Haie und ihre messerscharfen Zahnreihen sind DER Inbegriff für Gefahr. Sie zieren Shirts, Poster in Kinderzimmern, Schulranzen, Plattencover und Filmplakate. Angstzination – dieses Kunstwort beschreibt sehr treffend das Verhältnis der meisten Kinder und auch Erwachsenen gegenüber Haien: Faszination meets Angst! Aber auch wenn er gefährlich wirkt, der Hai ist bedroht und braucht dringend Überlebenshilfe. Spoiler-Alarm: Europa ist der größte Haifisch-Exporteur weltweit. So können wir alle mithelfen, Haie vor dem Aussterben zu retten.
Kaum ein Tier hat einen so schlechten Ruf wie der Hai und die Gründe für Angst und Misstrauen sind vielfältig: Mit seinen spitzen Zähnen sieht er schon von Weitem sehr gefährlich aus, Blockbuster zeigen ihn regelmäßig als maritimes Monster und es wird immer wieder spektakulär über Haiunfälle berichtet. Dabei spricht die Statisktik hier eine deutlich andere Sprache: Mit 10 zu 273.00 000 Todesfällen liegt das Machtverhältnis klar auf der Seite der Menschen.
Im Jahr 2020 gab es einerseits insgesamt 129 gemeldete Haiunfälle, von denen 57 als „nicht provoziert“ analysiert wurden und 10 tödlich endeten. Jährlich werden andererseits gut 73 Millionen Haie wegen ihrer Flossen von Menschenhand gefangen und getötet, um diese z.B. zu Haiflossensuppe oder traditioneller Medizin zu verarbeiten. Die Schätzungen für die Anzahl der Haie, die zusätzlich aufgrund ihres Fleisches (Schillerlocke, Kalbsfisch oder Meeraal sind z.B. auch Haifleisch) oder des Haileberöls gefangen werden, gehen bis zu 273 Millionen, je nach Datenquelle und Messart. Und das jedes Jahr!
Werden unsere Kinder noch Haie erleben?
Über 450 Millionen Jahre lang war das Modell 'Hai' eines der Erfolgsmodelle der Evolution, schon vor den Dinosauriern schwammen sie durch die Ozeane. Über 470 Arten kommen in 90 % der Meere vor. Doch im Laufe der letzten 100 Jahre hat sich die Erfolgswelle eine Wendung genommen: viele Haiarten sind inzwischen gefährdet oder stehen sogar vor der Ausrottung.
Ob unsere Kinder und Enkel noch Haie erleben werden? Wenn wir so weitermachen, dann nicht mehr. Denn in den letzten 50 Jahren sind die Bestände der ozeanischen Haiarten durch industrielle Überfischung um 70% zurückgegangen. 37% der weltweiten Hai- und Rochenarten gelten als vom Aussterben bedroht.
Was wäre so schlimm dran, wenn es eben keine Haie mehr gäbe?
Der Hai steht an der Spitze der marinen Nahrungskette und ist so für das Gleichgewicht in unseren Meeren und Ozeanen verantwortlich. Wird es gestört, sind die Folgen enorm. Bereits sichtbare Konsequenzen durch Über- bzw. Unterbevölkerung der in der Nahrungskette unter den Haien liegenden Arten sind beispielsweisen geschädigte Riffe.
Schwindende Fischbestände, die vielerorts sowieso schon durch die industrielle Fischerei bedroht sind, sind ein Problem für die Natur – und ein Problem für die Menschen, die ihre Familien durch die Einkünfte aus lokaler Fischerei ernähren.
Aber nicht nur zurückgehende Bestände, auch Überpopulationen von Tierarten können zum Problem werden: Schildkröten oder Dugongs, klassischen Beutetieren von Haien, weiden Seegraswiesen übermäßig ab, was zu Küstenerosion führt und ganze Küstenabschnitte abrutschen lässt, wie vor kurzem in Australien geschehen.
Was Seegras und Plankton für das Weltklima tun
Was mir vor der Recherche für diesen Artikel auch nicht klar war: Fast 75% unseres Sauerstoffs kommt aus dem Meer. Wir sind also hochgradig vom Phytoplankton abhängig, denn dieses produziert Sauerstoff. Seegras bindet außerdem große Mengen CO2, weswegen ein großer, gesunder Seegrasbestand für den Erhalt unseres Klimas unbedingt notwendig ist.
Traurige Bilanz für Europa
Haifischflossensuppe ist in Südostasien ein traditionelles Prestigeprodukt. Dank des Wirtschaftswachstums, kann sich die seit Jahrzehnten wachsende Mittelschicht dieses nun auch vermehrt leisten.
Hohe Profite und eine steigende Nachfrage haben zu einer weltweiten Haifang-Industrie geführt. Und ganz vorne mit dabei sind wir in Europa: 3,5 Millionen Kilogramm an losen Haiflossen werden pro Jahr aus der EU nach Hongkong, Taiwan, China und Thailand importiert. Die Fangflotten der drei Länder Spanien, Portugal und Frankreich landeten zuletzt pro Jahr ca. 112.000 Tonnen Haifisch-Fleisch an. Damit sind die Länder der EU zusammengenommen der größte Haifisch-Exporteur weltweit.
Andere Länder, andere Sitten, aber ....
... muss man alle Traditionen gutheißen?! Ich denke nicht. Übrigens: Die Flossen, die hauptsächlich aus Haut und Knorpel bestehen, müssen für ein bis zwei Tage mit Gemüse und oder Hühnchen eingekocht werden, damit die Haiflossensuppe überhaupt nach etwas schmeckt. Lokal fehlt es oft an Aufklärung, wie sehr der Leckerbissen (?) den Tieren und der Natur schadet.
Shark-Finning und der Handel mit Hai-Flossen
Im Jahr 2013 wurde in EU-Gewässern und auf EU-Schiffen das sogenannte Hai bzw. Shark-Finning (siehe Box) verboten. Leider wird dieses EU-Verbot – wie wahrscheinlich viele Gesetze, die auf hoher See Anwendung finden – nicht ausreichend durchgesetzt: nur maximal 5% der Schiffe werden stichprobenartig kontrolliert. Da lose Flossen beim Transport weniger Platz benötigen als ein ganzes Tier, findet Finning weiterhin in großem Stile statt.
Shark-Finning
Finning bezeichnet das Abtrennen der Rückenflosse und der anderen Flossen des Hais bei vollem Bewusstsein. Der Hai wird dafür normalerweise nicht getötet, sondern anschließende wieder ins Meer zurückgeworfen, wo er zu schwimmunfähig zu Boden sinkt und entweder erstickt, verblutet oder von anderen Tieren gefressen wird.
NGOs, Bürgerinitiativen und Artenschutz-Organisationen wie 'Sharkproject' setzen sich ein, um dem Handel mit den Flossen ein Ende zu bereiten. Zusammen mit gut Hundert weiteren NGOs und unterstützt von Prominenten und Privatpersonen sammelt Sharkproject nun Unterschriften, um den Handel (Import, Export und Transit) von losen Haiflossen in der EU verbieten zu lassen. „Stop Finning – Stop The Trade“ heißt ihre Forderung und die gemeinsam gegründete europäische Bürgerinitiative, also "Stoppt Finning – Stoppt den Handel".
Damit die Forderung vor dem Europäischen Parlament vorgelegt wird, schreibt die EU im Rahmen der Bürgerinitiative die Erreichung von 1 Million Stimmen bis zum 31. Januar 2022 vor. Die Stimmabgabe ist einfach: das Online-Formular auf der EU-Bürgerinitiative ausfüllen und abschicken.
5 Dinge, wie man zuhause vom Sofa aus für den Schutz von Haien eintreten kann
- An der Online-Pettition teilnehmen (s.o.): kostenlos, ca. 2 Minuten
- Mehr über Hai lesen und lernen: Kostenlos in der Bücherei oder Buch bis ca. 25 € oder bei stop-finning.com
- Ein WWF-Hai-Kuscheltier zu Weihnachten verschenken: ca. 20 €
- Für Haie spenden, z.B. WWF: nach eigenem Ermessen
- Wer die Spendierhosen anhat, kann beim Ocean Wildlife Project sogar gleich die Patenschaft für ein ganzes Riff übernehmen: ab 1500 €
Impulse für kleine Schritte für eine besser Umwelt, findet ihr hier im Video:
Bildquelle: Sharkproject/ Koch/ Gstöttner/ Futterknecht