Hochbegabte Kindern fördern, kann für Eltern eine Herausforderung sein. Denn natürlich wollt ihr alles richtig machen. Dabei kann es aber schnell passieren, dass ihr übers Ziel hinausschießt. Am Ende sind alle gestresst und unter Druck. Damit das nicht geschieht, haben wir Tipps gesammelt.
Diagnose Hochbegabung und nun?
Nachdem ihr die Diagnose Hochbegabung bekommen habt, herrscht vermutlich ein Gefühlschaos bei euch. Einerseits fühlt es sich gut an, endlich etwas in der Hand zu haben und die eigene Vermutung bestätigt zu bekommen. Andererseits kann diese Diagnose zu Frust führen. Weil gar nicht klar ist, was und wie viel ihr nun tun müsst. Der wichtigste Rat lautet also: Erst mal innehalten. Denn meistens macht ihr instinktiv schon vieles richtig.
Ihr kennt euer Kind ja, seit es auf der Welt ist und die festgestellte Hochbegabung sollte an eurem Verhältnis nichts ändern. Eure Kinder brauchen diese Sicherheit. Ihr stillt also zunächst den sowieso vorhandenen Wissensdurst wie bisher. Ob Museumsbesuche, Bücher (vor)lesen, rechnen lassen, Filme schauen, alles, was ihr vorher zusammen getan habt, damit macht ihr einfach weiter.
Offen sein und offen bleiben
Sprecht offen mit euren Kinder, auch dann, wenn ihr nicht alle aufkommenden Fragen beantworten könnt. Das kann sowieso niemand. Aber oft haben Kinder gerade nach der Diagnose Hochbegabung viele Sorgen. Sei es, dass sie glauben, nun zum Außenseiter zu werden, als "Streberin" in der Klasse zu gelten oder weil sie Sorge haben, dass alle anderen über sie lachen.
Macht euren Kindern klar, dass Hochbegabung einfach eine Gabe ist, die sie sich nicht ausgesucht haben, die ihr Leben aber auch nicht dominieren muss. Menschen sind unterschiedlich und Neugierde ist immer etwas Tolles.
Erste Förderungsmöglichkeiten nach der Diagnose Hochbegabung
- Je nach Alter: Lesen (lernen) lassen
- Bei Interesse: Neue (Computer)Sprachen lernen lassen
- Bewegung tut gut: Lasst euer Kind eine neue Sportart ausprobieren
- Teil der Gruppe: Euer Kind sollte nicht vereinsamen, sondern gerade jetzt die Nähe zu anderen Kindern suchen. Ideal dafür: Eine Vereinsmitgliedschaft oder Jugendtreffs am Nachmittag
- Keine Verbote: Wenn euer Kind schon vor der Schule lesen oder rechnen lernen möchte, dann unterstützt es dabei
Wenn euer Kind sich in der Schule permanent unterfordert fühlt, sich langweilt oder auch negativ auffällt, sprecht mit dem Lehrpersonal. Die Lehrerin oder der Erzieher werden sehr gut einschätzen können, ob die jeweilige Schule den Wissensdurst mithilfe von Extraaufgaben stillen kann oder ob der Besuch einer speziellen Schule notwendig wird.
Wie könnt ihr hochbegabte Kinder fördern?
- Macht euch klar, dass ihr niemals alle Antworten auf alle Fragen haben könnt. Natürlich wünschen wir Eltern uns das und gerade hochbegabte Kinder haben viele, viele Fragen. Aber gönnt euch auch selbst eine Pause und das Eingeständnis, nicht alles zu wissen. Das ist ok und zeigt euren Kindern, dass ihr keinen Druck ausübt.
- Findet heraus, welche Stärken und Schwächen euer Kind hat. Was motiviert euren Nachwuchs und worauf hat er überhaupt keine Lust? Wenn ihr wisst, was euren Kindern gefällt, fällt es leichter, das passende Förderprogramm zu finden. Das Wissen um die Schwächen ist auch wichtig, um da gezielter hinzuschauen und aufzupassen, dass euer Nachwuchs nicht plötzlich Dinge, die es nicht gut kann, komplett vermeidet.
- Arbeitet gegen Isolation an. Denn nach der Diagnose Hochbegabung ziehen sich viele Kinder erst mal zurück. Sie aus diesem Loch rauszuholen ist gar nicht so einfach. Schaut also hin und reagiert, wenn euer Nachwuchs sich immer mehr ins Alleinsein verkriechen will.
- Achtet auf emotionale Probleme. Wirkt euer Kind immer traurig und erschöpft, hofft nicht, dass es von allein besser wird. Sprecht es darauf an und bleibt ansprechbar. Überlegt gemeinsam, welche Entspannungstechniken helfen können, die Resilienz stärken könnten und so als Erste Hilfe bei emotionalen Problemen zur Verfügung stehen.
- Sucht nach Fördermöglichkeiten außerhalb von Kita und Schule. Es gibt Kinderakademien und auch AGs, die speziell für hochbegabte Kinder entwickelt wurden.
- Bremst den Lerneifer eurer Kinder nicht. Hochbegabte Kinder haben große Interessensgebiete und wollen oft schnell ganz viel lernen. Schaut, ob das Tempo wirklich zu eurem Kind passt, unterstützt es aber unbedingt, auch dann, wenn von außen Kommentare kommen, dass Kinder dieses oder jenes in einem bestimmten Alter noch nicht dürften. Gerade Eltern von hochbegabten Kitakindern werden oft damit konfrontiert, dass ihnen geraten wird, ihrem Nachwuchs das Lesen und Rechnen lernen noch zu untersagen. Das führt aber zu Frust beim Kind. Begleitet das lieber entsprechend.
- Meldet euren Nachwuchs im Sportverein an. Sportliche Betätigung ist wichtig, um neuen Input zu liefern und auch, um Freundschaften zu erschließen. Eure Kinder lernen sich im sportlichen Wettbewerb auch selbst noch mal anders kennen und erleben eine andere Art von Gemeinschaft.
- Geht mit euren Kindern in Bibliotheken. So können sie selbstständig Themenfelder, die sie interessieren, erschließen, sich mit Materialien eindecken und ihr bekommt eine Verschnaufpause. Es ist wichtig, eure hochbegabten Kinder zu fördern, aber ihr selbst dürft dabei nicht auf der Strecke bleiben.
Brauchen hochbegabte Kinder eine spezielle Schule?
Im Bereich der Förderung hochbegabter Kinder hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Es gibt mittlerweile Privatschulen, die sich auf hochbegabte Kinder spezialisiert haben. In den Regelschulen gibt es immer öfter auch spezielle Klassen oder AGs, die sich der intellektuellen Überflieger annehmen. Im Zweifelsfall kann sich auch ein Schulwechsel schon positiv auf euren Nachwuchs auswirken.
Wird das bei euch nicht angeboten, könnt ihr euer Kind fördern, in dem ihr bei der Schulbehörde anfragt, ob sie gestattet, dass euer Nachwuchs bestimmte Unterrichtsfächer in einer weiterführenden Schule besuchen darf. Gerade bei Grundschulkindern ist das eine gute Möglichkeit, den Wissensdurst zu stillen und einer Unterforderung entgegenzuwirken.
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Sollten hochbegabte Kinder zur Förderung in ein Internat?
Schließlich könnt ihr eure hochbegabten Kinder fördern, indem ihr sie auf ein Internat schickt. Diese Entscheidung sollte aber nicht leichtfertig getroffen werden. Nicht jedes Kind fühlt sich in einem Internat wohl und nicht jede Familie kann oder will sich diese besondere Art der Förderung leisten. Es lohnt sich, nach Stipendien Ausschau zuhalten, gerade für Menschen mit Hochbegabung gibt es hier immer mal wieder Möglichkeiten, die hohen Gebühren zumindest nicht ganz allein stemmen zu müssen.
Lasst euch bei schulischen Herausforderungen vom Verein Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind beraten. Sie bieten telefonische Hilfe an. Wenn ihr andere Familien mit hochbegabten Kindern kennt, lohnt ein Austausch auf persönlicher Ebene ganz sicher auch. Und wenn es nur euch Eltern guttut, denn vergesst nicht, auch für euch ist das alles ein Prozess.
Hochbegabte Kinder fördern in der Schule: Diese Modelle gibt es
Im Hinblick auf die weitere schulische Förderung bieten sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten an: Der Besuch einer Bildungseinrichtung, die speziell auf die Bedürfnisse von hochbegabten Kindern zugeschnitten ist, oder die Förderung durch besondere Angebote innerhalb der Regelschule. Da es nur wenige Spezialeinrichtungen für hochbegabte Grundschüler gibt, rückt in dieser Altersgruppe die integrative Förderung in Regelschulen in den Mittelpunkt. Zwei Unterstützungsformen haben sich bewährt:
Akzelerations-Modell
Unter „Akzeleration“, übersetzt „Beschleunigung“, versteht man alle Fördermaßnahmen, die zu einem schnelleren Durchlaufen der Schule führen. Dazu gehört die frühzeitige Einschulung, der frühere Übergang in die weiterführende Schule und das Überspringen einer oder mehrerer Klassen.
Auch sogenannte D-Zug-Klassen, in denen Grundschüler in drei Schuljahren das Pensum von vier absolvieren, werden erprobt. Dabei muss nicht zwangsläufig eine ganze Jahrgangsstufe übersprungen werden: Das „Fachspringen“ ermöglicht Schülern, die in einzelnen Bereichen sehr begabt sind, den Besuch des entsprechenden Unterrichts in einer höheren Klasse.
Enrichment-Modell
Beim sogenannten Anreicherungsmodell geht es darum, den üblichen Lernstoff durch qualitativ hochwertige Zusatzangebote zu erweitern. Dabei werden die Art und der Schwierigkeitsgrad des Lehrstoffs dem individuellen Leistungsvermögen der Schülerin oder des Schülers angepasst. Ist ein hochbegabtes Kind zum Beispiel im Matheunterricht mit seinem Pensum fertig, während die anderen noch rechnen, erhält es vom Lehrer Extra-Aufgaben, die es besonders herausfordern.
Gerade der Grundschulunterricht mit den Elementen Wochenplanarbeit, Freiarbeit und Projektarbeit eignet sich hervorragend dazu, das bei Hochbegabten ausgeprägte aktiv-entdeckende Lernen zu fördern. Ihr als Eltern aber auch die Lehrer*innen sollten bei allem Engagement für hochbegabte Kinder aber nicht vergessen: Begabte Kinder brauchen - wie alle anderen auch - Zuwendung, Liebe, Geborgenheit, Lob, Verständnis und Wärme. Daher muss in jedem einzelnen Fall geprüft werden, welche Form der Unterstützung im Hinblick auf das Wohlbefinden und die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes die günstigste ist.
Hochbegabte Kinder fördern in der Kita
Eine Hochbegabung wird oft erst im Laufe der Kitazeit offensichtlich. Auch hier gilt aber: Erst mal Ruhe bewahren. Gemeinsam mit den Erzieher*innen und der Leitung könnt ihr überlegen, ob eine frühzeitige Einschulung sinnvoll ist. Bei der Entscheidung solltet ihr aber berücksichtigen, dass eure Kinder vielleicht intellektuell schon bereit für die Schule sind, emotional aber deswegen noch lange nicht.
„Es scheint besser zu sein, früh eingeschult zu werden und gemeinsam mit der Klasse die schulischen Fähigkeiten zu erwerben, als später eingeschult zu werden, um dann durch die niedrigen Anforderungen gelangweilt eine Klasse zu überspringen“, sagt die Tübinger Psychologin und Hochbegabten-Expertin Aiga Stapf.
Rat und Hilfe für Eltern hochbegabter Kinder
Wenn ihr selbst oder eure Kinder weitere Unterstützung brauchen, dann sind diese beiden Adressen ein guter Startpunkt. Außerdem lohnt es sich immer nach Gleichgesinnten zu suchen, denn das Leben mit hochbegabten Kindern kann für alle Familienmitglieder auch ganz schön herausfordernd sein.
- Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind, Berlin (www.dhgk.de): Der bundesweite Interessenverband mit 18 Regionalvereinen und zahlreichen Selbsthilfegruppen vertritt die Interessen hochbegabter Kinder und ihrer Eltern, vermittelt bei Bedarf Diagnostik und informiert über Förderangebote.
- Hochbegabtenförderung e.V., Berlin (www.hbf-ev.de): Arbeitsschwerpunkt des Vereins ist die bundesweite Einrichtung von Kursen für Hochbegabte und überdurchschnittlich intelligente Kinder und Jugendliche im außerschulischen Bereich.
Leider werden gerade hochbegabte Kinder auch immer wieder gemobbt. Sucht euch Hilfe, allein könnt ihr damit nicht fertig werden. Erste Tipps gegen Mobbing findet ihr im Video:
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