Jungs spielen mit Autos, Mädchen mit Puppen – dieses Klischee stimmt einfach nicht. Wissen wir alle! Kinder können durch solche Stereotypisierungen sogar Nachteile erleiden.
Das Thema "Mädchen- und Jungenspielzeug" ist nicht neu, seit Jahren werden die Rufe danach, Kinder einfach mit dem spielen zu lassen, was sie wollen, immer lauter. Vollkommen zurecht. Denn Spielzeug ist für alle da. Die BBC sorgte mit einem TV-Experiment vor einigen Jahren für Aufsehen. In der Sendereihe "No more Boys and Girls" spielten verschiedene Testpersonen mit zwei Kleinkindern. Wie der Name es vermuten lässt, spielte ein kleines Mädchen und ein kleiner Junge mit einigen Erwachsenen.
Die Betreuenden boten den Kindern, die sie selbst als Mädchen identifizierten, bevorzugt Kuscheltiere und rosafarbenes Spielzeug an. Dem Junge gaben die Erwachsenen eher Roboter, Baukästen und Autos zum Spielen. Dabei schrieben die Testpersonen den Kindern verschiedene Eigenschaften zu. Die Mädchen galten als eher brav, die Jungen eher als Rabauken. Nach der Spielrunde wurden die Erwachsenen mit der Wirklichkeit konfrontiert: Das Kind, was sie als Mädchen stereotypisiert hatten, war in Wirklichkeit ein Junge, der Junge ein Mädchen.
Erwachsene weisen Geschlechterrollen zu
Das Experiment verdeutlichte vor allem eins: Es sind nicht die Kinder, die zu vermeintlichem "Jungs" - oder "Mädchenspielzeug" greifen. Diese Entscheidung wird maßgeblich von uns Erwachsenen beeinflusst. Wir bestimmen, womit unsere Kinder spielen und prägen damit Rollenmuster. Denn Kinder lernen durch Nachahmung.
Es waren in der Dokumentation die Testpersonen, die den Kleinen – unterbewusst oder nicht – Jungsspielzeug für den angeblichen Jungen und Mädchenspielzeug für das angebliche Mädchen herausgesucht haben. Es machte im Experiment übrigens keinen Unterschied, ob die Testpersonen weiblich oder männlich waren. Beide Geschlechter haben bestimmte Spielzeuge einem Mädchen beziehungsweise einem Jungen zugeordnet.
Und was in so jungen Jahren an Zuschreibungen beginnt, das setzt sich im Laufe der Erziehung natürlich fort. Wer damit groß wird, dass die Autorennbahn tabu ist, die Spielküche aber bereitgestellt wird, der greift auch später bei eher stereotypen Spielzeugen zu. Gelernt ist eben leider gelernt, bzw. anerzogen.
Was ist eigentlich Jungs- und Mädchenspielzeug?
Schon bei der Formulierung "Jungs"- oder "Mädchenspielzeug" zucke ich zusammen. Mir ist natürlich klar, dass damit Klischees gemeint sind. Puppen für die Mädchen, Bagger für die Jungen. Ich werde das in diesem Leben auch nicht mehr verstehen, wieso irgendwer glaubt, dass Spielzeug nicht einfach für alle ist.
Mir ist auch nicht verständlich, wieso manche Erwachsene ihren Kindern ernsthaft Dinge verbieten mit der Begründung: Das ist aber für Mädchen (oder Jungs, je nach Geschlecht). Was genau ist denn da die Befürchtung? Der Penis fällt sicher nicht ab wenn sich ein Junge liebevoll um eine Puppe kümmert, das ist bei Vätern bisher auch nicht geschehen. Und Mädchen müssen auch keine Lust auf sittsame Spiele haben, die können doch genauso gut (und manchmal besser) über den Fußballplatz bolzen, wie Jungs.
Mich beschäftigt das Thema schon allein dank meiner drei Kinder seit Jahren. Weil die in ihrem Umfeld immer wieder an Grenzen stoßen, die sie von Zuhause gar nicht kennen. Bei uns dürfen alle alles ausprobieren, ob Spielzeug oder Kleidung. Und ich wünsche mir, dass mehr Eltern sich dem öffnen. Spielzeug ist zum Spielen da, nicht um veraltete Geschlechterrollen zu zementieren. Unsere Gesellschaft gewinnt doch soviel davon, wenn wir uns alle mehr trauen, ganz viele verschiedene Facetten unserer Selbst zu zeigen.
Räumliches Denken können nur Jungs?
Wenn Eltern entscheiden, dass ihr Nachwuchs nur eine bestimmte Art von Spielzeug bekommen soll, hat das tatsächlich tiefgreifende Konsequenzen. Denn Spielsachen für Jungen und Mädchen unterscheiden sich nicht nur in Farbe und Muster, sondern auch in ihrer Funktionalität.
Auch wenn sich da langsam etwas verändert, in der Masse ist es so: Spielzeug für Jungen ist viel öfter so konstruiert, dass es die Kleinen zum Nachdenken anregt. Für Jungs gibt es in der Spielwarenabteilung Spielsachen, die räumliches Bewusstsein lehren und das Kind aktiv seine körperlichen Fähigkeiten testen lassen. Mädchen bekommen Puppen und lernen in erster Linie, dass sie sich kümmern sollen. Wollen wir als Gesellschaft diese alten Klischees wirklich immer weiter transportieren? Ich denke nicht.
Wie Spielzeug Geschlechterklischees verbreitet
Studien zeigen: Wenn junge Kinder regelmäßig mit Spielzeug spielen, das ihnen räumliches Denken vermittelt, verändert sich ihr Gehirn in nur drei Monaten. Da liegt die Vermutung nahe, dass schon die Spielsachen der Kinder dafür mitverantwortlich sein können, was unsere Kinder sich später in der Schule zu trauen, welchen Beruf sie später ergreifen. Denn wer im räumlichen Sehen als Baby weniger gefördert wird, der glaubt auch später, das nicht so gut wie die Klassenkameraden zu können.
Tipps für geschlechterneutrales Spielzeug
Wie schon gesagt, Spielzeug ist für alle da. Und wenn wir darauf achten, dass wir unserem Nachwuchs viele unterschiedliche Dinge, auch solche die in der allgemeinen Meinung vielleicht für das andere Geschlecht sind, anbieten, öffnen wir unseren Kindern eine neue Welt. Die nachfolgenden Spielzeugideen eignen sich für Jungs und Mädchen gleichermaßen und fördern die Entwicklung. Gleiches gilft übrigens für Kinderbücher, die Diversität feiern. Auch hier können wir nicht genug Vielfalt feiern.
Wir müssen unsere Ängste ablegen
Wir sollten darauf achten, dass wir unseren Kinder eine große Bandbreite an Spielzeugen anbieten, sie animieren auch mal außerhalb der Norm Dinge auszutesten. Was soll denn schon passieren? Wir müssen diese Ängste ablegen, dass wir schief angeschaut werden, wenn unsere Söhne liebevoll ihre Puppen umsorgen und sie im Tragetuch durch die Gegend tragen, auch wenn sie älter sind als drei. Wir dürfen unseren Töchtern zugestehen, dass sie besser als die Jungs Legogebilde bauen können, auf dem Spielplatz mit dem Spielzeugbagger alles niederreißen und überhaupt auch sehr wütend werden können.
All das ist normal und wichtig für die Entwicklung.Wir sind so komplexe Wesen die sich nicht in stereotype Schubladen pressen lassen. Und das ist auch gut so. Berauben wir unsere Kinder nicht durch limitierende Spielzeug der Chance, sich in ihrer Komplexität besser kennenzulernen.