wirst du schnell selbst herausfinden. Es kann auch sein, dass du es nur zu bestimmten Zeiten praktizierst, wenn du gerade zu Hause bist und nicht im Büro oder unterwegs. Oder aber du stellst fest, dass du dich damit einfach nicht wohlfühlst. Es ist dein Körper und deine Entscheidung!
Die freie Menstruation wird wahrscheinlich für viele Menschen nicht die richtige Wahl sein und das ist okay! Jede menstruierende Person erlebt die Periode ganz individuell und muss für sich selbst entscheiden, welches Produkt oder welche Methode am besten zum eigenen Lebensstil oder Bedürfnissen passt. Für Menschen mit einer starken Blutung oder Schmerzen (z.B. aufgrund von gesundheitlichen Problemen) kann es schwierig sein, sich auch auf Free Bleeding zu konzentrieren. Auf der anderen Seite kann sich eine bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Periode auch positiv auswirken. Free Bleeding soll eine Bereichung sein und keinen (zusätzlichen) Stress oder Druck darstellen.
Britta Wiebe
Um dir bei deiner Entscheidung zu helfen, zählen wir nochmal die Vor- und Nachteile des freien Blutens auf. Diese gelten nicht alle gleichermaßen für jede Person, können aber zutreffen.
Vorteile | Nachteile |
Erhöht das Wissen über den eigenen Zyklus | Verlangt sehr viel Flexibilität im Alltag und im Beruf |
Stärkt das Körperbewusstsein und die Selbstbestimmung | Kann den Alltag einschränken |
Bietet eine Form von Unabhängigkeit von Periodenprodukten | Setzt voraus, dass immer eine Toilette in der Nähe ist |
Spart viel Geld und Müll | Auch nachts musst du die Toilette aufsuchen |
Ist die nachhaltigste Alternative zu Periodenprodukten | Sportarten sind nur eingeschränkt möglich |
Kann Frauen helfen, die Tampons und Co. nicht vertragen oder starke Regelschmerzen haben | Längere Reisen müssen gut geplant sein und sollten nicht an starken Tagen stattfinden |
Kann ein politisches Signal setzen | Verlangt ein hohes Maß an Körpersensibilität |
Gewöhnungsbedürftig aber spannend
Ich selbst konnte mir nicht viel unter Free Bleeding vorstellen, bevor ich Britta und ihre Plattform Vulvani kennenlernte. Nachdem ich mich damit beschäftigt habe, und mehr auf meinen Unterleib während der Periode achte, hab ich das Gefühl, man könnte das teilweise versuchen. Da ich mittlerweile sowieso am liebsten Periodenslips statt Binden trage, praktiziere ich Teilzeit-Free-Bleeding. Im Homeoffice geht das tatsächlich, aber unterwegs im Alltag so ganz ohne etwas, dass das Blut aufsaugt? Das fühlt sich für mich persönlich sehr unsicher an. Da hab ich lieber den doppelten Boden. Ich würde euch einfach empfehlen, es auszuprobieren. Britta bietet in ihren Kursen auch nochmal einiges an Wissen dazu, dass einem wirklich die Augen öffnen kann. Ob ihr am Ende Free Bleeding in euren Alltag integrieren könnt, ist eure private Entscheidung.
Vor allem an starken Tagen lässt es sich vielleicht nicht immer mit dem Tagesablauf vereinbaren, “unten ohne” zu gehen. Hier ist es gut, eine Alternative wie eine Menstruationstasse zuhause zu haben. In unserem Video zeigen wir dir, wie du den Cup richtig faltest und angenehm sowie sicher einsetzt:
Bildquelle: Vulvani
Für Free Bleeding muss man seinen Körper genau kennen und das im Alltag integrieren können. Du kannst es auch super kombinieren mit einem Periodenslip als Backup. In unserem Test findest du heraus, welches Produkt am besten zu dir passt: