Wir verraten Ihnen ein Trick, der Eltern und Kindern mehr Sicherheit im Umgang mit Fremden gibt und geben Tipps, wie Sie Ihr Kind für den Ernstfall vorbereiten.
Der Albtraum aller Eltern: Auf dem Nachhauseweg wird das eigene Kind von einem Fremden auf der Straße angesprochen. Der Mann oder die Frau ist angeblich „ein Freund von Mama und Papa“ und soll das Kind sicher nach Hause bringen, weil die Eltern beschäftigt sind oder einen Unfall hatten. Ihr kleiner Liebling denkt sich nichts dabei und geht mit dem Fremden mit. Kommt es zum Schlimmsten, sehen Sie Ihr Kind so vielleicht nie wieder.
Um diese furchtbare Situation nie Realität werden zu lassen, wenden einige Mütter und Väter einen kleinen, aber überaus wirksamen Trick an:
Gemeinsam mit Ihrem Kind legen Sie ein Passwort fest, das eine Person, die das Kind abholen möchte, wissen muss. Wird Ihr Mädchen oder Junge also von einem Fremden angesprochen, fragt es zuerst nach dem Passwort, bevor es mitgeht. Die Frage wird eine fremde Person mit bösen Absichten vielleicht erst einmal verwirren, das kann sich das Kind zu Nutze machen, um schnell wegzulaufen.
Wichtig: Das Passwort muss ausgetauscht werden, sobald es einmal jemandem weitergegeben wurde, der keine Vertrauensperson ist. Erinnern Sie Ihr Kind auch daran, das Codewort mit niemandem zu teilen und – ob mit Passwort oder ohne – immer vorsichtig zu sein und Fremden nie blindlings zu vertrauen.
Für den Ernstfall sensibilisieren
Denn, auch wenn solch ein Passwort eine gute Möglichkeit ist, Eltern und Kind abzusichern, am wichtigsten ist es für solche Situationen immer noch, das Selbstbewusstsein des Kindes zu stärken. Bringen Sie Ihrem Kind früh bei, dass es „Nein“ sagen darf – ja manchmal sagen muss.
➤ Machen Sie Ihrem Nachwuchs außerdem bewusst, dass Sie immer wissen müssen, wo er gerade ist oder hingeht. Verbringt das Kind also gerade Zeit bei einem Freund und wollen die beiden nun gemeinsam auf den Spielplatz gehen, muss als erstes Mama Bescheid gegeben werden. Fangen Sie schon in harmlosen Situationen an, Ihrem Kind diese Regel einzuschärfen. Sind Sie im Supermarkt und Ihr Kind möchte zur Zeitschriftenabteilung, muss es erst fragen und Bescheid geben. So gewinnen Kinder ein Bewusstsein dafür, dass ihr Aufenthaltsort für die Eltern von zentraler Bedeutung ist.
➤ Jagen Sie Ihrem Kind keine Angst vor anderen Menschen ein, machen Sie ihm aber bewusst, dass ihm nicht alle Menschen wohlgesonnen sind. Kinder sind von Natur aus aufgeschlossen, diese Weltoffenheit sollen sie auch nicht verlieren, dennoch sollten sie ein Bewusstsein dafür entwickeln, wer „ein Fremder“ ist und warum sie diesem nicht trauen dürfen. Legen Sie mit Ihrem Kind also ganz klar fest, wer ein Fremder ist und wer nicht. Tante Margit, die es – in Absprache mit den Eltern – gelegentlich vom Kindergarten abholt, ist keine Fremde. Der Mann, den das Kind vom Bäcker kennt, allerdings schon.
➤ Generell sollte die Regel lauten: Geh nie mit einem Fremden mit, wenn er dich direkt dazu auffordert. Du musst auch keinem fremden Erwachsenen helfen, nur weil er dich drum bittet. Nur Erwachsene helfen fremden Erwachsenen, das sollte jeder Fremde verstehen.
➤ Laut dem Kinderpsychiater Dr. Michael Winterhoff sind Kinder ab dem fünften Lebensjahr in der Lage zu verstehen, wenn eine Situation befremdlich ist. Deshalb ist es spätestens ab diesem Alter, aber am besten schon früher, wichtig, das Kind in der Gewissheit zu stärken, dass es immer über alles mit den Eltern reden kann. Kommt ihm etwas komisch vor, soll es das sofort den Eltern erzählen, egal wie klein die Sache ist. Machen Sie Ihrem Kind auch klar, dass es in solchen Situationen völlig egal ist, ob es „einen Fehler gemacht hat“ – also beispielsweise mit einem Fremden geredet hat – es kann und sollte immer zu Ihnen kommen. Und: Dies alles gilt nicht nur für fremde Personen. Auch wenn im Familien- und Freundeskreis etwas passiert, das das Kind verwirrt oder verängstigt, darf, soll, muss es immer etwas sagen.
➤ Um beim Kind das Verständnis für Gefahrensituationen zu schärfen, müssen Eltern auch selbst an ihrem Erziehungsstil arbeiten. Als Elternteil müssen Sie verstehen und respektieren, dass Kinder ihre eigenen Grenzen haben, die Sie nicht überschreiten sollten. Das kann schon bei kleinen Dingen anfangen: Wird ein Kind immer und wieder dazu aufgefordert ein T-Shirt anzuziehen, das es nicht mag, das kratzt oder zu eng ist, dann signalisieren Sie dem Kind so: „Deine Gefühle interessieren mich nicht.“ Wichtig ist also zuzuhören und auf das Kind und dessen Bedürfnisse einzugehen. Das gilt beispielsweise auch für den Besuch bei Verwandten. Zwingen Sie Ihr Kind nicht, Personen zu umarmen oder zu küssen, wenn es das nicht möchte. So vermitteln Sie Ihrem Kind, dass es in Ordnung ist, wenn es seine eigenen Grenzen hat und festlegt.
➤ Kindern fällt es oft schwer zu unterscheiden, was erlaubt und was verboten ist – vor allem, weil Täter häufig suggerieren, dass das, was sie tun, völlig in Ordnung ist. Legen Sie mit Ihrem Kind also ganz klar fest, was andere dürfen und was nicht. Die oberste Regel: Kein Fremder darf den eigenen Körper anfassen.
„Üben“ Sie solche Situationen NICHT mit Ihren Kindern
Oft wird empfohlen, solche Situationen mit dem Kind durchzuspielen, um ihm so die richtige Handlungsweise beizubringen. Aber genau das könnte Ihr Kind nur unnötig verwirren. Dr. Winterhoff erklärt in einem Interview mit der BILD: „Das bringt gar nichts, denn das Kind versteht nicht, worauf es ankommt. Es erkennt die Gefahr nicht und wird dadurch vielleicht nur noch mehr verunsichert und ängstlicher.“
Wo findet das Kind Hilfe?
Besprechen Sie mit Ihrem Kind, was es im Ernstfall machen sollte. Sagen Sie, dass es schreien, schlagen, spucken, kratzen darf, wenn ein Fremder ihm wehtut. Sagen Sie ihm, dass es unhöflich sein darf und nichts von anderen annehmen oder jemandem den Weg weisen muss. Sagen Sie ihm, dass es laut werden soll – auf sich aufmerksam machen soll – wenn ihm eine Situation nicht geheuer ist. Machen Sie ihm klar, dass Erwachsene Kinder niemals schlagen oder grob anfassen dürfen - wenn das jemand macht, ist es immer zulässig, sich zu wehren.
Erklären Sie ihm auch, an wen es sich im Notfall wenden kann. Wenn es in Not ist, darf es Fremde ansprechen und aufsuchen. Am besten Fremde, die Uniformen tragen: Polizisten, Feuerwehmänner, Wachdienste – und auch Verkäufer oder Kellner. Auch gute Fluchtorte sollten besprochen werden, wie zum Beispiel Geschäfte und Cafés. Gehen Sie den Schulweg zusammen mit dem Kind ab und zeigen ihm ganz explizit Orte, wohin es sich wenden kann, wenn es sich unwohl oder bedrängt fühlt.
Beispiele für Regeln für Eltern und Kinder
• Genauso, wie Sie immer wissen sollen, wo Ihr Kind ist, sollte auch Ihr Kind immer wissen, wo Sie sich befinden und wie Sie zu erreichen sind.
• Geht das Kind in einer Menschenmenge verloren, soll es immer stehen bleiben und nicht selber nach Mama suchen. Machen Sie ihm klar, dass Sie es suchen werden und dass Sie auf jeden Fall immer kommen werden.
• Bringen Sie Ihrem Kind bei, Fremde in solchen Situationen zu Siezen. Das schafft Distanz und macht es für Außenstehende einfacher, die Situation zu erfassen.
• Machen Sie dem Kind klar: Egal, was dir jemand Fremdes anbietet, wenn du es ausschlägst und sicher heim kommst, werde ich dir das Gleiche geben. So fühlt sich das Kind nicht vor die Wahl gestellt und zum Mitgehen verleitet.
• Definieren Sie für das Verhalten von Kindern Grenzen. Zum Beispiel: Es ist in Ordnung, wenn du dich daheim ausziehst, draußen oder vor Besuch machen wir sowas aber nicht.
• Namensbeschriftungen von Sachen, die dem Kind gehören, sollten möglichst an einer unsichtbaren Stelle stehen.
• Auch Geheimnisse dürfen verraten werden, wenn sie sich schlecht oder nicht richtig anfühlen.
• Weg von der Autotür: Kinder sollten sich generell von fremden Autos fernhalten. Hält ein Auto direkt vor ihnen an, sollten Kinder nie direkt an die Tür herantreten. Besser in der Nähe des Seitenspiegels stehen bleiben, so dass die Autotür als Schutz zwischen Kind und Fahrer dient.
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