Medienvorbilder prägen unsere Selbstwahrnehmung – und vor allem die unserer Kinder. Ein gut-gemeintes Konzept wie die Casting-Show „Curvy Supermodel“, das eigentlich „body positivity“ feiern will, kann so auch schnell nach hinten losgehen.
„Curvy Supermodel“, so nennt sich die neuste Modelshow rund um Plus-Size-Models beziehungsweise solche, die es werden wollen. Die einen feiern es als Sieg für das „Body-Acceptance-Movement“. Die anderen können damit nichts anfangen. Wir sagen: Ob curvy oder skinny, solche Castingsshows prägen die Selbstwahrnehmung junger Zuschauer und sollten deswegen zum Anlass genommen werden, um mit Kindern über Körperkult jeglicher Art zu sprechen.
„Curvy Supermodel“ keine wahre Gegenbewegung zum Körperkult
„Du musst nicht dünn sein, um schön zu sein“ – eigentlich eine schöne Botschaft, die wir nur unterstützen können. Und trotzdem können wir das Konzept von „Curvy Supermodel“ nicht wirklich unterschreiben. Für alle, die noch nichts von der Casting-Show mitbekommen haben, eine kurze Beschreibung: Denken Sie an Germanys next Topmodel. Ersetzen sie die dünnen Mädchen durch Plus-Size-Frauen, Heidi Klum durch Angelina Kirsch und ProSieben durch RTL II. Das Format geht mittlerweile in die zweite Staffel und hat alles zu bieten, was das Klum-Format auch vorweist: Umstylings, bei denen Tränen fließen, Laufstege, auf denen die Tränen fließen, Fotoshootings, bei denen die Tränen fließen und natürlich Kämpfe unter den Model-Anwärterinnen, bei denen, Sie ahnen es schon, die Tränen fließen. Denn was wäre ein solches Format ohne inszenierte „Zickenkriege“? Frauenfreundschaften? Gegenseitige Unterstützung? Noch nie davon gehört.
Und da wären wir auch schon bei der Krux der Sache: „Curvy Supermodel“ und dergleichen geben vor etwas zu sein, das sie nicht sind. Denn die Vermarktung des Formats ist simpel: Es wird ganz klar als Gegensatz zu der Modelshow von Heidi Klum positioniert. Ende mit dem Magerwahn heißt es. Auch Frauen, die mehr auf den Hüften haben, sind schön und sexy. So die Botschaft.
Was beim Zuschauer – vor allem bei Kindern und Teenies – allerdings ankommt, ist vor allem das: Es ist zwar egal, ob du dünn oder dick bist, aber hübsch und sexy musst du immer sein. Das Aussehen hat immer oberste Priorität. Auch die Curvy-Model-Wannabes müssen schauen, dass sie nicht „zu viel schwabbeln“. Müssen Kommentare über ihr Aussehen über sich ergehen lassen und die mitleidigen Blicke der Jury-Mitglieder aushalten, wenn sie im betont mitleidigem Tonfall fragen: „Wie lange bist du denn schon curvy?“
Die Sendung hat wenig mit einem positiven Körperbewusstsein zu tun. Immer mal wieder rufen die Jurymitglieder den „Mädchen“ zu: „Sei doch mal selbstbewusster!“. Die Kandidaten sollen sich lieben wie sie sind. Aber das ist alles nur eine Farce. Ein positiver Umgang mit dem eigenen Körper, Selbstliebe und Akzeptanz werden einem in so einer Show nicht vorgelebt. Und ganz ehrlich: Das muss die Sendung auch nicht. Am Ende ist es eine Castingshow. Eine Show über das Modelleben, das nun mal aus Oberflächlichkeit besteht. Und noch banaler gesagt: Die Sendung ist ein Produkt, das Geld machen will, und damit auch in Kauf nimmt, dass Marketingstrategie und das Endresultat auseinander klaffen. Ist das besonders moralisch oder fortschrittlich? Nicht wirklich. Etwas Neues oder ein Unterschied zu all den anderen Sendung, die wir täglich so konsumieren? Auch nicht.
Offener Dialog mit Kindern und Jugendlichen
Das alles heißt nicht, dass Kinder und Jugendliche solche Shows gar nicht anschauen dürfen. Denn vor der Realität, die in vielen Fällen nun einmal so oberflächlich aussieht, kann und sollte man seinen Nachwuchs nicht bewahren. Vielmehr sollten Eltern Sendungen wie „Curvy Supermodel“ oder GNTM zum Anlass nehmen, mit ihrem Kind über Körperbewusstsein, Schönheitswahn und Persönlichkeit zu sprechen.
Vor allem bei Mädchen wird die Beschäftigung mit dem eigenen Aussehen und Schönheit oft abgetan und als ganz normales Mitbringsel der Pubertät betrachtet. Das ist es natürlich auch, trotzdem sollte man die Einflüsse und den Druck, unter dem Kinder und Jugendliche stehen, nicht unterschätzen. „Wichtig ist, dass Eltern ihr Kind ernst nehmen, wenn es sich mit seiner Persönlichkeit und vor allem mit seinem Aussehen beschäftigt“, betont SCHAU HIN!-Mediencoach Kristin Langer.
Durch Medien wie Fernsehen, Instagram, Snapchat oder YouTube wird Kindern und Jugendlichen eine perfekte Welt vorgegaukelt. Alles funkelt, alles ist auf Hochglanz poliert. Selbst auf #nomakeup-Bildern schauen ach so natürliche Instagram-Stars noch perfekt und makellos aus. Selbst bei den Curvy-Models sitzt alles stramm und fest, Cellulite und Dehnungsstreifen haben keine Chance.
Deshalb ist es wichtig, mit Kindern und Jugendlichen über die Unterschiede zwischen der Medienrealität und der wirklichen Realität zu sprechen. Auch Instagram-Stars schauen nicht immer perfekt aus. Da stecken Filter, Photoshop und zahlreiche Fotosessions dahinter. Was auf YouTube perfekt wirkt, muss im wahren Leben noch lange nicht so sein. Egal ob im Fernsehen oder in den Sozialen Netzwerken, oft ist jüngeren Kindern – vor allem bei letzterem – nicht klar, dass immer Inszenierungen dahinter stecken. Die Leute werden dafür bezahlt, dass sie ein perfektes Foto – inklusive „zufällig“ positionierter Werbung – posten. Medien arbeiten bewusst mit klischeehaften Rollenbildern („die Zicke“ versus „die Brave“), bösen Kommentaren oder schlicht Regieanweisungen, um Emotionen beim Zuschauer zu wecken. Denn letztendlich sind „Curvy Supermodel“ oder GNTM ihre Kandidaten eigentlich egal. Es geht nicht darum, deren Selbstbewusstsein zu steigern oder ein gutes Vorbild für die Zuschauer zu sein. Es geht darum, Geld zu verdienen.
Wenn Ihr Kind also gerne solche Formate schaut oder ständig auf Instagram und Co. unterwegs ist, sollten Sie den offenen Dialog mit ihm suchen. Verteufeln Sie die Medien, die es konsumiert, nicht, sondern versuchen Sie, die Faszination dahinter zu verstehen. Vielleicht können Sie altersgerechte Alternativen aufzeigen oder in Ihrem Kind einfach nur das Bewusstsein stärken, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Und dass Zufriedenheit mit sich selbst wichtiger ist, als „perfekt“ zu sein.
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