Nora Imlau, 40, ist mehrfache Bestseller-Autorin und wohl Deutschlands bekannteste Vertreterin der bindungsorientierten Elternschaft. Als Expertin für gefühlsstarke Kinder und Mutter von vier Kindern erlebt sie täglich große Versäumnisse an unseren Schulen. Fünf Gründe, warum sie von unserem Schulsystem enttäuscht ist.
1. „Viele Kinder fühlen sich in der Schule als Störfaktor“
Immer wieder bekommt Nora Imlau dieses Feedback von Eltern und Schülern: „Kinder und Jugendliche machen die Erfahrung, dass sie nicht gesehen werden. Einige haben sogar das Gefühl, dass Lehrer auf sie herabblicken“. Viel zu wenig werden ihre Fähigkeiten anerkannt, weil sie in einigen Bereichen durch ihr Verhalten stören. Laut Nora macht eine wertschätzende Haltung des Lehrers hier einen großen Unterschied. „Einfach zu signalisieren: Ich sehe dich und deine Bedürfnisse – auch wenn ich sie gerade nicht erfüllen kann, ist für Kinder bereits eine große Unterstützung.“
2. „Inklusion geht nicht erst bei Behinderung los“
Inklusion muss mehr sein als nur ein Wort auf der Schul-Homepage. Und sie betrifft nicht nur Kinder mit Behinderungen. Für Nora „geht Integration los bei Kindern, die mehr Begleitung, mehr Regulation und Unterstützung benötigen. Das können individuelle Bedürfnisse in alle Richtungen sein.“ Dennoch findet Inklusion noch immer sehr vereinzelt statt. In ihrer täglichen Arbeit erlebt Nora Imlau, dass gerade die Schulen, die es nötig hätten, oft ihre Selbstreflexion und die Auseinandersetzung mit dem eigenen pädagogischen Handeln scheuen.
3. „Eltern verzweifeln teilweise an der Schulpflicht“
Gerade Eltern von Kindern, die nicht in das gängige System Schule passen, machen sich viele Sorgen um die Entwicklung ihres Kindes. Nora Imlau hat schon Fälle erlebt, bei denen ein Schulwechsel unabdingbar war. Dies ist besonders bei Kindern der Fall, die eine enge Betreuung brauchen und diese an ihrer Schule nicht erhalten. Betroffen sind hiervon nicht nur Grundschüler, vielmehr kann sich dieses Problem durch die gesamte Schullaufbahn ziehen.
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4. „Mädchen sind häufig die beliebteren Schülerinnen“
Nora Imlau ist selber in einem Lehrerhaushalt aufgewachsen. Sie kennt Schule also sowohl aus fachlicher Sicht als auch aus ihrer persönlichen Erfahrung. Sie sagt: „Mädchen sind häufig die beliebteren Schülerinnen. Sie sind unkomplizierter, weil sie in ihrer Entwicklung einfach oft schon weiter sind.“
Natürlich ist das den Jungen gegenüber ungerecht, da ihnen ihre individuelle Entwicklung zum Nachteil ausgelegt wird. So wird z.B. Bewegungsdrang, der nicht kontrolliert werden kann, als Fehlverhalten ausgelegt. Es kann passieren, dass dieses Verhalten letztlich auch Einfluss auf die Notengebung hat und Jungen somit doppelt benachteiligt werden.
5. „Die Burn-out Rate bei Lehrer*innen ist kein Wunder“
Überfüllte Klassenräume, Anforderungen der Schulleitung, vollgestopfte Lehrpläne und wenig Unterstützung. Für Nora Imlau ist die Burn-out Rate bei Lehrer*innen kein Wunder: „Viele Lehrer und Lehrerinnen können die eigenen pädagogischen Ideale nicht in Einklang bringen mit der Realität eines vollen Klassenzimmers. Gerade hoch motivierte Menschen müssen in einem Schulsystem arbeiten, das ihnen überhaupt nicht die Freiräume lässt, die sie benötigen.“
Eine wichtige Forderung von Nora: „Wir brauchen mehr pädagogisches Personal in den Klassenzimmern! Für die Lehrer, für die Schüler und das gesamte Klassenklima.“
Hört rein! "Prominente für Bildung"
Was Nora Imlau außerdem an unserem Bildungssystem schockiert und welche konkreten Vorschläge zur Verbesserung sie hat, das erfahrt ihr im Podcast „Prominente für Bildung“.
Hier spricht Gastgeberin Viola Patricia Herrmann jede Woche mit einem neuen prominenten Gast (und Elternteil) über Schule, Bildung und "all das, was unsere Kinder wirklich für ihr Leben brauchen". Neue Folgen gibt's jeden Donnerstag kostenfrei auf allen gängigen Streaming-Plattformen, z.B. Apple Podcast.
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Bildquelle: Viola Patricia Herrmann