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Sexualerziehung

Sexualtherapeutin bestätigt: Warum Aufklärung schon bei Kleinkindern anfängt

Aufklärung für Kinder Interview Sexualtherapeutin
© Getty Images/evgenyatamanenko

Schon meine 2-jährige Tochter entdeckt neugierig ihren Körper und vergleicht diesen mit meinem und dem ihres Papas. Genau dann beginnt schon die frühe Aufklärung für Kinder. Wir haben mit Sexualtherapeutin Julia Henchen darüber gesprochen, dass Sexualerziehung gar nicht früh genug beginnen kann. Dabei geht es um weitaus mehr als nur die körperlichen Funktionen.

Meine eigenen Eltern (Jahrgänge 1949/1951) kommen aus einer Generation, in der man überhaupt nicht aufgeklärt wurde, sondern alles nur durch Erfahrung gelernt hat. Dementsprechend fiel es ihnen auch schwer, mit mir als Teenagerin über Sex und wichtige körperliche Themen zu sprechen. Im Grunde genommen wurde das gar nicht gemacht.

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Als kleines Kind kann ich mich nicht erinnern, dass mir körperliche Dinge offen erklärt wurden. Da ich jetzt sehe, wie neugierig meine Tochter ist, merke ich, was mir da als Kind gefehlt hat und worum es eigentlich wirklich geht, wenn man von frühkindlicher Aufklärung spricht. Vor allem in der jetzigen medialen Welt, in der Kinder viel früher und oft ungewollt mit Bildern oder sexuellen Themen konfrontiert werden, die sie nicht verstehen.

Wie wichtig nicht nur das frühe, richtige (!) Benennen der eigenen Geschlechtsorgane sondern auch die Entwicklung eines gesunden Körpergefühls bei Kindern ist, hat mir der Austausch mit Sexualtherapeutin Julia Henchen gezeigt. Als psychosoziale Beraterin und Sexualpädagogin beschäftigt sie sich vor allem mit der Familientherapie und hat mir ein paar wertvolle Hinweise für die Aufklärung für Kinder gegeben.

Julia Henchen
Julia Henchen berät Familien, Paare oder Einzelpersonen.

"Es ist vollkommen normal und gesund, wenn Kinder ihren Körper entdecken"

Viele Kleinkinder fangen schon früh damit an, ihren Körper genau zu erforschen und zu erkunden. Das sei auch sehr wichtig und völlig normal, so die systemische Therapeutin. Sie betont, dass Eltern ihre Kinder einfach neutral begleiten und erklären sollten, wie die Genitalien heißen und worauf es bei der Hygiene ankommt.

Manchmal beobachten wir Eltern, dass Kleinkinder mit ihren Genitalien spielen. Das könnte wie eine frühe Art der Selbstbefriedigung wirken. Dazu erklärt Julia Henchen: "Kinder denken dabei natürlich nicht an Sex, so wie Erwachsene ihn haben, sondern spüren einfach, dass es sich gut anfühlen kann. Das hat also nichts mit Sex im Sinne zu tun, wie Erwachsenen ihn definieren." Eltern sollten ihren Kindern das nicht verbieten oder sie davon abhalten, da es zu einer gesunden Entwicklung dazugehört.

Wir fragen uns häufig, wann es Zeit ist, mit den Kindern über mehr als die Benennung von Penis und Vulva zu sprechen. Erst in der Grundschule oder schon in der Kita? Die Therapeutin betont, dass Aufklärung für Kinder schon von klein auf zuerst damit beginnen sollte, dass sie ohne Scham ihre Geschlechtsteile benennen können.

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Es hilft, wenn wir selber ganz natürlich und schamfrei über unseren Körper reden und ihnen da eine gewisse Offenheit vorleben. Das kann ganz unaufgeregt und ohne große Ankündigung im Bad passieren, wenn Kinder die Eltern auf der Toilette oder beim Baden beobachten. Da kommen meist die neugierigsten Blicke und ersten Fragen, die man klären kann.

Kinder sollten von klein auf lernen, was gute Beziehungen sind

Neben diesen rein körperlichen Funktionen und Bezeichnungen sei es laut Julia Henchen jedoch viel wichtiger, dass schon Kitakinder lernen, "was gute Beziehungen und Zärtlichkeit sind und wie sie kommunizieren können, was sie wollen und was nicht." Dies leben wir ihnen im besten Fall als Elternpaar vor und so lernen sie, wie man miteinander zärtlich umgeht und wie nicht. Dabei geht es im Bereich frühe Aufklärung für Kinder auch darum, keine klischeehaften Rollenbilder zu produzieren wie "Männer reden nicht über Gefühle" oder ähnliches.

Eltern sollten Kinder auch dazu befähigen, ihren eigenen Körper zu mögen und ihre Grenzen zu kommunizieren.

Es ist wichtig, damit Kinder ihre eigenen Grenzen definieren können und sicher werden im Umgang mit Beziehungen, um auch geschützt vor sexuellen Übergriffen zu sein.
Julia Henchen

Themen wie erste Periode, erster Samenerguss und andere Körperfunktionen werden oft erst später interessant, meist wenn das Kind zur Schule geht. Die ersten Fragen zu Sex und "Wie werden Babys gemacht" tauchen dann ebenfalls auf. Auch Pornos & Co. sollten thematisiert werden. Wie das ablaufen kann, erklären wir dir im folgenden Artikel:

Kinder in ihren Gefühlen ernst nehmen

Aufklärung für Kinder bedeutet auch, ihnen zu zeigen, dass sie über ihren Körper entscheiden und darüber, wer sie wo berühren darf. Wenn Kinder einer bestimmten Person der Familie nicht nahe sein möchten oder keinen Kuss geben wollen, dann muss man das ernst nehmen. Jedes Kind hat eine andere Grenze, die es entdecken muss: Manches Kind umarmt sehr gern viele Menschen und ein anderes Kind möchte wirklich nur Mama und Papa berühren oder von ihnen berührt werden. Diese Gefühle oder Unbehaglichkeiten sollte schon ein kleines Kind erkennen und äußern dürfen und wir Erwachsene müssen dies ernst nehmen.

Frühe Aufklärung kann sexuellen Missbrauch verhindern

Julia Henchen betont, dass es extrem wichtig ist, mit Kindern von klein auf darüber zu sprechen, was "gesunde" Beziehungen zu anderen Menschen ausmacht und was "consent" ist: "Niemand darf einen einfach so berühren und wenn es doch ungewollt passiert, darf man das einem Erwachsenen erzählen. Daher ist es auch so wichtig, dass sie ihre Genitalien kennen und wissen, dass das ein Bereich ist, der nur von ihnen selbst berührt werden sollte (mit Ausnahme der Hygiene, aber auch darüber dürfen sie selbst entscheiden)."

Katja Nauck

Buchtipp "Was kribbelt da so schön?"

Zu dem Thema frühe Aufklärung für Kinder möchte ich euch das Buch "Was kribbelt da so schön?" von Sexualpädagogin Magdalena Heinzl empfehlen. Die Sozialarbeiterin und Sexualtherapeutin gibt Kurse zur sexuellen Aufklärung für Pädagogen und macht dazu auch Workshops mit (Vor-)Schülern. Das Buch richtet sich an alle Eltern, die sich fragen, wie sie mit ihrem Kindern am besten über sexuelle Themen reden, wenn die Kinder neugierige Fragen stellen. Es geht sowohl um kindliche Sexualität, das Entdecken des Körpers und die Prävention für sexuelle Übergriffe und Grenzen des eigenen und fremden Körpers einschätzen zu lernen.

Was mir besonders gut gefällt: Für Magdalena Heinzl gibt es keine Tabus und sie findet eine sehr einfühlsame und sachliche Sprache für sexuelle Themen, die vielen Eltern häufig peinlich sind oder wo uns einfach die Worte fehlen. Besonders hilfreich sind die 80 Antworten auf heikle Kinderfragen wie "Was ist eine Scheide?" oder "Wie fühlt sich ein Orgasmus an?", die sie so alle schon von Kindern gestellt bekommen hat. Ihre Antworten helfen uns, einen unverkrampften ganz natürlichen Zugang zu diesen Themen zu finden und wir sind besser vorbereitet, wenn die nächste "peinliche" Frage ganz unvermittelt um die Ecke kommt. Es macht wirklich Spaß beim Lesen und klärt nochmal völlig neu auf. Ein wirkliches Must-Read für alle Eltern von vorpubertären Kindern.

Was kribbelt da so schön?

Was kribbelt da so schön?

Preis kann jetzt höher sein. Preis vom 30.10.2024 07:55 Uhr
Katja Nauck

Eine offene Umgebung für die Fragen der Kinder schaffen

Es muss gar nicht unbedingt DAS eine, große Aufklärungsgespräch geben. Wenn Eltern immer offen für die Fragen der Kinder sind, dann kommen diese von allein irgendwann damit. Sie merken, wenn Eltern ein offenes Ohr haben, ihre Frage ernst nehmen und diese so gut es geht beantworten. Zur Hilfe nehmen kann man dann auch mal Bücher oder sich bei Unsicherheiten und ganz speziellen familiären Themen auch Beratungshilfe holen. Gute Aufklärung gehört zu einer selbstbewussten Erziehung dazu.

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Tabuthemen gibt es in dem Bereich nicht bzw. nur dann, wenn wir sie selbst unangenehm finden. Letztlich merken wir Eltern selbst, wann ein Kind anfängt, öfter nachzufragen. Auch wenn uns manch ein sexueller Bereich in Erklärungsnöte bringt oder manchmal auch unangenehm und peinlich sein kann: Wir sollten dem Kind auf jeden Fall ehrlich und offen unsere Gedanken zu dem Thema anvertrauen, je nachdem wie viel es davon schon verstehen kann. Nichtwissen oder Unsicherheiten kann man ruhig auch zugeben oder sich eben mit entsprechender altersgerechter Literatur behelfen.

Mit diesen Büchern für Kinder und Teenies kann sich euer Nachwuchs bereits etwas an das Thema Aufklärung herantasten:

Aufklärungsbücher für Kinder und Jugendliche: 13 Bücher über Liebe, Sex & Pubertät

Aufklärungsbücher für Kinder und Jugendliche: 13 Bücher über Liebe, Sex & Pubertät
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Aber seid euch gewiss, mit all diesen Fragen seid ihr nicht allein. Auch wenn ihr euch fragt, ob es anderen Eltern auch so geht wie euch ... Ja! Es gibt einfach Dinge, die kennen wirklich alle Eltern wie diese 10 hier:

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Katja Nauck

Ganz natürlich

Ich staune sehr, wie viel von dem, was ich ihr erkläre, sich meine 2-Jährige schon merkt. Sie weiß, warum Mama einmal im Monat länger auf dem Klo braucht und dann zu einer Binde & Co. greift. So offen hat meine Mutter früher mit mir noch nicht gesprochen, da war das Period Shaming noch viel zu stark.

Über sexuelle Dinge wurde bei uns auch eher geschwiegen. Den Rest hat dann die Schule (mehr schlecht als recht), der Freundeskreis und die Lebenserfahrung gebracht. Genau das möchte ich jetzt anders machen und schon von früh die Themen benennen. Ich hoffe, dass mein Kind dann besser informiert ist und dadurch auch ihren Körper eher versteht und sich sicherer fühlt.

Katja Nauck
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Eine erste Anlaufstelle bei sexuellem Missbrauch oder Verdacht auf solchen kann das Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch (0800 22 55 530) sein. Hier finden Betroffene von sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend, Angehörige sowie Personen aus dem sozialen Umfeld von Kindern, Fachkräfte und generell Interessierte anonyme und kostenlose Hilfe. Wer sich nicht traut zum Hörer zu greifen, kann sich auch online beraten lassen. Die Webseite Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch beantwortet viele Fragen und hat weitere Kontakte für Hilfesuchende.