Das eigene Kind stark machen, ist gar nicht so einfach. Aber Kinder müssen, wenn sie selbstständig werden wollen, ihre Ängste überwinden – und entdecken dabei oft deren magische und lustvolle Kräfte.
Das eigene Kind stark machen: Wollen alle Eltern
Alle Eltern wollen starke Kinder. Nicht im Wortsinne sondern eher im übertragenden. Wir wünschen uns Kinder, die stark sind im Leben, die sich was trauen und ihre Meinung sagen können. Gleichzeitig müssen Kinder und Erwachsene aber auch schwach sein dürfen. Weil das eine ohne das andere gar nicht funktioniert.
Starke Kinder haben Angst
Vermutlich hat euer Kind Angst vor verschiedenen Dingen. Manches können wir nachempfinden, andere Ängste erscheinen uns komplett irrational. Und doch sind diese Ängste wichtig, um euer Kind stark zu machen.
Kinderangst ist wichtig
Beleuchten wir zunächst mal die Kinderängste genauer. Angst entstehen auf vielfältige Weise. Sie ist vor allem ein Motivator. Euer Kind lernt durch die Angst ganz viel Neues kennen. Wenn ihr das nicht unterstützt, dann fehlen wichtige Erfahrungen. Und stattdessen kann euer Kind gehemmt werden und eine Angst vor der Angst entwickeln.
Angst kommt durch Erfahrung
Die allermeisten Kinder haben im Babyalter keine Angst. Krabbeln und laufen lernen, eine Erfahrung die ja auch beängstigend sein kann, wird lustvoll angenommen. Kein Stuhl ist zu kippelig, kein Tisch zu hoch, um nicht zu versuchen, drauf zu klettern. Angst vor dem Absturz? Kennen unsere Kleinen nicht. Sie werden stark, weil sie sich alles zutrauen.
Dieses Zutrauen in sich selbst schwindet mit zunehmender Erfahrung. Weil eurer Kind lernt, dass es nicht alles auf Anhieb kann. Grundsätzlich wird alles, was neu ist, von einer Mischung aus Lust und Angst begleitet.
Angst vor Urgewalten
Angst haben Kinder oft vor Urgewalten. Ob Gewitter, Blitz, Donner, Feuer, Wasser, irrealen Wesen, Monstern, Gespenstern, Hexen, wilden Tieren und anderen Fantasiefiguren, das kann Kindern einen Schreck einjagen. Und gleichzeitig wird euer Kind so stolz auf sich sein, wenn das Gewitter vorrüber ist oder es der gruseligen Geschichte weiter zugehört hat.
Kinderangst bei den Kleinsten
Je jünger die Kinder sind, umso heftiger empfinden sie solche Bedrohungen, weil ihre Identität nur unzureichend entwickelt ist und sie sich ihrer selbst noch nicht sicher sind. Solche Ängste begleiten Kinder vom zweiten Lebensjahr an. Was gegen die Angst helfen kann? Fantasiefreund*innen. Denn die Fantasiefiguren können euer Kind stark machen, weil sie das Gefühl haben, nicht allein zu sein. Und wundert euch nicht, wenn die neuen imaginären Freund*innen eine Weile bleiben, manche Kinder brauchen etwas länger diese Form der Unterstützung.
Kind stark machen: Nachts ist es besonders wichtig
Besonders nachts muss euer Kind oft stark sein. Denn alles ist ja irgendwie unheimlicher, wenn es dunkel ist. Da wird die sich im Wind bewegte Gardine zum Gespenst und das Kuscheltier in der Ecke zum riesigen Monster. Wenn euer Kind euch am nächsten Morgen erzählt, dass es sich gegruselt hat, aber dann aufgestanden ist um nachzugucken, dann lobt es ruhig. Denn es ist eine ziemliche Leistung von unseren Kleinen, sich das zu trauen.
Zuhören macht euer Kind stark
Ein Kind stark machen bedeutet auch, ihm zuzuhören. Sätze wie „Du brauchst doch keine Angst zu haben!“ oder „Das ist doch nicht schlimm!“ nehmen Kinder in ihren Ängsten nicht ernst. Sie lassen Kinder allein oder führen dazu, dass sie ihre Ängste verdrängen oder verleugnen. Und das ist genau das Gegenteil von stark machen.
So können Eltern ihr Kind stark machen:
Dr. Jan-Uwe Rogge, Autor vieler Ratgeberbücher für Eltern, hat einige Tipps und Tricks für euch, wie ihr euer Kind stark machen könnt.
- Gebt eurem Kind Sicherheit und Verlässlichkeit.
- Ein Kind, das Angst hat, muss ernst genommen werden. Es hat es nicht verdient,
dass seine Angst heruntergespielt wird. - Gebt eurem Kind durch Rituale und Regeln Sicherheit im Umgang mit
Ängsten. Bedenken Sie: Ängste kommen schnell, vergehen aber nicht von jetzt
auf nachher.
Kinderangst ist auch Sehnsucht nach Neuem
Dr. Rogge hat auch ein Beispiel im Gepäck, das zeigt, wie aus Kinderangst Stärke werden kann.
Beispiel: Schauen wir uns den fünfjährigen Jonas an, der mit seinem Vater vor einer Geisterbahn mit böse dreinblickenden Monstern steht. „Willst du da rein?“, fragt der Vater. Jonas wirkt unschlüssig. Er hört Gekreische und Gejauchze aus dem Inneren. „Komm!“, sagt er schließlich und zieht seinen Vater in Richtung des Eingangs. Sie lösen Tickets und besteigen den Wagon. Jonas drückt sich fest fest an seinen Vater.
Als er die ersten Gespenster sieht, hält er sich die Hände vors Gesicht, lässt aber zwischen den Fingern einen kleinen Spalt, durch den er die vielen Schreckensgestalten sehen kann. Immer wieder schreit er laut auf. „Na?“, fragt der Vater, als die Fahrt zu Ende ist und er die schweißnassen Hände seines Sohnes spürt. „Spitzenklasse!“, ruft Jonas begeistert.
Spannungsabbau: So werden Kinder stark
Das Beispiel zeigt: Mit dem Erreichen des Erregungsgipfels ist zugleich die Erwartung eines Spannungsabbaus verbunden. Die Angst wird lustvoll erlebt, weil das Kind weiß, dass es anschließend in die Gewissheit des Alltags zurückkehren kann. Die Angst bleibt überschaubar, weil sie an eine ganz bestimmte Situation gebunden ist.
In der Lust an der Angst steckt zugleich auch die Sehnsucht nach Neuem. Ein geheimnisvolles Prickeln, dass etwas schiefgehen könnte, ist verbunden mit der unverbrüchlichen Zuversicht, dass es schon gut ausgehen wird.
Kind stark machen und Angstlust erleben lassen
Um euer Kind stark zu machen und es eine Angstlust erleben zu lassen, braucht es, laut Dr. Jan-Uwe Rogge, folgende Voraussetzungen:
- Das Kind setzt sich freiwillig einer gefährlichen, gefühlsmäßig verunsichernden
Situation aus, weiß aber zugleich, dass es ein Happy End geben wird. - Es existiert eine äußere Gefahr, z.B. Gespenster. Das Kind lässt sich auf das Spiel
ein und verzichtet zeitweise auf die gewohnte Sicherheit. - Das Wissen um den positiven Ausgang der Furcht einflößenden Situation macht
die Angst erträglich.
Kind stark machen zwischen 3 und 10. Lebensjahr
Ängste fordern heraus, können schöpferische Kräfte wecken, stark und lebenstüchtig machen. Sich Ängsten zu stellen, sie mit eigenen, manchmal ungewöhnlichen Methoden zu bewältigen, stellt eine der wichtigsten Entwicklungsaufgaben zwischen dem dritten und zehnten Lebensjahr dar. Nur wer sich seinen Ängsten stellt, der kann auch stark werden.
Ihr solltet eure Kinder gewähren lassen. Es macht ein Kind stark, wenn ihr es nicht überbehütet. Kinder brauchen keine Einschränkung, sie brauchen Eltern, die ihnen den Rücken stärken.
Meine Meinung
Kinder stark machen hat für mich immer auch etwas mit Rücken stärken zu tun. Meine drei Kinder wissen, dass ich hinter ihnen stehe und ihnen die Hand reiche, wenn sie sie brauchen. Wenn nicht, dann dränge ich mich auch nicht auf.
Besonders bei meinem Wackelzahnkind ist die Neugier und auch die Angst groß. Ist ja auch klar, die Schule steht vor der Tür und damit auch etwas vollkommen Neues. Natürlich macht das Angst, wir alle fühlen uns ja mindestens unwohl, wenn wir in Situationen kommen, die wir noch gar nicht kennen. Aber wir Eltern wissen auch, dass das Überstehen von Situationen helfen kann, neuen Mut zu bekommen. Bei uns zuhause gibt es deswegen das kontrollierte Abenteuer. Situationen, vor denen mein Wackelzahnkind Angst hat, die sie aber gut meistert. Das gibt ihr Selbstvertrauen für neue Situationen. Und so wird mein Kind stark, Schritt für Schritt.
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